Ginzburg, Natalia – Stimmen des Abends

(1961 | 140 S.)

‚Es ist der schönste Roman, den Natalia Ginzburg geschrieben hat. Dieses Gespür für Familiengeschichten und ihre Verflechtung, das ist etwas, das nur noch sie besitzt.‘ sagte Italo Calvino über dieses Buch. Eines von 12 bisher vergriffenen Meisterwerken aus der ZEIT Bibliothek der verschwundenen Bücher. … Google Books

Meinung

Cornelia meint:

Machen klar, wie ohne Gott alles im Nichts endet, sobald das Korsett des „man“, der Traditionen und der Kontingenz-begrenzenden Erwartungen abfällt.

Da wird nun großes Gewese gemacht über die verwobenen Familiengeschichten in diesem Dorf, und Elsa und Tommaso haben ein Verhältnis, das Tommaso gut bedient, weil er ganz frei ist, während sie geduldig auf die Ehe wartet. Erst durch eine Freundin wird Elsa klar, wie unglücklich sie ist. Das erzählt sie Tommaso, und der ist nett genug mal endlich ihre Familie zu besuchen. Die gefällt ihm nicht, – kein Wunder, sind eh alles Nervensägen.

Tommaso möchte also einfach weitermachen wie vorher, aber sie hat nun die Hoffnung verloren und streikt. Denn es das Verhältnis war für sie nur möglich mit dieser Hoffnung. Okay, und da zwingt sich der Mann halt zur Verlobung. Aber nun wird der neue Zustand so zugedeckt von Verwandtschaft und Besuchs- und Verhaltens-Erwartungen (das ist die Botschaft!), dass die armen zarten Seelen dabei ihre Freiheit verlieren und die Authentizität ihrer Liebe.

Sie merkt nämlich, dass Tommaso nicht glücklich ist. Darum kann auch sie das errungene Glück nicht genießen. Als er sie eines Tages fragt, wo er doch schon den ganzen oifz auf sich nimmt, ob wenigstens sie glücklich sei (blöde Frage, die ein wirklich Liebender nie gestellt hätte), hängt das gute Mädel im Authentizitäts-Wahn (de Beauvoir lässt grüßen) fest und antwortet offen und ehrlich: Nein. Darauf er: na warum soll ich dann noch diese blöde Rolle weiterspielen, bin ja eh schon innerlich abgestorben, und du stirbst gleich mit. Und singt dazu das Hohelied der Freiheit und wie schön es (nota bene: für ihn!) war, als er von keiner Erwartung eingegrenzt so sein konnte, wie er sich fühlte –ohne Liebe, nur als eine Art Freundschaft plus sex.

Da kann sie dann nicht anders, als ihm den Ring hinwerfen.

Also, keiner der beiden hat mehr die Kraft zu sagen: dies ist richtig, so wird‘s gemacht. Ohne das Korsett und ohne richtigen Gott (was ja besser wäre) und alles was Der so vorgibt, sind die Menschen sich selbst ausgeliefert im Wirrwarr ihrer selbstbezogenen Gefühle und kraftlos öde.

Furchtbar, großartig erzählt, aber ganz falsch in der Botschaft.

Das Falscheste ist diese Suche nach der Authentizität die so zwar nie genannt wird, aber als Eigentlichkeits-Wahn im Hintergrund steht. Ich rieche Heidegger und seine Verachtung des „man“. So bin ich aufgewachsen, mit dieser öden Verachtung. Inzwischen weiß ich: Man soll die Gerüste gesellschaftlicher Gebräuche hinnehmen und darin wachsen. Man sollte nie auf sich selbst gucken, das brennt ein Loch ins Selbst. Denn das Selbst ohne Gott ist ein Abgrund.

 JG-

Hier gleich noch ein weiteres Buch von ihr:

Ein Mann und eine Frau  und Borghesia das Lied vom Bürgertum

Meisterhaft, und zutiefst deprimierend.

Menschen die nicht leben. Die absolute Absurdität dessen, was sie sich bieten lassen. Dieses Leidensdulden – das hat etwas Würdevolles. Dann sterben sie. Trümmer bleiben zürück.

Auf den Dachboden verbannt.

Info

Erscheinungsjahr20. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorGinzburg, Natalia

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