//Deutschsprachige Orthodoxie % - Katechese und orthodoxe Bildung

Das Kloster Vatopedi auf dem Heiligen Berg Athos beherbergt den Gürtel der Panhagia. Mit diesem Gürtel werden leinene Bänder gesegnet, die auf Wunsch von Kirchen und Gläubigen in alle Welt versandt werden. Frauen in Not oder in besonders auf göttliche Hilfe angewiesenen Situationen, wie Schwangerschaft oder Krankheit, binden sich diese Bänder um den Leib und öffnen ihr Herz durch intensivierte Gebete zur Gottesgebärerin. Die dabei sich ereignenden Wunder gehen in die Tausende, und dankbare Berichte über diese Wunder erreichen das Kloster.

Um diesen Schatz an geistlicher Ermutigung auch jenen zugänglich zu machen, die keine Erfahrung mit der Gottesgebärerin und ihrem Gürtel haben, hat das Kloster nun eine Website gestartet, auf der Video-Interviews aus der ganzen Welt präsentiert werden. In diesen Interviews erzählen die durch solche Wunder Beschenkten, wie dieser Gürtel sie oder ihre Kinder aus schwerer Not befreite und überhaupt das ganze Leben von Familien änderte.

Solche Interviews werden in den Herkunftsländern gedreht und müssen, um die erwünschte weltweite Verbreitung zu sichern, in viele Sprachen übersetzt werden. Die Videos sind mit maschinell erstellten Untertiteln versehen, die sich in einer Text-Ausgabe korrigieren lassen. Diese Arbeit ist, wie ein Nicht-DOM-Mitarbeiter (Siluan Schneider-Wentrup) schon erfahren hat, sehr leicht – wenn man nur die technische Seite irgendwie gebacken kriegt.

DOM hat sich bereit erklärt, dieses Projekt zu unterstützen. Zum Dank hat Vatopedi uns auf der Karte seiner weltweiten Mitarbeiter vermerkt, was angesichts der momentanen Trennung vieler in Deutschland präsenter und auch dem Deutschen aufgeschlossener Kirchen auch für unsere Arbeit eine Schranken-übergreifende Hilfe bedeutet.

Bei der Mitgliederversammlung haben sich (da Peter klugerweise einen Zettel für Namen herumgehen ließ) gleich mehrere Anwesende gemeldet. Für diese Bereitschaft danken wir an dieser Stelle Maria Bandmann, Dimitri Brang, Maria Brang, Photinia Dinkler, Lioba Kauk, Abouna Efrem Kuckhoff, Elena Schleis, Paul Thorbergson, Peter Trappe und Josepha Wilke.

Ich habe mich für die Endredaktion bereiterklärt, also bitte alle Ergebnisse erstmal zu mir!

Wir hoffen sehr, dass dieses Projekt nun bald Fahrt aufnehmen kann.

Cornelia Hayes

22.4.2023        

Impressionen und Anregungen – ein Thema und seine Umsetzung

Bericht: Ein Projekt für die Kirchen-Kinder

Schwester Andreea Drăgoi und Johannes Sigel

Wir möchten hier über ein kleines Projekt berichten, das wir gemeinsam in der Verkündigungs-St. Justin Einsiedelei durchgeführt haben. Unser Bericht soll – gerade auch im Zusammenhang mit der kürzlich hier veranstalteten Tagung über Kinder in der Kirche, zur Anregung und Ermutigung für andere Gemeinden und ihre Kinder-Arbeit dienen. Es ging uns darum, einen kleinen Beitrag zu leisten für die Glaubens-Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die der Einsiedelei nahestehen. Denn wenn wir ihnen helfen, ihren Anker fest in den Boden der Kirche zu versenken, werden die wilden Winde der Welt sie nicht so leicht in das weite Meer hinaus führen, wo sie in Gefahr laufen, sich selbst, und das heißt, ihre göttliche Berufung, zu verlieren.

Da sich rund um die Einsiedelei von Unterufhausen einige Familien angesiedelt haben, und andere auch von weiter her regelmäßig zum Gottesdienst dorthin kommen, haben wir uns ein Sommerferien-Programm für sie ausgedacht. Dieses Vorhaben, diese Idee traf sogleich auf großes Interesse, wie ein gutes Angebot als Antwort auf eine schon länger bestehende Nachfrage. Zu unserer Freude waren nicht nur die ersten Reaktionen voller Enthusiasmus, sondern die meisten haben auch bis zum Ende begeistert mitgemacht.

Natürlich gab es auch einen schwierigen Moment, den der liebe Gott zuließ, zur Stärkung unseres Glaubens. Drei Familien (eigentlich drei Verzweigungen der einen Familie), und somit die Mehrheit der Angemeldeten, waren verreist und niemand wusste, ob sie an dem für die Veranstaltung festgelegten Tag zurück sein würden. Eine dieser Familien musste sogar ein Unglück eines ihrer Mitglieder bewältigen. Und dann entschied auch noch eine weitere angemeldete Familie, sich von der Teilnahme zurückzuziehen. Der Termin für die Abgabe der eigenen Arbeiten wurde also nur von drei Kindern eingehalten. Zweifel, schlechte Gedanken kamen auf: „Sollen wir jetzt enttäuscht sein? So viel Mühe, so viel Gebet und niemanden kümmert es?!“ „Warte ab, bis der Tag kommt! Hast du noch immer nicht verstanden, dass es Versuchungen gibt für diejenigen, die sich für Christus bemühen? Außerdem weißt du, dass der Hl. Geist ALLES schaffen kann! Er kann euch sogar trotz der geringen Teilnehmerzahl einen wunderschönen Nachmittag schaffen.“ – so tröstete uns unser Gewissen. Also beteten wir weiter, wie üblich, unsere Hoffnung auf Gott setzend. Oft vergessen wir ja, dass das Gebet der Grundstein all unserer Tätigkeiten sein sollte, und dass nichts von dem, was wir selber tun, in sich gut ist, und wir auch unbedingt durch Gebet den Segen und die Gnade Gottes für unsere Unternehmungen heranziehen sollten. So sah sich Andreea (anders als der in Kinderarbeit seit Jahren involvierte Johannes) durch ihre Unerfahrenheit und die Unwissenheit in Sachen Kinderfreizeitgestaltung zum demütigen, inbrünstigen Gebet hingeleitet, ein Gebet, das erhört und belohnt wurde – Gott sei Dank! Am Ende waren nämlich dann doch alle angemeldeten Familien da, und wir hatten eine sehr lebendige Groß-Gruppe.

Unser kleines Programm war gedacht für Familien, die regelmäßig die Einsiedelei besuchen. Die gemeinsamen Aktivitäten sollen zum Nutzen und zur Freude aller sein, insbesondere der Kinder und Jugendlichen. Das Projekt bestand aus zwei Etappen: Die erste Etappe umfasste die Vorbereitung und Durchführung des Treffens in der Einsiedelei für Gemeindemitglieder und ihre Kinder. Die Kinder waren gebeten worden im Vorfeld etwas zum Thema “Dankbarkeit” zu verfassen, um es am angesetzten Tag vorzulesen. Wir trafen uns an einem Samstagnachmittag am vorletzten Wochenende vor dem Schulbeginn. Die Vorschulkinder hatten sich von ihren größeren Geschwistern helfen lassen dürfen, ihre Gedanken zum Thema festzuhalten – das war lustig! Auch sollten sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen: Sie konnten entweder eine Geschichte schreiben (fiktiv oder real), oder einen Brief (an Gott, an die Eltern, Freunde, Lehrer, Heilige usw.), sie konnten ein Gedicht oder ein Danksagungs-Tagebuchblatt verfassen. Die meisten haben sich entschieden, Gott zu danken für seine Wohltaten an ihnen. Sonst gab es noch einen Brief an die stets beistehende Mama; eine fiktive, im positiven Sinne schockierende Geschichte über die Konsequenzen der Undankbarkeit; eine reale Geschichte darüber, wie Gott auf wunderbare Weise in einer Pannensituation geholfen hat; in den Tagebuchzeilen wurde  Dank an die Familien ausgesprochen, an die Freunde, an die Klostergemeinschaft usw.

Bei unserem Treffen haben wir dann all diese Zeugnisse vorgelesen  – ein insgesamt erquickendes Erlebnis! Ein Beispiel der 13-jährigen Johanna haben wir hier abgebildet.) Unsere Veranstaltung war “interaktiv”, d.h. alle durften sich etwas entspannt an den Diskussionen mitbeteiligen. Es konnte anders kaum sein, da sich alle schon im Vorhinein gut kannten, und auch der Raum (die Unterkirche der Einsiedelei) und seine Einrichtung dazu einluden. Es ergab sich ein schöner Austausch von Ideen und Erfahrungen. Das Ganze wurde von uns beiden moderiert: Johannes hat einen sehr guten Draht zu Kindern, ist spontan und kommunikationsfähig, Andreea hatte sich gründlicher mit dem Thema und seinen verschiedenen Dimensionen befasst. So ergab sich eine gute gegenseitige Ergänzung und eine gelungene Zusammenarbeit, Gott sei Dank!

Die Kindergruppe (Gruppenfoto)

Die zweite Etappe galt einem gemeinsamen Tagesausflug. Alle Kinder, die fleißig mitgemacht haben, wurden damit überrascht. Er fand eine Woche nach der Veranstaltung statt, am Samstag vor Schulbeginn. Zielort: Bad Hersfeld. Dort haben die Kinder und Jugendlichen, begleitet von einigen Erwachsenen ein äußerst lehrreiches Sprachmuseum besucht, das sogar einige christliche Inhalte bietet (z.B. kann man eine Führung buchen über M. Luthers großen Einfluss auf die deutsche Sprache oder unterschiedliche Erkundungsbögen kaufen für Konfirmanden, zu den Themen Gemeinschaft, Identität und Taufe usw.) “Eine Wissens- und Erlebniswelt für Sprache und Kommunikation“, mit vielen Mitmachexponaten[1]. Die Erkundung dieses Museums wurde gefolgt von einem für die Kinder sehr zufriedenstellenden Picknick mit einer ausreichenden Menge an Pizza, mit anschließenden Spielen im Freien.

Zur praktischen Durchführung:

  1. Das Wichtigste ist: Schon im Vorfeld für die Adressaten solcher Veranstaltungen beten, d.h. jeden Tag üben, sich in die teilnehmenden Familien hineinzuversetzen.
  2. Dafür sorgen, dass die Teilnehmer-Familien alle Informationen schwarz auf weiß erhielten, so dass keine Missverständnisse aufkommen konnten und alle über das was-wann-wie-wo-wer informiert waren. Hierzu haben wir immer wieder Zettel mit den nötigen Informationen verteilt– ja, so ganz ohne WhatsApp lief das!
  3. Alles möglichst einfach halten. Darum haben wir uns auch für Pizza als Picknick entschieden. Alle Kinder essen das (und wie!), es schafft Gemeinschaft beim miteinander-Teilen, man braucht kein Besteck und hat keine Umstände beim Vorbereiten und Transportieren.
  4. Beten, dass alle bereichert werden, dass ihnen Gnade geschenkt werde, dass sie behütet sein mögen, dass sie eine schöne Zeit haben; beten für gutes Wetter, falls es eine Rolle spielt (aber noch einen Plan B bereit haben, falls Andere anderes Wetter wünschen oder brauchen, und Gott es für vernünftiger hält die Bedürfnisse oder die Wünsche jener Anderen Folge zu leisten).
  5.  Mit einem Schlusswort Dank sagen.

Und so danken auch wir, Johannes und Andreea, Gott für alles, was er uns geschenkt hat: viel Freude und ein vielfach nutzbringendes Miteinandersein in seiner Liebe. Wir danken allen mitbeteiligten Heiligen, Engeln und Mitmenschen.


[1] siehe www.wortreich-badhersfeld.de

Kurze Rede zum Thema Dankbarbeit

(oder: Ein ABC der Dankbarkeit)

Dankbarkeit ist ein sehr breites Thema, wir könnten stundenlang darüber reden, doch am wichtigsten ist es, wirklich dankbar zu leben. Und wie unser Vater Justin (unser geistlicher Vater) stets sagt: “Je früher man diese Dinge versteht, desto leichter hat man es später im Leben”.

Dankbar sein bedeutet, zu schätzen, was man geschenkt bekommen hat. Und wir haben eigentlich alles von Gott geschenkt bekommen: unser Leben und alles was wir erleben – denkt mal darüber nach, was das bedeutet! Auch die Menschen tun viel Gutes und das meiste davon bemerken wir gar nicht. Deshalb sollte man auch ihnen dankbar sein. Dankbarkeit macht uns zu besseren, liebevolleren Menschen, weil unsere Augen sich immer mehr öffnen und wir sehen immer mehr, wie wunderbar Gott und unsere Mitmenschen sind.

Und nun könnt ihr euch mal überlegen: Warum ist es für uns selbst wichtig, dankbar zu sein? Meine Antwort darauf ist: Weil es das ist eigentlich, was uns glücklich und zufrieden macht. Die Leute sagen oft: “Ja, wenn ich zufrieden und glücklich bin, (d.h. wenn meine Wünsche erfüllt sind) dann kann ich dankbar sein.” Es ist aber genau umgekehrt! Erst wenn ich ein dankbarer Mensch bin, kann ich glücklich werden. Jeder von euch kennt bestimmt Einen, der alles nötige hat, um glücklich zu sein und ist es doch nicht. Entweder will er etwas anderes als das, was er schon hat, oder er will mehr von dem, was er hat. Er ist aber nicht zufrieden. Und warum? Weil er nicht zu schätzen weiß, was er hat und undankbar ist. Aber bestimmt kennt jeder von euch einen, der es sehr schwer hat, und dennoch glücklich und zufrieden ist. Warum? Na, weil er dankbar ist! Und wie kommt es, dass er dankbar sein kann, obwohl er es so schwer hat? Weil er die vielen Dinge sieht, die er geschenkt bekommen hat. Wenn ein solcher schwer krank ist, dann sagt er: “Oh, wie gut ich es habe, dass meine Familie mich so stark unterstützt und bei mir ist. Wie gut, dass ich laufen kann, dass ich sehen und lesen kann, dass ich so ein schönes Zuhause habe? Danke für alles!” Dankbarkeit bringt Freude in unserem Leben.

Für viele üble Sachen kann man natürlich nicht dankbar sein (Gewalt, Betrug, Ausbeutung), aber man kann dankbar sein für die Gelegenheit, die man bekommt, etwas Gutes daraus zu machen. Wenn dich z.B. dein Kollege schubst, kannst du sagen: “Gut, dass er mich erwischt hat und nicht einen Anderen. Er war wütend, und er hätte seine Wut sowieso an jemanden rausgelassen. Gut, dass ich es abbekommen habe und nicht ein Anderer.” Sowas klingt sehr schwer zu machen, aber überlegt doch mal: Wir alle schätzen die Menschen, die gewusst haben, aus ihrer schwierigen Situation etwas Gutes zu machen. Das sind unsere Helden, und wir können auch Helden werden!

Dankbarkeit stärkt und vermehrt die Liebe zwischen uns Menschen! Dankbarkeit hält uns zusammen. Wenn zwei Menschen sich streiten, passiert das deshalb, weil einer von ihnen aufgehört hat dem Anderen dankbar zu sein oder weil beide aufgehört haben sich gegenseitig dankbar zu sein. Wenn sie vergessen, Dankbarkeit zu üben, wächst das Böse in ihnen immer mehr, bis ihnen eines Tages der Kragen platzt und sie lassen alles Böse aneinander raus, was sie im Laufe der Zeit in ihrem Herzen gesammelt haben. Wenn Eltern sich streiten und sich gegenseitig Vorwürfe machen: “Du hast das und das gemacht!” und der Andere: “Und du hast dies und das (…)!” Solche Eltern hätten besser aufpassen müssen, sich jeden Tag und immer wieder ein “Dankeschön” zu sagen. Das ist wichtiger als irgendwelche Fenster geputzt oder das highlight-Fußballspiel verfolgt zu haben. Wichtiger als alles in der Welt ist, dass wir den Frieden und die Liebe untereinander bewahren, nicht wahr?

Und hier etwas zum Ausprobieren: Ihr habt doch bestimmt auch Kollegen in der Klasse, die etwas anstrengender sind, die öfters schlecht gelaunt oder genervt sind. Probiert doch mal, anstatt sie böse anzugucken, ihnen ein ehrliches “Dankeschön” zu sagen, sobald ihr etwas Positives entdeckt, das sie gemacht haben. Oder noch besser: probiert es doch an allen mal aus, denn jeder hat manchmal schlechte Laune, oder ist genervt wegen irgendetwas. Einfach positiv sein und “Danke” sagen – ein Experiment! Dann könnt ihr sehen, was weiter passiert.

Genauso, wie durch Dankbarkeit die Liebe zwischen den Menschen wächst, so wächst sie auch zwischen Mensch und Gott. Wenn wir Gott danken, kommen wir ihm näher und stärken unsere Beziehung zu ihm. So werden wir zu seinen Kindern. Wir sehen immer mehr von all dem was er uns schenkt, und nicht nur das: Wir bekommen auch mehr Geschenke von ihm, denn wir sind seine Kinder. Und wenn wir “Danke” sagen, wenn uns mal etwas nicht passt, dann … ja dann werden wir zu seinen Lieblingskindern. Aber keine Sorge, jeder kann sein Lieblingskind werden!

Ein paar Informationen will ich euch noch mitgeben. Ich weiß, dass ihr in eurem Alter die Gesundheit noch nicht so zu schätzen wisst. Und das ist auch normal: Ihr wart noch nicht wirklich krank in eurem Leben. Aber ich sage euch trotzdem, was die Wissenschaftler in den letzten 20 Jahren alles rausgefunden haben: Dankbare Menschen sind gesünder als undankbare, sowohl körperlich, als auch psychisch. Sie leben sogar bis zu sieben Jahre länger, haben einen besseren Cholesterinspiegel, besseres Immunsystem, das sie vor Krankheiten schützt, einen besseren Blutdruck, weniger Herzkrankheiten und einen besseren Blutzuckerspiegel. Und sie sind psychisch gesünder: schlafen besser, haben mehr Selbstvertrauen, sind weniger ängstlich und depressive, weniger süchtig nach allen möglichen Sachen von Zigaretten bis zu Videospielen usw. Klingt sehr gut, oder? Dankbarsein hilft uns anscheinend sehr viel.

Zum Schluss will ich euch noch eine Geschichte erzählen von einem Wunder, das einer Schwester in Christus widerfahren ist. Sie hat mir ihre Geschichte selbst erzählt, aber sie wollte nicht, dass ich ihren Namen verrate. Die Person war Diabetikerin und sie beschloss eines Tages, eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Ihr Arzt sagte zu ihr, sie solle keinen Kuchen essen, und allgemein nichts Süßes. Zuhause hatte sie die Gewohnheit, sich jeden Tag den Zucker zu messen mit ihrem speziellen Gerät. Als sie sich auf dem Weg nach Jerusalem machte, da vergaß sie ihr Messgerät zuhause. Als sie in Jerusalem ankam, hat sie sogar vergessen, dass sie nichts Süßes essen darf. Vor lauter Freude, an diesem heiligen Orten zu sein, wo unser Herr Jesus Christus gelebt und gewirkt hat, an diesen Orten, wo so Vieles aus der Geschichte des Christentums passiert war – vor lauter Freude hat sie ihre Krankheit komplett vergessen! Also hat sie munter von allem gegessen, was sie aufgetischt bekam. Fast zwei Wochen lang hat sie dem Herrn gedankt, die ganze Zeit über, immer wieder: “Danke, lieber Gott, dass ich hier sein darf! (…) Danke, danke, danke!” Und als sie dann nach Hause kam, entdeckte sie: “Oho! Ich bin ja gar nicht mehr krank! Ehre dir, oh Gott, ehre dir!”

Eine Premiere innerhalb der deutschsprachigen Orthodoxie

Am 1. Oktober starten die ersten Kurse der neu gegründeten Orthodoxen theologischen Fernschule. Die Orthodoxe theologische Fernschule ist eine Bildungseinrichtung der Orthodoxen Kirche, die Online-Kurse über den orthodoxen Glauben anbietet. Aktuell werden zwei voneinander unabhängige Kurse mit verschiedenen Zielsetzungen angeboten.

Katechese-Kurs „ Einführung in die Orthodoxie“

Das Ziel dieses einjährigen Kurses ist eine allgemeine Einführung in den orthodoxen Glauben. Der Kurs richtet sich vor allem an erwachsene Menschen, die orthodox werden möchten oder ein Basiswissen über den orthodoxen Glauben erhalten möchten. Für die Teilnahme ist kein theologisches oder biblisches Vorwissen notwendig.

Theologischer Kurs „Vertiefung in den orthodoxen Glauben“

Ziel dieses dreijährigen Kurses ist es, weiterführendes Wissen an Menschen zu vermitteln, die in orthodoxen Gemeinden als Lehrer der Sonntagsschule, Katecheten, Leser u.ä. tätig sein wollen. Es können aber auch Menschen teilnehmen, die ihr Wissen über den orthodoxen Glauben vertiefen möchten. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Basiswissen, das bei einem Aufnahmegespräch geprüft wird. Der theologische Kurs steht nicht in Verbindung mit dem Katechese-Kurs.

Die Fernschule gehört zur St. Barbara Gemeinde in Krefeld und wird in Zusammenarbeit mit dem Christlich-Orthodoxen Informationszentrum e. V. betrieben. Leiter der Schule ist Priester Alexej Veselov. Die Schule führt ihre Tätigkeit mit dem Segen von Erzbischof Tichon, Leiter der Russischen Orthodoxen Diözese von Berlin und Deutschland, aus. Am Unterricht können sich Lehrer und Schüler aus beliebigen Diözesen beteiligen.

Logo der Orthodoxen Theologischen Fernschule Krefeld

Wir möchten Ihnen diese Kurse ans Herz legen.

Herzliche Grüße!  

Gregor und Katharina Fernbach

Link zur Website mit weiteren Informationen:https://www.orthodoxe-fernschule.de/

Ein zentrales Element der Vermittlung von orthodoxem Wissen und orthoxer Praxis, vor allem aber der Stärkung des orthodoxen Wir-Gefühls sind gemeinsame Freizeiten unter geistlicher Leitung. Verschiedene Gemeinden in Deutschland haben bereits umfangreiche Erfahrungen damit und teilen diese gern. Da die Informationen für deutschsprachige Leser nicht so leicht zu finden sind, haben wir ein paar „deep links“ für Sie zusammengestellt. Gerne vermitteln wir auch persönlichen Kontakt zu „alten Hasen“, wenn Sie in Ihrer Gemeinde vergleichbare Aktivitäten planen.

Eine Vielzahl an Informationen vermittelt die Seite https://roj-deutschland.de/ des e. V. Russische orthodoxe Jugend Baden-Württemberg.

Hier einige Links auf deutschsprachige Infos daselbst:

Daneben gibt es eine Materialsammlung auf http://freizeit.orthodoxinfo.de/ – hier liegen Dokumente, die teils deutsch, teils russisch sind, in Teilen auch in der oben verlinkten Broschüre enthalten sind.

Darüber hinaus finden Sie geballtes Wissen für die praktische Vorbereitung, etwa

Wer vor der Aufgabe steht, etwas Vergleichbares zu organisieren, sollte jedenfalls einen Blick darauf werfen.

Einen Überblick über regelmäßig stattfindende Jugendfreizeiten finden Sie HIER. Das ist zwar nur auf russisch, aber Google hilft gern beim Übersetzen, und hinter den angegebenen Links darf man in jedem Falle auch mit einer Anfrage in deutscher Sprache auf eine Antwort hoffen.

Gutes Gelingen zur Ehre Gottes!

HPA

Ein Gespräch mit Priester Alexej Veselov

Das nachfolgende Interview wurde kürzlich auf einem großen russischen orthodoxen Internet-Portal veröffentlicht und berührt viele Seiten des Lebens orthodoxer Gemeinden, die auch dem deutschsprachigen Leser einen interessanten Einblick in die Freuden und Sorgen orthodoxer Christen bieten. Wir veröffentlichen den Text mit dem Segen von Vr. Alexej in einer leicht gekürzten Fassung.

von Vladimir Basenkov – www.pravoslavie.ru

Priester Alexej Veselov

Vater Alexej, wie sind Sie nach Deutschland gekommen, sind Sie hier geboren oder aus Russland zugereist?

Ich wurde in St. Petersburg geboren. Als ich 3 Jahre alt war, zogen wir nach Riga und als ich 11 war – nach Deutschland. Meine Mutter und meine Großmutter besuchten eine Kirche in Riga und nahmen mich mit zu den Gottesdiensten in die Kirche Aller Heiligen mit. Dort habe ich sogar ein paar Mal am Altar gedient. Ich erinnere mich auch sehr gut, wie wir manchmal mit der Straßenbahn zum Dreifaltigkeits-Sergius-Frauenkloster fuhren. Die Gebetsatmosphäre in der kleinen hölzernen Klosterkirche hat mich tief beeindruckt.

In einem Video über ein orthodoxes Kinderlager in der Stadt Krefeld sagten Sie einmal, Sie seien gerade dadurch zum Glauben gekommen, als Sie selbst vor vielen Jahren einmal als Teil einer solchen Gruppe unter gläubigen Kindern waren. Wie kam es dazu? Und wie beeinflussten diese Ereignisse Ihre Entscheidung für das Priesteramt?

Nachdem ich nach Deutschland gezogen war, wandte ich mich recht schnell von Gott und der Kirche ab. Doch das war weniger wegen des Umzugs, sondern weil ich im Übergangsalter war. Einmal (ich war 16 gewesen) beschloss meine Mutter, in ein orthodoxes Lager auf der Krim zu fahren und nahm mich mit. Ich hatte sogleich die Befürchtung: drei Wochen in einer Sekte! Mama versuchte mich damit aufzumuntern, dass es dort auch Jugendliche in meinem Alter gäbe, aber ich war mir sicher, dass sie alle Fanatiker sein würden. Ich hatte sogar ein Bild vor den Augen: Eine Gruppe von Teenagern ging eine Straße entlang, offene Bibeln in der Hand, die sie unterwegs lasen. Damals wollte ich Programmierer werden und beschloss, die ganzen drei Wochen in meinem Zimmer zu verbringen, um ein C++ Kompendium zu studieren. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich vor Ort ganz normale Leute traf. Aber dort auf der Krim fand ich nicht nur viele Freunde, sondern auch den Glauben an Gott. Nur wenige Wochen später änderte ich meine Berufswahl und beschloss, Priester zu werden. Es war jugendlicher Maximalismus. Ich dachte: Jede Arbeit trägt nur vorübergehende Früchte. Ein Computerprogramm wird morgen veraltet sein, sogar ein gebautes Haus wird früher oder später einstürzen. Der priesterliche Dienst ist jedoch eine Investition in die Ewigkeit. Wenn es mir gelingt, wenigstens einer Person zu helfen, gerettet zu werden, ist dies eine Frucht auf ewig.

„Orthodoxe Lager sind die effektivste Form der Jugendarbeit“

Nehmen an den Kinder- und Jugendcamps, die Sie organisieren, nur Kinder und Jugendliche aus Deutschland teil oder kommen sie aus anderen Ländern?

Meistens kommen sie aus Deutschland, aber es gibt auch Gäste aus anderen Ländern.

Erzählen Sie uns ausführlicher über die Idee selbst und über die Organisation der Camps. Welche Besonderheiten gibt es?

Die Idee entstand schon vor langer Zeit in der Diaspora und verbreitete sich in unserer Diözese in den 1990er Jahren, als eine massive Auswanderungswelle und die Rückkehr der Spätaussiedler einsetzten. Camps sind meiner Meinung nach die effektivste Form der Jugendarbeit. Im Camp leben Erwachsene, Jugendliche und Kinder eine ganze Woche in einer christlichen Gemeinschaft zusammen, haben einen gemeinsamem Tagesablauf. Wir kochen zusammen, wir essen zusammen, wir lernen zusammen.

Wer in ein orthodoxes Jugendlager kommt, befindet sich die ganze Woche über in einer orthodoxen Umgebung. Er taucht in die Gemeinschaft gleichgesinnter ein und sieht, dass es viele Orthodoxe gibt.

Während in einer Schulklasse in der Regel nur 1–2 Klassenkameraden kirchlich sind, sind es im Lager alle. So fühlt sich das Kind unter seinesgleichen. Diese Woche verwandelt Kinder, sie spüren die Güte christlicher Menschen, sehen, dass sie von weltlichen Menschen unterscheiden. Häufig rufen mich erstaunte Eltern an und erzählen, wie sich nach dem Camp die Haltung ihrer Kinder gegenüber ihren Verwandten und gegenüber ihrem Glauben geändert hat.

Hier liegt die Frage nach den Leuten nahe, mit deren Kräften diese Camps organisiert werden. Sind das Priester, Lehrer, fürsorgliche Eltern, wahrscheinlich auch aktive Jugendliche? Bitte erzählen Sie uns davon.

Dies sind hauptsächlich Eltern, denen das geistliche Leben ihrer Kinder nicht gleichgültig ist. In den Jugendlagern gibt es nur Freiwillige. Die meisten von ihnen sind Menschen mit Job, die Urlaub nehmen, um die Camps zu begleiten. Es gibt zum Beispiel Ärzte, die Vollzeit arbeiten und in den Ferien als Köche ins Lager mitkommen, um die ganze Woche 10 Stunden am Tag am Herd zu stehen. Wenn ins Lager 100 Teilnehmer kommen, brauchen wir etwa 20 Erwachsene (Organisatoren, Lehrer, Köche) und die gleiche Anzahl Jugendlicher als Gruppenleiter, um das zu schultern. Und überraschenderweise finden sich immer Menschen, die bereit sind zu helfen!

Nehmen wir die Gruppenleiter im Lager: In der Regel sind dies junge Leute, die in unseren Camps „großgeworden“ sind. Das heißt, sie haben vor einigen Jahren als Kinder angefangen, an den Jugendlagern teilzunehmen. Hier darf angemerkt werden, dass die Zusammensetzung der Gruppen recht stabil ist: 90 Prozent der Teilnehmer eines Durchgangs waren bereits zuvor in unserem Lager. So kennt im Camp fast jeder jeden, es entsteht eine familiäre, vertrauensvolle Atmosphäre. Dies ist ein sehr wichtiger Teil unseres Konzepts. Es richtet sich an ein Kind, das im Alter von etwa sieben Jahren zum ersten Mal kommt, dann mehrere Jahre zweimal im Jahr unsere Camps besucht, mit 15 Jahren Gruppenleiter wird und in dieser Funktion mehrere Jahre im Lager hilft. Außerdem beobachte ich, dass die ehemaligen Camper nach Jahren, nachdem sie ihre eigenen Familien gegründet haben, Freiwillige und Organisatoren werden.

Die wichtigste Schlussfolgerung, die Sie im Laufe der Jahre der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gezogen haben?

Man muss mit ihnen arbeiten! Verschiedene Menschen in Schule, Universität, Internet und Gesellschaft beeinflussen Tag für Tag junge Menschen und bieten ihnen ihre Ansichten und Werte an. Wenn wir ihnen keine alternative Sichtweise bieten, wie können sie sich dann in der Zukunft für die Kirche entscheiden? Sie können nur wählen, was Sie selbst kennen. Dies ist den Menschen der älteren Generation nicht ganz klar, da sie in einer völlig anderen Umgebung zur Kirche kamen. Vor 20 bis 30 Jahren kamen junge Menschen in Russland ohne irgendwelche Jugendarbeit in die Kirche. Aber dies war die Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, eine Zeit der Suche nach Selbstidentität, Spiritualität. Einfach nur der Wunsch, besser zu leben. Moderne junge Menschen wachsen im Überfluss auf, und die Welt diktiert ihnen ihre Werte. In Bezug auf sie ist eine aktive aufklärende Position erforderlich.

„Gesichter der Gemeinde“

Ein wenig über Ihre Gemeinde. Wo befindet es sich, nach welchem ​​Heiligen ist sie benannt, wie groß ist die Gemeinde? Sind die Gemeindemitglieder Aussiedler aus Russland und dem postsowjetischen Raum, Nachkommen von Auswanderern, oder gibt es Deutsche, die zur Orthodoxie konvertiert sind?

Unsere Gemeinde steht unter dem Schutz der der Heiligen Großmärtyrerin Barbara. Die heilige Barbara ist die Patronin der Bergleute, da sie vor dem plötzlichen Tod schützt. Am Niederrhein, in der Region, wo sich unsere Stadt befindet, gab es einen entwickelten Kohlebergbau. Und am Eingang zu jeder Mine konnte man ein Bild der heiligen Barbara finden. Bevor sie in die Tiefe hinabstiegen, beteten die Bergleute zu der Heiligen darum, an diesem Tag nach Hause zurückzukehren. Daher fiel unsere Wahl auf diese hier besonders verehrte Heilige.

Die Gemeindemitglieder sind hauptsächlich Russlandddeutsche. Es gibt aber auch gebürtige Russen, Ukrainer, Moldawier und Gemeindemitglieder aus verschiedenen anderen Ländern. In unserer Kirche gibt es auch relativ viele Deutsche, die zur Orthodoxie konvertiert sind und sich in letzter Zeit zunehmend für unseren Glauben interessieren.

Woher kommt dieses Interesse?

Die Deutschen sehen in der orthodoxen Kirche die Bewahrerin der Überlieferung der heiligen Väter. Ohne Übertreibung. Sie sehen, dass wir ein gottgefälliges Leben anstreben und die Bibel ernst nehmen. Wir fasten, wir beten, wir folgen nicht dem Beispiel der Moderne. Es ist nicht verschwommen, es hat Substanz.

Es ist nicht leicht für einen Deutschen, orthodox zu werden, sowohl in emotionaler als auch praktischer Hinsicht. Schließlich muss er nicht nur den Glauben seiner Eltern aufgeben, sondern auch Mitglied einer fremden Gemeinschaft werden, die eine andere Mentalität und Sprache hat. Der Wunsch, die Wahrheit zu finden, ist jedoch so groß, dass immer mehr Deutsche diese Last auf sich nehmen.

Wie ist die Idee zum Projekt „Gesichter der Gemeinde“ entstanden? Was ist das für ein Projekt? Und welche anderen Initiativen gelingt es Ihnen zusammen mit Ihren Gemeindemitgliedern abgesehen von den Gottesdiensten zu organisieren?

Das Projekt ist zufällig entstanden. Wir beschlossen, einen Film über die Gemeinde zu drehen und überlegten, welches Konzept wir wählen sollten. Während der Suche haben wir uns gefragt: Was ist eine Gemeinde? Und wir erkannten, dass eine Gemeinde die Menschen sind, die Gemeindemitglieder selbst. Nicht Veranstaltungen, nicht die Sonntagsschule, nicht der Priester, sondern Gläubige, die in die Kirche kommen. Und dann beschlossen wir, ihre Gesichter im Film zu zeigen, und zeichneten eine Reihe von Interviews auf. Die Aufnahmen erwiesen sich jedoch als so gut und tiefgreifend, dass wir beschlossen, jedes Interview einzeln zu veröffentlichen, um den Gemeindemitgliedern selbst und den an unserer Gemeinde Interessierten die Möglichkeit zu geben, die Menschen kennenzulernen, die in unsere Kirche kommen.

Können Sie anhand Ihrer reichen Erfahrungen etwas dazu sagen, wie die richtige Erziehung von Kindern heute aussehen sollte?

Oh, das ist eine sehr breite, komplexe Frage. Ich weiß nicht einmal, wie ich eine kurze Antwort geben soll … am ehesten wohl: bewusst. Wie soll Elternschaft sein? Zuallererst – bewusst!

Heutige Eltern müssen viel wissen und sich ständig weiterentwickeln. Sie müssen Literatur über Bildung lesen, sich unvoreingenommen selbst analysieren. Lernen, Beziehungen zu Kindern aufzubauen. Sie müssen Ihren Glauben tiefgründig verstehen, damit Sie Ihren Kindern ernsthafte Antworten geben können.

Bitte erzählen Sie uns etwas über die Eltern- Und Familienschule der Gemeinde.

Die Idee einer solchen Schule entstand aus der Not heraus. Viele verheiratete Paare haben zwei Schwierigkeiten: wie man Kinder großzieht und wie man als Ehemann und Ehefrau zusammenlebt. Die Scheidung wird mittlerweile so einfach auf sich genommen und als alltäglich angesehen, dass es nur wenige Bemühungen gibt, die Familie zu erhalten. Ehepaare sind oft nicht in der Lage, ihre Beziehungen untereinander und zu den Kindern von außen zu betrachten, drehen sie sich in einem Teufelskreis von Problemen. Die Logik ist ungefähr diese: Fünf Jahre hintereinander sage ich meinem Sohn jeden Tag, er solle keine Socken auf den Boden werfen; ich muss es ihm wahrscheinlich noch einmal sagen, dann wird er es endlich verstehen und tun. Aber nein, die Socken landen wieder nicht in der schmutzigen Wäsche. Das führt zu Gereiztheit. Und auch zwischen Ehemann und Ehefrau fehlt es oft an Verständnis.

Solche Probleme sind nur natürlich, denn niemand hat uns beigebracht, wie man Ehepartner oder Eltern ist. Das Einzige, woran wir uns orientieren können, ist das Beispiel unserer eigenen Eltern. Dieses Beispiel ist jedoch nicht immer perfekt und auch in unserer eigenen Lebenssituation nicht immer passend. Daher ist die Arbeit mit Ehepaaren zu einem wichtigen Bestandteil unseres Gemeindelebens geworden. Einmal im Monat treffen wir uns in einer Eltern-und-Familien-Schule, besprechen Probleme, versuchen, sie von außen zu betrachten, überdenken Ehe und Elternschaft. Wir lesen zusammen Bücher, diskutieren sie.

Die meisten verheirateten Paare sagen, dass sich ihr Leben nach den Gesprächen verbessert hat. Es gab Fälle, in denen die Schule den Menschen geholfen hat, ihre Familien zu erhalten.

Was zeichnet das Gemeindeleben in Deutschland aus?

Gemeinden sind normalerweise klein, aber sehr eng verbunden. Jeder kennt jeden, man hilft und unterstützt sich gegenseitig. Letztes Ostern sind 200 Leute zur Kommunion gegangen, und ich kannte fast jeden mit Namen. Der Priester hat eine sehr enge Beziehung zu den Gemeindemitgliedern, jeder kann mich anrufen, reden, etwas fragen. Für mich ist diese Nähe zu Menschen sehr wertvoll.

Eine weitere Besonderheit ist die Aktivität der Gemeindemitglieder in der Pfarrei. Da wir keine Kirchensteuern beziehen und auch keinerlei Zuwendungen von außerhalb bekommen, haben die Gemeinden haben nicht genug Geld für Angestellte. Daher werden alle notwendigen Arbeiten von Gemeindemitgliedern ausgeführt -natürlich auf freiwilliger Basis. Putzen, Mahlzeiten zubereiten, renovieren, der Gesang und die Lesungen im Gottesdienst, der Unterricht in der Sonntagsschule und so weiter – all dies erledigen die Gemeindemitglieder selbst. Sie begreifen, dass es ihr eigenes Gotteshaus ist, ihre eigene Gemeinde.

Als unsere Gemeinde wuchs, wurde es notwendig, die Freiwilligenarbeit unserer Gemeindemitglieder zu ordnen, und wir gründeten Arbeitsgruppen. Jede Gruppe wird von einem Koordinator geleitet, der mit mir aufkommende Fragen bespricht und die Arbeit der Gruppe leitet. Wir haben jetzt 24 solcher Arbeitsgruppen. Letztes Jahr besuchte uns Erzbischof Panteleimon (Shatov) beim Ehrenamtlichen Tag der orthodoxen Diakonie in Deutschland. Als er an der Wandtafel mit den Fotos, Namen und Aufgaben der Koordinatoren vorbeiging, gefiel ihm die Idee so sehr, dass es mehrmals stehen blieb und Fotos machte.

Putzen, Renovieren, Singen und Lesen in der Kirche, Unterrichten in der Sonntagsschule… – all das erledigen die Gemeindemitglieder selbst.

Manchmal fragen man mich: „Vater Alexej, Sie haben eine so aktive Gemeinde, so viele Dinge geschehen. Wie machen Sie das?“ Tatsächlich gibt es hier kein Geheimnis. Ich stehe den Leuten einfach nicht im Weg. Jemand kommt auf mich zu und fragt: „Vater Alexej, kann ich dies oder jenes tun?“ Ich antworte: „Natürlich, der Herr stehe Ihnen bei.“ Natürlich unterstütze ich die Menschen, diskutiere die Projekte mit ihnen aus und leite sie an. Aber in den Gemeinden gibt es viele Laien, die etwas tun wollen, die helfen wollen. Dies ist ein riesiges Potenzial.

Die Gemeindemitglieder verstehen, dass das Gotteshaus ihr Gotteshaus ist, dass alles, was sie darin tun, sie für sich selbst tun, ebenso wie für ihre Kinder und für ihre Nächsten.

Welche Probleme bestehen im Verhältnis zum Staat? Und wie entwickeln sich die Beziehungen zu Vertretern anderer Konfessionen, insbesondere den Protestanten? Und wie steht es mit den anderen Ortskirchen?

Regierungsbehörden in Deutschland behandeln Kirchengemeinden traditionell mit Respekt und Vertrauen. Auch orthodoxe Gemeinschaften genießen dieses Privileg. Aber um ehrlich zu sein, haben gewöhnliche Pfarreien keine besondere Beziehung zu Stadtverwaltungen und Vertretern anderer Glaubensrichtungen. Nicht dass dem eine negative Einstellung zugrunde läge – es gibt einfach kaum Interaktionsbereiche.

Protestanten, vor allem aber Katholiken, vermieten uns oft Räumlichkeiten für den Gottesdienst, manchmal verkaufen sie auch Kirchen. Wir haben z. B. eine Kirche von der örtlichen katholischen Gemeinde gekauft. Manchmal halten wir Gottesdienste in katholischen Kirchen an den Reliquien gemeinsamer christlicher Heiliger ab – aber ohne die Teilnahme von Geistlichen anderer Bekenntnisse.

Was die anderen Ortskirchen angeht, so gehen wir respektvoll miteinander um. Aber auch hier haben wir praktisch keine Interessensgebiete, wo wir gemeinsame Bestrebungen entwickeln. Jeder kümmert sich um seine eigene Herde.

Wie hat sich die COVID-19-Pandemie auf das Gemeindeleben, Ihr persönliches Leben und Ihre Planungsperspektiven im Allgemeinen ausgewirkt? Sind die zuvor auferlegten Einschränkungen vorbei oder bleiben sie ein Teil des Lebens? Wie bewerten Sie persönlich diese schwierige und zweideutige Situation?

Stephen R. Coveys Buch „Die sieben Wege zur Effektivität“ enthält ein Kapitel über das Win-Win-Denken. Man kann im Schema „gewinnen-verlieren“ denken. Kein Covid  – „gewonnen“,  Pandemie – „verloren“. Natürlich ist es für viele Menschen finanziell inzwischen extrem schwierig geworden. Aber für mich und für die Gemeinde habe ich ein Ziel gesetzt: so viel Nutzen wie möglich aus der Situation zu ziehen. Persönlich bekam ich mehr Freizeit, und habe angefangen Artikel über Bildung zu schreiben, sowie Lehrvideos auf Deutsch aufzunehmen. Projekte, die aus Zeitgründen mehrere Jahre lang nicht abgeschlossen werden konnten, wurden endlich fertig. Nun, und so wie die meisten Leute habe ich angefangen, das Haus zu renovieren.

In der Kirche wurde das Gemeindeleben mit Ausnahme der Gottesdienste praktisch eingestellt. Aber jetzt haben wir mehr Gottesdienste, das heißt, wir können mehr Zeit für das Gebet verwenden. Es sind weniger Leute bei den Gottesdiensten, so gibt es kaum Hektik, und ich kann mehr Zeit für das Abnehmen der Beichte aufbringen. Ich versuche auch, mehr außerhalb der Kirchenzeiten mit den Gemeindemitgliedern zu kommunizieren.

Pilgerfahrt zum heiligen Lubentius

Wenn ein orthodoxer Pilger nach Deutschland kommt, welche Orte sollte er Ihrer Meinung nach auf jeden Fall besuchen und warum?

In Deutschland gibt es eine große Zahl gemeinsamer christlicher Heiligtümer. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es nicht immer möglich ist, davon zu erfahren, da unter Katholiken die Verehrung der Heiligen und insbesondere ihrer Reliquien praktisch verschwunden ist. Auf der Website einer katholischen Kirche erfährt man, wann und in welchem ​​Baustil sie gebaut wurde, in welchem ​​Ton die Glocken läuten, wann welche Arbeitsgruppen und AGs stattfinden. Aber welche Reliquien sich im Gotteshaus befinden – darüber werden Sie dort kaum etwas finden. Wenn jemand nach Deutschland reist, würde ich ihm daher raten, sich an die örtliche orthodoxe Gemeinde zu wenden und zu fragen, welche Reliquienschreine es in der Stadt gibt. Ich arbeite an einer Karte der orthodoxen Heiligtümer Deutschlands, aber leider sind dort bisher nicht viele Orte markiert.

Eine traditionelle Frage, die wir jedem unserer Interviewgäste stellen: Welche Worte aus der Heiligen Schrift inspirieren und unterstützen Sie stets in schwierigen Zeiten?

Die Worte des wichtigsten Gebots überhaupt:

Liebe den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Verstand (Matthäus 22,37).

Bei allem, was wir in der Kirche oder in unserem Leben tun, dürfen wir nicht vergessen, unser wichtigstes Ziel der Herr ist.

Mit Priester Alexej Veselov sprach Vladimir Basenkov

14. Oktober 2020