Droste-Hülshoff, Annette von – Epen

(um 1850 | 200 S.)

Mein Fazit zu ihr: Vieles bewundernswert und ergötzlich als „Literatur“. Vieles ist bewegend als Zeugnis eines Adlers (einer Adlerin) in Käfighaltung. Vieles ist erhebend, wenn man denkt, welche Kämpfe sie ausgefochten hat, um ihren Glauben gegen ihren Verstand intakt zu halten und um sich immer wieder zum Gehorsam gegenüber ihrer Rolle in der Familie hineinzufinden. Vieles ist bewundernswürdig, so etwa, wie sie ihre Liebe zur fürchterlichen Mutter aufrechterhalten hat. Aber ich kann nicht ganz einstimmen in die allgemeine Verdammung jener Familie, die ihre Dichtungen nicht würdigte. Zum Teil lag das wirklich an Engstirnigkeit, zum Teil aber auch an einer durchaus angemessenen Reserve der Kunst überhaupt gegenüber, zum Teil überdies an einem feinen Gespür für die Mängel, die trotz aller großer Begabung Annettes Werken anhaften. Auch ich finde mich abgestoßen von der „Lust am Grausen,“ in der ich eine gefährliche Verwundbarkeit sehe. Auch mich erschüttern ihre religiösen Gedichte als heroische Anstrengungen, aber ich würde sie den Kindern nicht empfehlen. Und ich sehe mit Beklemmung, wie bei Annette, anders als bei uns Orthodoxen, nicht mehr die Person im Mittelpunkt steht, sondern – naja, die Natur, das ist fein, aber auch – das Milieu. Begreiflich bei einer Autorin, die selbst von ihrem adeligen Milieu aufgefressen wurde. Aber bedauerlich, weil hier sich eine „Moderne“ zu Wort meldet, die Personalität nicht mehr in den Mittelpunkt stellt (wo sie – als Schöpfung – hingehört). Aber Annette kannte halt Christus nur auf katholisch, nicht auf orthodox, so daß die Liebes-Sehnsucht ihres wunderbar edlen Herzens nirgends „andocken“ konnte. 

Meinung

St. Bernhard

Herrlicher plot für ein movie. Stoff galore. Und Annette läßt absolut überhaupt gar keinen Reim aus, den man über Alpen im Allgemeinen (auch wenn man sie nie gesehen sondern bloß aus Schilderungen anderer zusammenbraut hat wie die Holländer ihre Alpenbilder) und die sehr spannende Rettung eines Großvaters samt Enkel im Besonderen, über Leichenhöhlen und frierende Mönche sowie savoyische Lebensart sich nur irgend aus den Fingern saugen kann. Sie hatte wohl nie einen Freund oder Lektor, der ihr die heilsame Therapie des Kürzens ans Herz legen hätte können. Ich bin sonst dagegen, aber bei der Droste hätte eine readers digest gekürzte Fassung Sinn. Nur so ist das für heutige Kinder verdaubar.

GK gekürzt

Erinnerungen eines Arztes

Räubarber Räubarber. Junger Arzt wird Nachts von Räubern geweckt und schauervolle Wege unter Lebensgefahr in ein unterirdisches Verließ zum sterbenden Oberräuber geholt, wobei eine Gräfin, die der Arzt von Wiener Bällen her kennt, hier offenbar das Ende ihrer Flucht aus einer Konvenienzehe erlebt – und nachher in eine Schlucht gestürzt wird, während der irgenwie befreite Arzt im Busch halb erfroren mitzittert. Huijitohui. Auch hier ist alles versammelt, was man an Räuber- und Natur-Romantik so im Sammelschrank hat. Ach Annette! Hier hilft noch nichtmal das Kürzen. Aber wer sich als Reim-Liebhaber abends in den Schlaf schmökern will findet hier das Richtige.

Er muß aber vermeiden, die Schilderung des Todes zu lesen, denn die ist trostlos gräßlich.

Jg- (ungünstig)

Die Schlacht im Loener Bruch

Dieses Epos ist näher bei der Sache, und lesbarer. Die Schlachtbeschreibungen – fabelhaft und sehr spannend. Ich stelle mir vor, anläßlich einer Geschichtsstunde über den Dreißigjährigen Krieg, zunächst den Sachstand mit einem Schüler klarzustellen und dann dieses Gedicht zu lesen. Es wäre eine tolle Übung, den Schüler für jede Seite die 1-2 Zeilen heraussuchen zu lassen, wo die Handlung weitergeht, also aus dem Wust an Poesie das Sachhaltige herauszuschälen, um dann beurteilen zu können, was die Poesie dabei leistet.

Verstimmend ist allerdings, daß wir auch hier, wie bei Arnims Kronenwächtern, eine romantische Aufschmockung des historischen Kerns vor uns haben. Wie weit diese Liebesgeschichte mit der Böhmenkönigin wirklich real war, ist mir unbekannt. Wenn ja, so sei sie der Droste verziehen. Andererseits sagt Busse, daß sie in jenem Christoph von Braunschweig ihr eigenes alter ego feiert, denn auch der wird eingesperrt von den verblendeten Eltern. Immerhin – er kann sich befreien, und obwohl er den Protestanten dient, feiert ihn die Droste.

Hübsch sind die vielen kleinen Episoden, die das Kriegsgeschehen wie ein Blütenkranz umhäkeln. Und drollig sind manche ihrer Verse, in denen sie das Erhabene mit dem Lakonischen humorvoll mischt.

Also ein Arbeitsprojekt für historisch Interessierte

JG

Spiritus familiaris des Rosstäuschers

Inspiriert von Grimmschen Sgen und beglückend in seiner Lakonik. Hier ist sie wirklich die geniale Dichterin. Aber der Inhalt, der Inhalt! Einfach gräßliches Teufels-Zeug.

Jg- (ungünstig)

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorDroste-Huelshoff, Annette von

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