Gellert, Christian Fürchtegott – Dichtungen

(1891 | 400 S.)

Meinung

Cornelia meint (KK = kleinere Kinder, GK = Größere, JG = Jugendliche, ORTH = orthodox relevant):

Diese Auswahl gehörte zu Omas Leder-Gebundenen, und so habe ich mir einen anerkannt mittelmäßigen Autor zugemutet. Ich wollte sicher sein, nicht irgendwas Wertvolles zu versäumen. Man erkennt seine Volks-bildende Wirkung im 18. Jahrhundert an. Er hat viel dafür getan, Menschen, die unter den Bedrängnissen des Lebens ächzen, in zugänglicher Weise den Sinn für die höhere Bestimmung des Menschen zu öffnen. Das ist eine gute Sache.

Ein Aufklärer und Christ, mit einer Religion der Tugend, aber auch des Herzens. Das ist schon viel. Blöd ist sein Frauenhaß. Aber Frauen kannte er auch nicht wirklich.

Fabeln und Erzählungen

Ganz amüsante moralische Lehren, und einiges habe ich mir angestrichen, um es mit den Enkeln zu lesen:

Die Geschichte von dem Hute – der erste, der mit kluger Hand

Über den menschlichen „Fortschritt“

GK

Ein Füllen, das die schwere Bürde

Über die Un-Weisheit des früh Erwachsen werden Wollens

GK

Der Kuckuck sprach mit einem Star

Gegen Ruhmsucht

KK

Die frömmste Frau in unsrer Stadt

Kritik heuchlerischer Religion

ORTH

Von ungefähr muß einen Blinden

Persiflage auf die Kirche

ORTH

Ja, ja, Prozesse müssen sein!

Gegen die Rechthaberei

GK

Einst machte durch sein ganzes Land

Kritik an den Christen, die immer nur planen, nie aber tun

GK

Philemon der bei großen Schätzen

Gegen die Habgier

GK

Sein künftig Schicksal zu erfahren

Über die Unweisheit, die wir heute bei der Gen-Prognose aushalten müssen

BIOE Jg

Mit Träumen, die uns  schön betrügen

Kritik an der Aufklärung und ihrem Wahrheitsfanatismus

JG

Ein Wandrer bat den Gott der Götter

Daß man die Vorsehung annehmen sollte

GK

Das schönste Kind zu ihren Zeiten

Über die selbstkritische Bescheidenheit

GK Mädchen

Dass alle Tiere denken können

Gegen Lukrez Erklärung der Welt aus Zufall

GK

Ein guter dummer Bauerknabe

Dass man den Lügner am besten mit besseren Lügen besiegt

GK

Der Narr, dem oft weit minder Witz gefehlt

Über Till der beim Glück ans Unglück denkt und umgekehrt

GK

Amynt, der sich in großer Not befand

Über die unbedingte Wahrheitsliebe als Basis der Menschenwürde

GK

Freund, wer ein Laster liebt, der liebt die Laster alle

Die Geschichte von Herodias über die Gefahr, daß kleine Sünden die großen einladen

JG

Ihr, die ihr nach der Tugend strebet

Gegen den Freigeist, der das höhere Streben als Epikuräer verachtet: wenn der Tod kommt, steht der dumm da

JG

Ein Kandidat, der gern befördert werden wollte

Gegen die Bestechlichkeit

GK

Zwei Mädchen brachten ihre Tage

Man sollte die kleinen Übel ertragen, sonst kommen größere

GK

Ein junger Prinz, der sich des Oheims Gunst empfohlen

Über die Notwendigkeit der Freigiebigkeit

GK

Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört

Wie ein Christ das Höchste anstreben soll, ohne sich dann doch wieder der Schwäche zu ergeben

GK

Ein Pferd, dem Geist und Mut recht aus den Augen sahn

Dass wer viel wagt, auch mehr Fehler machen darf

GK

Ein Knabe, der den fleißigen Papa

Bekenntnis, dass man die Schrift nur mit Vernunft verstehen kann

ORTH

Ein Bauer, der viel Geld und nur zween Söhne hatte

Über die Wichtigkeit der Bildung – und wie wenige Eltern das ernst nehmen

GK

Ein Spötter der Religion

Ohne Religion keine Moral

GK

Ein Held, der sich durch manche Schlacht

Über Demut und Stolz und Chancen der Erlösung

GK

Mein Vater geht ins Holz, wie ich gemerket habe

Wie kleine Mücken durch Geduld besiegt werden

GK

Moralische Gedichte

Wie selig lebt ein Mann, der seine Pflichten kennt

Christliche Aufklärung. Kritik an der Hochkultur-Kultur in Eichendorfs Ahnung und Gegenwart. Gegen die fromm Redenden, für die Tuenden. Aber auch gegen den Eifer ohne Unterscheidung

ORTH

Mensch, der du Christen schmähst, was ist in ihrer Lehre

Eine Apologie der Religion von Tugend und Herzenswärme mit Vernunft. Ein sehr langes Gedicht, aber lehrreich über Protestantismus des 18. JH.

ORTH

Geistliche Oden und Lieder

Finde ich ja im Ganzen alles gut und schön. Aber mich inspiriert nichts. Für Enkel fehlt der Biss. Wer mag, kann sich dran freuen, – mich hat es gelangweilt. Außer

An dir allein, an dir hab ich gesündigt

Weil es so wahr ist

ORTH

Ich hab in guten Stunden

Ein Vorbild-Gedicht für Kranke, ganz orthodox

BioE ORTH

Moralische Charaktere

Sind insgesamt langweilig, behandeln aber ganz schön das Thema der Lauwarmen, die zu gar nichts taugen, auch wenn sie ohne Laster sind

Aus den moralischen Vorlesungen

XXII Von den Pflichten der Erziehung, besonders in den ersten Jahren der Kinder

Über das elterliche Vorbild und deren bereits gefestigte moralische Gewohnheiten, Stillen, die Vorbildlichkeit des Landlebens, Unarten wie Eigensinn, Zorn, Habsucht und Rache schon bei den Kleinsten zu bekämpfen, keine Nachgiebigkeit bei Geschrei. Man soll unterscheiden Fehler, die von selbst verschwinden (Magdalens „Phasen“) von denen, die ohne Gegenmittel zu herrschenden Gewohnheiten werden, Leitung durch Liebe, kindgerechtes Unterrichten in Natur und an Kunstwerken, Bauklötze, Landkarten zu puzzles, Geschichten über Tugenden und Laster, Biblische Vorbilder (Jesus), Antike Literatur über Tugenden, die aber abgesetzt sein müssen von wahren religiösen Tugenden. Die Chinesen machen vieles richtig. Die Wissenschaften, Astronomie zur Bewunderung des Schöpfers, Dann das Feld der Geschichte durch Bossuet und Cramers, also moralisch betrachtet. Welche Literatur für Religion und Poesie gut sei. Mithilfe im Haus, Abhärtung, Taschengeld für Sparsamkeit und Freigebigkeit, , Training in Dankbarkeit, Treue, Deinstfertigkeit, Verschwiegenheit, Vertragsamkeit sind Tugenden der ersten Jahre. (Oje!) Vorsicht mit Belohnungen, die die Ehrbegierde fördern. Sie sollen das Gute um des guten Willen lieben, um Gottes Willen zu erfüllen.

Strafen sollte man sofort beim ersten Auftauchen eines Fehlers verteilen – das wirkt langfristiger. Fehler des Herzens sollten streng geahndet werden, anders als Fehler der Übereilung und der Torheit. Gehorsamsverweigerung früh ausrotten. (oi) Man soll aber den Kindern die größte Ehrerbietung schenken und sich in ihrer Gegenwart vorbildichst benehmen.

Päd

Lehren eines Vaters für seinen Sohn, den er auf die Akademie schickt

Ein sehr rührendes Stück. Was für Orthodoxe bemerkenswert ist: Jene Kritik an einer Trennung von Weltlichem und Religiösem, die ich bei Schmemann so eindrucksvoll fand, die gibt es schon hier bei diesem frommen Protestanten. Wir müssen in unserer Kritik an den Heterodoxen immer aufpassen, ob nicht irgendwo einer doch das Richtige herausgefunden hat. Zwar haben sie immer nicht die ganze Wahrheit. Aber man soll doch loben, wenn sie Bruchstücke richtig aufgefaßt haben.

Orth

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten300-600
AutorGellert, Christian

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