//Orthodoxe Quellen - Deutschsprachige Orthodoxie

Wer barmherzig zu sich selbst ist, indem er Reue annimmt, der wird auch barmherzig zu seinen Nächsten sein.
(Ask. Erf. I 27)

Ein Projekt mit Unterstützung von DOM

(Update vom März 2024)

Über mehrere Jahre arbeiteten DOM-Mitglieder an diesem Projekt: der Edition wichtiger Werke des heiligen Bischofs Ignatij Brjantschaninow (19. Jh.) – eines der größten russischen Heiligen der neueren Zeit, der sich intensiv wie wenige andere der asketischen Praxis des orthodoxen Christseins gewidmet und die Lehren der Wüstenväter in heutige Verhältnisse „übersetzt“ hat.

Nun ist mit der Herausgabe des 6. Bandes die Edition vorerst abgeschlossen. Das Projekt aber geht weiter: mit Internetveröffentlichungen auf der Website und anderswo. Denn der Schatz ist zwar nun freigelegt, aber vielen nach wie vor unbekannt. Doch um ihn zu heben, muss man von ihm wissen: Die Schriften des Heiligen bekannt zu machen, wird also weiter unsere Aufmerksamkeit beanspruchen.

Mit den Bänden 5 und 6 liegen die meisten Texte aus der Sammlung „Asketische Erfahrungen“ des hl Ignatij nunmehr in deutscher Sprache vor. Diese Texte sind nach der Intention des Heiligen an fromme Christen gerichtet, die eine verlässliche patristische Grundlage für ihre geistliche (noetische) Praxis suchen. Sie wären also, wenn man sich auf den vom hl Ignatij beschriebenen Weg begibt, als erstes zu lesen.

Es sind Texte, die in verschiedener Zeit und für unterschiedliche Adressaten verfasst wurden und eine reizvolle stilistische Vielfalt besitzen. Die Anordnung in unser Edition ist dabei etwas eigenwillig, weil die Schriften zum Thema Gebet in Band 5 zusammengefasst wurden, die Schriften zu anderen Themen in Band 6.

Wie stets, so wird auch der letzte Band von Texten und Informationen auf der Website Ignatijde begleitet. Neben einigen Leseproben sowie Texten, die nicht in die Printausgabe aufgenommen werden konnten, gibt es dort auch eine Gesamtübersicht als Wegweiser, welche Texte in den russischen und deutschen Ausgaben in welchem Band zu finden sind.

Cover Band 5
Cover des 6. Bandes

Der heilige Bischof Ignatij wirkte in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zentrales Thema seiner Schriften ist das asketische, gottgefällige Leben in der heutigen Zeit nach den Lehren der heiligen Väter. Für viele russischsprachige orthodoxe Leser ist er die „erste Wahl“ auf der Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens und dem „Wie“ der eigenen Anstrengungen zu einem christlich-orthodoxen irdischen Lebenswandel. Warum?

Wichtigster Grund ist wohl die Geradlinigkeit und Ernsthaftigkeit der Lehre, die der Heilige entwickelt: Nichts daran ist Spekulation, nichts im Widerspruch zu dem, was auch schon anderthalb Jahrtausende vor ihm Menschen auf den schmalen Weg ins Himmelreich geführt hat. Streng entlang der „Philokalie“, der „Himmelsleiter“ des heiligen Johannes Klimakos und anderer Schriften großer Kirchenväter, etwa des Johannes Cassianus, des Abbas Dorotheos oder des heiligen Makarios, führt der heilige Bischof Ignatij aus, was auf diesem Weg unumgänglich ist: Beten, Fasten, asketische Werke, Studium der Heiligen Schrift und der Väterschriften, das beständige Eingedenksein der eigenen Sterblichkeit.
Dabei bedenkt er bei all diesen Aspekten frommer Askese stets, ob sie in der heutigen Zeit überhaupt so wie damals noch praktikabel sind, und gibt Empfehlungen zum rechten Maß dieser Praxis. Ausnahmslos alle seine Ratschläge schöpft er aus eigener Erfahrung strengen monastischen Lebens – und dieses Erfahrungswissen macht den großen Wert des Heiligen für uns aus: Er lässt uns nicht mit der „Philokalie“ allein, sondern „aktualisiert“ für uns den dort enthaltenen Erfahrungsschatz, warnt davor, sich etwa leichtfertig in den Gehorsamsdienst von „Altvätern“ zu begeben, sich zu starke Fastenregeln aufzuerlegen oder die physische Askese ohne entsprechende seelische Heranbildung zu betreiben.

Ein weiterer Grund, den heiligen Ignatij Brjantschaninow „zu mögen“, ist die Sprachkraft seiner teils geradezu poetischen Werke – etwa des „Klagelieds eines Mönchs“ (Band 1 der Reihe) mit seiner berührenden, an den heiligen Andreas von Kreta erinnernden Bußreflexion der Klagelieder des Jeremias aus dem Alte Testament. Keiner seiner Texte ist trocken-theoretisch, und auch die tiefsten Geheimnisse der menschlichen Seele werden bei ihm verständlich und nachvollziehbar – etwa ihre triadologisch verfasste Geistkraft und deren anarchischer Zustand beim „alten Adam“, also bei uns allen. Denn nur wer erkannt hat, dass er Heilung für seine Seele benötigt, fängt überhaupt erst mit der Askese an.

Die Bände der Reihe spiegeln verschiedene Facetten der Lehre des heiligen Ignatij wider:

Band 1 „Klagelied eines Mönchs“ enthält neben der Schrift, die dieser Ausgabe ihren Titel gab, Texte über das Gebet und über das Mönchtum. Dieser Band ist als Einstig gedacht, um einen Überblick über die Dimensionen des Schaffens des heiligen Ignatij zu vermitteln.

Band 2 „Über den Menschen“ umfasst Texte, in denen der heilige Bischof der Frage „Wer sind wir, und was ist unsere Aufgabe auf Erden“ nachgeht. Die Texte behandeln das christliche Bild vom Menschen (als einem Gefäß, bestimmt zur Aufnahme des Heiligen Geistes), die Lehre von den Geistwesen und vom Tod.

Band 3 „An die Asketen von heute“, erschienen zum 215. Geburtstag des heiligen Ignatij, enthält den größten zusammenhängenden Text, den der Heilige verfasst hat – sein Vermächtnis an alle, die sich für seinen -unseren- Weg zu Gott interessieren: eine umfassende Sammlung von „Ratschlägen“ an junge Mönche und Novizen, die gleichwohl auch allen Nicht- oder Noch-Nicht-Mönchen von Nutzen sein können, die ihr Leben als Kampfplatz und Feld der Bewährung verstehen – Bf. Kallistos (Ware), der diesen Text ins Englische übertragen hat, verwendete den Titel „Arena“ dafür.

Band 4 „Briefe an Laien, Verwandte und Freunde“ enthält 200 Briefe (teils in Auszügen) aus allen Lebensphasen des Heiligen. Gerade die persönlich gehaltenen Briefe im zweiten Teil des Bandes gewähren einen „Blick in die Seele“ des großen russischen Asketen und zeigen, wie er mit den ihm selbst gesandten Prüfungen umgeht, wie individuell seine Ratschläge und Fürsorge für die ihm Nahestehenden sind. Ein guter Einstieg für den „weltlichen“ Leser.

Der Band 5 „Vom Gebet“ versammelt alle wichtigen Texte aus den beiden Bänden „Asketischen Erfahrungen“ der Gesamtausgabe zu dem zentralen Thema Gebet. Die meisten Kapitel richten sich an Laien, betrachtet werden alle Aspekte des gemeinschaftlichen und individuellen Dialogs mit Gott.

Der Band 6 „Vom Glauben“ enthält weitere Texte aus den „Asketischen Erfahrungen, die der Heilige aus unterschiedlichen Anlässen verfasste und vielen Aspekten der frommen christlichen Praxis widmet: Reflexionen über das „Buch der Natur“, über Leben und Tod, über die hohe Berufung von Geist und Seele, die Hauptleidenschaften, die ihnen entgegenwirkenden Tugenden und die Voraussetzungen für ein gelingendes Gebet – nämlich Reue, Vergebung und Aufmerksamkeit – … und vieles andere mehr.

Damit ist das Print-Projekt, was wir selbst sicher anfangs nicht so ganz glauben konnten, vollbracht. Nicht alle Texte konnten Aufnahme finden, und momöglich gibt es ja auch irgendwann nochmal einen Ergänzungsband …
Doch erst einmal soll nun die Verbreitung von Informationen über den Heiligen und seine Schriften im Vordergrund stehen. Denn es gibt ja auch noch:

Das Projekt beschränkt sich nicht darauf, „nur“ Bücher zu drucken, sondern will dazu beitragen, den (etwa im Vergleich zum heiligen Theophan dem Klausner) im deutschen Sprachraum noch wenig erschlossenen Heiligen bekannt zu machen. Dazu gibt es eine eigene Website Ignatij.de, auf der ergänzende Texte, Leseproben und Informationen über den Heiligen veröffentlicht werden, dazu Übersetzungen von Vorträgen und Aufsätzen, aus denen seine heutige Rezeption in der Orthodoxie deutlich wird.

Beispielsweise haben wir auf der Website unter dem Titel „Contra Herzen“ einen Schlagabtausch des Heiligen mit dem „Westler“ Alexander Herzen, nachdem der ihn in seiner Exilzeitschrift „Glocke“ als „Sappeur in Christus Ignatij“ verunglimft hatte.

Auch solche „Perlen“ wie der Austausch zwischen dem hl. Feofan und dem hl. Ignatij über die Substanz der Seele gehören dazu.

Der Briefwechsel mit den Optina-Starzen bildet das nächste, historisch wie auch theologisch interessante Veröffentlichungsthema für die Website.

Außerdem gibt es viele bedenkenswerte Sprüche und Zitate des Heiligen, die sich auch gut in social media teilen lassen. Hier eine Auswahl:

Zwischendurch haben wir dann noch eine bislang nicht deutsch veröffentlichte Erzählung von Nikolai Leskow „ausgebuddelt“, in der sich der bekannte russische Schriftsteller mit dem „edelmütigen Ingenieur“ und seinen idealistischen Kameraden von der Kadettenschule für Bauingenieure auseinandersetzt. Er stützt sich dabei nach eigenen Aussagen auf das Zeugnis von Zeitgenossen – es handelt sich also um eine realitätsnahe Wiedergabe der Gegebenheiten jener Zeit, die den heiligen Ignatij und seine Mitstreiter veranlassten, der Festungsbaukunst und dem Militär überhaupt den Rücken zu kehren. Wirklich geändert hat sich seitdem wenig – als orthodoxer KDV darf man wohl guten Mutes diesen Heiligen um seinen fürbittenden Beistand anflehen.

Die ersten paar Kapitel finden Sie als Leseprobe auf der Website Ignatij.de.

Deutsche Erstausgabe mit Unterstützung der DOM-Gesellschaft

Ein langgehegtes Projekt unserer AG Publikation hat einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Mit freundlicher Genehmigung des Moskauer Alexander-Solschenizyn-Hauses der russischen Emigration ist soeben das Spätwerk des russischen Schriftstellers Sergej Fudel „An den Mauern der Kirche“ in deutscher Sprache beim Verlag Hagia Sophia erschienen. Der Verfasser ist Zeitzeuge einer Epoche geworden, in der die Russische Orthodoxe Kirche ungekannten Verfolgungen ausgesetzt war. Seine ganz persönlichen Einsichten in die Situation einer vom Unglauben bedrängten Kirche sind keineswegs nur historisch interessant. Wie geht Glaube unter solchen Umständen?

Dies ist kein Buch, das man durchliest und dann in die Ecke legt. Dazu ist diese Mischung aus Tagebuch, Zeitdokument, schriftstellerischer Tiefe und theologischer Reflexion viel zu facettenreich.

Eine ganze Epoche, die so leidvolle Geschichte der Russischen Kirche in der Sowjetzeit, wird anhand vieler Einzelepisoden deutlich. Die großen Namen der nachrevolutionären Verfolgten und Neumartyrer werden lebendig – Sergej Fudel war mit vielen von ihnen bekannt, teilte ihr Schicksal der Verbannung und Haft.

Aber das ist nicht der Kern des Buches, denn es geht um etwas noch Tieferes: Was bleibt von Kirche, wenn die Pforten der Hölle sich anschicken, sie zu „überwinden“ – und was ist damals wirklich untergegangen, vielleicht unwiderbringlich verloren? Was lässt sich auch mit viel Geld, Gold und Farbe nicht mehr zurückholen?

Sergej Fudel ist ein genauer Beobachter, und in kurzen, scheinbar zusammenhanglosen Episoden malt er ein Bild, das zu jedem von uns spricht: Es ist das Bild einer Kirche, nicht wie sie sein sollte, nicht wie wir sie uns vorstellen, sondern wie sie ist: mit Licht, das man suchen muss, mit Schatten, der ins Auge springt, mit einem ungebrochenem inneren Kraftquell.

Einmal in den zwanziger Jahren war in einer Kirche nahe bei Moskau gerade die Liturgie zu Ende gegangen. Alles verlief wie gewohnt, der Priester sprach den Schlusssegen. Dann kam er aus dem Altar heraus zu den Umstehenden und begann, sich vor ihnen zu entkleiden. In die bedrückende Stille hinein, die daraufhin eintrat, sprach er: „Ich habe Sie zwanzig Jahre lang betrogen, und jetzt lege ich diese Kleider ab.“ Im Kirchenvolk erhob sich Unruhe, Geschrei, Weinen. Die Menschen waren schockiert und beleidigt: „Warum hat er dann heute gedient?“ Es ist schwer zu sagen, wie das hätte ausgehen können, wenn nicht plötzlich ein junger Mann auf die Altarstufen gestiegen wäre und gesagt hätte: „Warum seid ihr so beunruhigt und weint? Schließlich war es schon immer so. Denkt daran, wie Judas sogar beim Letzten Abendmahl dabeisaß.“ Und irgendwie wirkten diese Worte, die Erinnerung an die Existenz des dunklen Doppelgängers der Kirche in der Geschichte, beruhigend auf viele oder halfen, es zu verstehen. Auch des Judas Anwesenheit beim Abendmahl konnte dem Mysterium keinen Abbruch tun.

Es ist ein warmherziges, ein wärmendes Buch, trotz (oder dank?) seiner Schonungslosigkeit. Es geht um Unglauben in der Kirche, Gleichgültigkeit gegenüber den Gläubigen, rituellen Formalismus, staatliche Kontrolle. Die schwindende Hoffnung auf ein inneres Wiedererblühen der Russischen Kirche (Fudel starb 1977), ihr scheinbar unaufhaltsamer Rückzug aus der Realität der Gesellschaft bewegte den Verfasser tief. Und dennoch: Immer wieder Hoffnung, immer wieder Vertrauen auf die Zeichen der Präsenz Gottes, der Wirkung des Heiligen Geistes: Nein, wirklich überwinden kann der Hades die Kirche nicht. Fudel zeichnet ihre dunklen Schatten, und vor diesem Hintergrund erstrahlt auch ihr Licht umso heller.

Ein Mädchen aus unserer Zeit erklärte einmal beiläufig in einem Gespräch, das sich um das künftige Leben drehte, das Verderbliche der Bosheit gegenüber den Menschen wie folgt: Schließlich müsse man dort einem jeden freudig begegnen, sagte sie. – Lernt nicht nur von den heiligen Vätern, sondern auch bei den Mädchen von heute.

„Verfolgte Kirche“ stellt sich bei Fudel nicht vordergründig als Opfer von Gewehrsalven und Sprengsätzen dar: Es ist zugleich der Schatten der Kirche selbst, von dem sie verfolgt wird, so schwer diese Erkenntnis fällt. Das war auch schon vor der Revolution von 1917 so.

Mein Vater war ein sehr frommer Priester, ein Schüler der Altväter von Optina und von Leontjew, doch ich weiß noch, wie er in der stickigen, gewitterschwangeren Luft der vorrevolutionären Kirchlichkeit gelitten hat. Es genügt zu erwähnen, dass Tolstoj vom Synod exkommuniziert wurde, Rasputin dagegen nicht nur der Exkommunikation entging, sondern im Mittelpunkt der höchsten orthodoxen Hierarchien stand.

Unter Verhältnissen, die erschreckende Parallelen zur Säkularisation unserer Tage aufweisen, erblüht bei Fudel das, was Kirche auch ist: die für die Mächtigen und Verfolgern nicht greifbare Gemeinschaft der Gläubigen im Heiligen Geist, die sich zuweilen auf ganz unerwartete Weise manifestiert.

Eine rechtschaffene alte Frau aus dem Dorf lag im Sterben und bat ihre Tochter immer wieder, den Priester zu holen, um die Kommunion zu empfangen. Aber es war sehr weit bis zur Kirche und tiefster Winter, und die Tochter blieb daheim. Und dann sagte die Sterbende eines Nachts zu ihrer Enkelin, einem etwa sechsjährigen Mädchen: „Gib mir zu trinken.“ Und als diese ihr einen Krug brachte, konnte sie den Gesang hören: Nehmet den Leib Christi …

***

Es war dann wohl am 40. Tag, die Blumen auf dem Grab von Vater Nikolaj waren noch nicht ganz verwelkt, da kamen wir wieder zusammen, einander zwar unbekannte, aber doch irgendwie eng miteinander verbundene Menschen … Eine Panichida schien undenkbar, aber unverhofft hören wir jemanden sie lesen, selbstbewusst, geübt, mit gedämpfter Stimme. Wir erblickten einen abseits von allen, direkt am Grab stehenden Mann, den ich nicht kannte, in einem Ledermantel, glattrasiert, in gesetztem Alter, wenn auch kein Greis. Da rückte uns der Himmel noch näher, und die Menschenschlange rückte noch enger zusammen. Als dieser Mann fertig war, sich vor dem Grab verneigte und zum Ausgang an uns vorbeiging, sagten wir alle leise zu ihm: „Danke.“

Fudel ist kein Kirchenvater, seine Schriften sind vielmehr Ausdruck aufrechten Glaubens und des persönlichen christlichen Zeugnisses in Zeiten großer Bedrängnis. „An den Mauern der Kirche“ ist zugleich ein wunderbares Buch über das, was Kirche nicht ist, und was wir doch so oft dafür halten. Es erinnert uns in unserer heutigen geistlichen Wüste daran, dass es stets auch Oasen gibt, mehr noch: dass diese Wüste für uns auch zur Sketis werden kann, zur geistlichen Heimat – durch jene Sorte von Liebe, die nun wirklich von keiner Hadespforte besiegt werden kann. Wer zuweilen an der Kälte unserer pharisäischen Welt zu verzweifeln droht, der lese dieses Buch.

Und wieder stand ich an einem riesigen Fenster in einem neuen Stadtteil von Moskau. Es war Nacht, und die Sterne kamen wie Leuchtfeuer zwischen den Wolken hervor. Die Last wurde mir von der Seele genommen, als ob ein Lebensfaden, gewebt aus Hoffnung und Freude, der sich irgendwo in der Dunkelheit verloren hatte, plötzlich wiedergefunden worden wäre, und die Stadt erschien nicht mehr wie eine Fremde, sondern als die Wohnstätte leidender Menschen. Wir sind in diesen fünfzig Jahren nicht verbittert geworden und beten auch jetzt in dieser Stadt – wie am Bett eines Schwerkranken. Dies ist das Land Deines Volkes, Herr!

HP Arnold (alle Zitate: S. Fudel „An dern Mauern der Kirche“)

Über Sergej Fudel

(Biografische Angaben aus russ. Wikipedia)

20.9.2023        Der Vortrag „Die Enge Pforte und der Schmale Pfad“, gehalten von Johannes A. Wolf bei dem von DOM unterstützten Jugendseminar zum Thema „Der Schmale Pfad – Chancen und Risiken“ am 29. April 2023 in der Kulturscheune Soisdorf, ist abgedruckt in „Der Schmale Pfad“, Band 85, September 2023 (S. 5-40). Allen, die nicht beim Seminar dabei waren, wird die Lektüre besonders ans Herz gelegt. Zur Erinnerung: vom Herausgeber des „Schmalen Pfades“ und DOM-Beirat Johannes A. Wolf sind in unserer Edition DOM bereits drei Vorträge erschienen:

  • Der Weg zur Auferstehung führt über Golgotha
  • Bedeutung und Verehrung der Allerheiligsten Gottesmutter Maria
  • Die Taufe Christi – das Mysterium der Theophanie

Da wir immer wieder feststellen, dass sogar bei DOM-Mitgliedern die wunderbare Sammlung von bereits 85 Bänden des „Schmalen Pfades“ nicht ausreichend bekannt ist, weisen wir nochmals eigens auf sie hin:

„Orthodoxe Quellen und Zeugnisse“

Vierteljährlich erscheinende Schriftensammlung
mit Materialien zum orthodoxen Christentum
herausgegeben von Johannes Alfred Wolf

Doch die Pforte ist eng und der Pfad ist schmal,
der zum Leben führt… (Mt 7, 13-14)

Eine Auswahl an Broschüren der Serie "Der schmale Pfad"

Es ist das Ziel der Schriftenreihe DER SCHMALE PFAD, eine Sammlung von Materialien im Geist der Heiligen – in der spirituellen Tradition der Orthodoxen Kirche – zur Verfügung zu stellen, die größtenteils erstmalig in deutscher Sprache erscheinen und somit das Spektrum der vorhandenen Literatur erweitern. Die Reihe wendet sich an deutschsprachige orthodoxe Christen und an alle, die nach authentischer Spiritualität suchen und ein tieferes Verständnis jenes Weges gewinnen möchten, den die Orthodoxie lehrt und bis heute bewahrt hat.
Einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden Orientierungshilfen für das geistliche Leben „in der Welt“. Ferner enthält die Reihe grundlegende patristische und apologetische Darstellungen und Abhandlungen, Lebensbeschreibungen heiliger und gerechter Menschen, Gebete, Berichte aus jüngerer Zeit und Beiträge zu einzelnen Fragen, die in der Gegenwart besondere Bedeutung erlangt haben, außerdem einführende Erläuterungen und Kommentare.

Das Ziel dieser Schriftenreihe besteht letztlich darin, auf die „Ewigkeit einzustimmen“ und zu ermutigen, dem Weg zu folgen, der die Wahrheit und das Leben ist.

Missionarische Nachsorge in der deutschsprachigen Orthodoxie: Erfahrungen mit (und von) Konvertiten

Buchcover "Endlich angekommen in der Orthodoxie - Und dann?"

Dieser Band, herausgegeben von Cornelia Hayes und Peter U. Trappe im Rahmen der Arbeit des DOM e.V., beinhaltet folgende Vorträge, welche in der Verkündigungs-St.Justin-Einsiedelei im Jahr 2022 zum o.g. Schwerpunktthema gehalten wurden:

  • Priester Thomas Dietz (hl. Apostel-Thomas-Gemeinde, München): Warum laufen uns die Leute nach der Taufe wieder weg? – Plädoyer für ein Neophytat in unserer Zeit
  • Erzpriester Nikolai Artemoff (Kathedrale der hll. Neumärtyrer, München): Gedanken zum Thema der missionarischen „Nachsorge“
  • Erzpriester André Sikojev (Maria-Schutz-Kirche, Berlin): Orthodoxie. Taufe. Und dann? Auftrag und Lehre
  • Priester Constantin Prihoanca (Kirche der hl. Trinität, Heidelberg): Quellen der orthodoxen Tradition, wie Konvertiten aufzunehmen sind: Historisch-kanonische Vorschriften und heutige Praxis
  • Priester Konstantin Anikin (hl. Alexej-Gedächtniskirche, Leipzig): Zum altchristlichen System der Bibelkatechese: Neue Erfahrungen und Anpassungsmöglichkeiten bei der Sorge für neue deutschsprachige Mitglieder
  • Erzpriester Mihail Rahr (hl. Maria-Magdalena-Kirche, Weimar): Diverse katechetische Empfehlungen sowie Programmvorschläge für verbindliche Katechesegrundlagen
  • Erzpriester Stefan Anghel (hl. Nikolaus-Kirche, Offenbach): Kirchliche Integration in Zeiten der Beschleunigung
  • Kirill Emelyanov und Nadezhda Beliakova (Oerlinghausen): Heilige Liturgie und Laien in orthodoxen Moskauer Pfarreien: Kontroverse Dimension der „Tradition(en)“ und „Nachsorge“
  • ­­Archimandrit Justin (Rauer) (Verkündigungs-St.Justin-Einsiedelei): Über die Notwendigkeit, bei ‚Alt-Eingesessenen‘ und ‚Neu-Hinzugekommenen‘ dasselbe Ausmaß an Unwissen über das kirchliche Leben vorauszusetzen

Ergänzend zu den Vorträgen befinden sich in diesem Band die jeweils nach den Vorträgen stattgefundenen lebhaften Diskussionen, und bieten dem Leser dadurch einen umfassenden Eindruck dieses wichtigen Themas nicht nur aus Sicht von Priestern, sondern auch von Laien.

260 Seiten︱Broschur︱19,50 | Bestellung hier
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Cover des Buches Große Ziele, kleine Schritte. Überraschende Erziehungsperspektiven aus den Quellen der christlichen Tradition
von  Philip Mamalakis:

In den letzten 25 Jahren ist eine Flut von Erziehungsratgebern auf den Buchmarkt geschwemmt worden. Manche hätte man besser nicht gelesen, manche wären besser gar nicht geschrieben worden. Es gibt auch gute – ohne Frage.

Doch für diese Veröffentlichung auf dem deutschen Buchmarkt sollten wir als orthodoxe Christen dankbar sein.

Es vereinigt in sich alles, was wir uns als christliche Eltern über Erziehung anlesen können:

Gesunden Menschenverstand, Beherztheit, psychologisches Werkzeug, ein christliches Verständnis des Menschen und zu guter Letzt ein Literaturverzeichnis als Goldgrube.

Philip Mamalakis hat getan, worauf wir schon längst hätten kommen sollen:

Er hat zusammengetragen, was das Evangelium und die Heiligen Väter zur Erziehung zu sagen haben. Er zitiert die Heiligen Johannes Chrysostomos, Clemens von Alexandria, Johannes Klimakos, Porphyrios, Seraphim von Sarow, Theophan den Klausner, etc. und dazu viele kluge Menschen christlicher Prägung, deren Einsichten er mit einer am christlichen Weltbild orientierten Psychologie kombiniert.

Dabei ist ein in sechs Kapiteln aufgeteiltes Werk herausgekommen, das uns schrittweise zu unserer Aufgabe als Eltern führt – nämlich unsere Kinder zu einem Leben in Christus zu erziehen.

Der Autor macht Mut, uns nicht auf kurzfristige Ziele und unterwürfigen Gehorsam zu fixieren, sondern in all unserem Handeln das langfristig Wichtige vor Augen zu haben. Unsere Kinder sollen sich zu tugendhaften, fleißigen, freundlichen, Gott liebenden Menschen entwickeln. Das braucht Zeit, Geduld, viel Konsequenz, viel Liebe und viel Gebet.

Was sind die Tugenden des Himmelreichs? fragt der Autor und antwortet auch prompt: Die Seligpreisungen! Solche Tugenden eigenen wir uns nicht über Nacht an, sie müssen beständig gepflegt werden, nicht nur in unseren Kindern, sondern auch in uns selbst. Wir sind Vorbilder. Wie gehen wir mit anderen Menschen um? Wie nutzen wir unsere Sprache? Ist sie positiv oder negativ betont? Lehren wir unsere Kinder das Evangelium als die Frohe Botschaft oder machen wir daraus einen erdrückenden Regelkatalog, eine untragbare Bürde, der sie sich entziehen, sobald sie können?

Sind wir konsequent und geduldig? Vertrauen wir aus unserem Gebet heraus genug auf Gottes Führung, Der aus unseren Kindern SEINE Kinder machen will? Sind wir beherrscht und klar in unserem Handeln, wenn wir erziehen? Können wir unsere Wut kontrollieren und liebevoll, sachlich, aber konsequent gegenüber unseren Kindern sein, wenn sie uns herausfordern?

Philip Mamalakis stellt viele Fragen, liefert aber auch die Antworten. Er ermutigt uns zur Demut, Fehler eingestehen zu können und immer wieder an uns selbst zu arbeiten, neu anzufangen – mit Gottes Hilfe!

Er weiß, wovon er schreibt:

Mamalakis ist Familienvater und hat sieben Kinder. Er ist Assistenzprofessor für Seelsorge an der Holy Cross Greek Orthodox School of Theology, selbständiger Coach und Seelsorger in Boston, USA.

Katharina Fernbach


Philip Mamalakis: Große Ziele, kleine Schritte. Überraschende Erziehungsperspektiven aus den Quellen der christlichen Tradition.

332 Seiten︱Paperback︱19,90 Euro

LINK ZUM VERLAG

Buchvorstellung „Die Philosophie des Kults“ von Vr. Pawel Florenski

DOM-Mitglied Hans-Peter A. hat die Neuerscheinung nicht nur gelesen, sondern vorher auch übersetzt, und beantwortet in seiner nachfolgenden Buchvorstellung (vorhersagbar) die Frage, ob es das spürbare zusätzliche Gewicht im Urlaubskoffer wert ist.

Pawel Florenski: Die Philosophie des Kults

Versuch einer orthodoxen Anthropodizee

536 Seiten︱Broschur︱32 €

„Einen Versuch“ nennt der Verfasser sein Werk, und dafür ist es ganz schön dick. Lohnt es sich?

Ein „Versuch“ ist es, weil der Kult für die russische Religionsphilosophie bis dato eher terra incognita war – wie will man umgehen mit dem Anspruch, das „Metaphysische“ mit Händen und Herzen zu ergreifen, das „Physische“ damit zu durchdringen, das zu vereinen, was die Mode streng geteilt hat? Aber für den russischen Priester und Gelehrten Pawel Florenski ist das Unvereinbare tägliches Brot, das Antinomische die Grundlage allen (geistlichen) Lebens, aller Liebe. Wo die Entropie ihr Werk schon verrichtet hat, hält er sich nicht lange auf.

Wenn sich deine Tage kraftlos dahinziehen, „ohne Gottheit, ohne Inspiration“, dann ist ein Liebeserweis ohne Wert.

Aber der Reihe nach: Das Ganze ist Manuskript einer Vorlesungsreihe, die F. im Jahr 1919 in Moskau gehalten hat. Die Dokumente in seinem Nachlass zeigen, dass er eine Buchausgabe plante und auch nach 1919 weiter dafür Material sammelte. Aufgrund der Lebensumstände konnte er sein Vorhaben jedoch nicht mehr realisieren. Veröffentlicht wurde der Text erstmals (zensiert) in den Siebzigern, viele Jahre nach seinem Märtyrertod 1937.

Zum Inhalt:

Vorlesung I: Die Gottesfurcht

F. definiert den Kult als denjenigen Teil der Realität, in dem Zeitliches und Ewiges sich begegnen. Die Furcht vor dieser Begegnung ist natürlich – alles andere wäre Anmaßung. Ein ausführlicher Exkurs in dieser Vorlesung widmet sich dem Kreuz als Symbol und Typos – es ist DAS Beispiel schlechthin für die Berührung von Unten und Oben, von Holz und Herrn. Danach geht es unter dem nämlichen Aspekt der Gottesfurcht um Opfer: um das alltägliche Blutbad am früheren Jerusalemer Opferaltar (Ariel faucht, Expressionismus pur!) und um die gebotene ebensolche Furcht auch gegenüber dem unblutigen, eher impressionistischen Opfer in der Eucharistie.

Vorlesung II: Kult, Religion und Kultur

F. beschäftigt sich mit den ideologiebildenden Grundlagen der Gesellschaft, nämlich dem Verhältnis von materiellen (Instrumenta, I) und geistigen (Notiones, N) Produkten menschlicher Schöpferkraft, sowie deren Synthese, sozusagen geheiligter Materie, inkarnierter Heiligkeit (Sacra, S). Erstaunlich, was F. aus den verschiedenen denkbaren Hierarchien von S-I-N alles ableitet. Nach den Zeitaltern von Idealismus und Materialismus erhoffte sich F. den Anbruch einer sakralen Ära (übrigens mit überraschender Beweisführung mittels der englischen und französischen soziologischen Schule).

Vorlesung III: Kult und Philosophie

Eine erfrischend persönliche Auseinandersetzung mit dem „Philosophen des Protestantismus“ Kant, dem „Gegenstück zu Platon“ und Verderber aller Kategorien, wenn man F. glauben will (und die Polemik ist so symphatisch, dass man es gerne tut). Ein Hohelied auf platonische Weltsicht zugleich. An der Quelle aber steht der Kult, dessen „flüchtige Töchter“ sowohl Philosophie als auch Kultur letztlich sind.

Vorlesung IV: Sakramente und Riten

Hier ist es wieder, das Lob der Leidenschaftlichkeit aus der ersten Vorlesung: Kult ist höchste Sinngebung für die blinde, formlose „titanische“ Urkraft. Jede Halbherzigkeit verbietet sich, ist quälende Epoche, Tod. Am Ende aber steht die Vereinigung von Absolutem Sinn und Absolutem Sein – der Gottmensch. Doch: Ohne dass Blut vergossen wird, gibt es keine Erlösung (übrigens Hebr 9,22). Der Karfreitag ist der mystische Mittelpunkt aller Sakramente und der ihnen nachgeordneten rituellen Handlungen.

Vorlesung V: Die sieben Sakramente

Als Menschen sind wir nicht imstande, an dem Einen Übersakrament – dem Kreuzopfer – adäquat zu partizipieren. Daher entfaltet es sich in einem mysterialen Spektrum von sieben Sakramenten, die alle in innerer Dynamik (thetisch, antithetisch und synthetisch) miteinander verbunden sind. Sieben sind es und sollen es sein, F. liefert den schlüssigen Beweis im Anhang zu dieser Vorlesung. Das synthetischste von allen übrigens – die Ehe. (Und solche Perlen lässt F. dann einfach so im Raum stehen und beendet die Vorlesung … )

Vorlesung VI: Die Phänomenologie des Kults (ein Abriss)

Im Sakrament verbindet sich das Höchste mit dem Niederen, und dies geschieht nicht abrupt, sondern in schrittweiser Annäherung (für den Mathematiker: iterativ, in einem Grenzübergang). Denn wir würden Schaden nehmen ohne solche Schritte weg von der Welt, hin zum Heiligen, „denn ein Feuer ist es.“ F. nennt diese Annäherungen „Schalen“ des Sakraments, „Isolationsstufen“: Um sich dem Ewigen zu nahen, muss man aus dem Gewöhnlichen heraustreten, Schritt für Schritt, so gut es eben geht. Den unendlichen Rest des Weges kommt uns der Herr aus Gnade entgegen. So gut es eben geht, das heißt: die Kommunionsgebete, das Fasten, das Beichten, die Türen, die Türen!, die Altarstufen, Teppiche, Ikonostase, Kopf- und Altartücher, Priestergewänder, Waschungen … Man geht anders, bewusster zum Gottesdienst nach diesem Kapitel.

Vorlesung VII: Die Heiligung der Realität

Sakramente sind nur Gipfel von Eisbergen. Wo wir zum Beispiel überall Brot weihen und segnen … Ein langes Kapitel, wie von Wanja „aus dem heiligen Moskau“ Schmeljow verfasst, ein Galopp durch alle Bereiche der (damaligen, bäuerlichen) Realität und deren Heiligung durch unendlich viele Rituale, vom Zaren bis zum Ziehbrunnen – und beinahe ein Abgesang. The night they drove old dixie down wäre die passende Musik dazu. Aber nicht dazu hat F. es aufgeschrieben, sondern um das Feuer nicht verlöschen zu lassen! Ohne Inspiration ist ein Liebesbeweis ohne Wert

Vorlesung VIII: Zeugen

Das Problem des Thomas: Wir haben Sakramente, die niemand von Nicht-Sakramenten unterscheiden kann, wir haben einen umfassenden Ritus, der uns anzeigt, dass da etwas geheiligt wird – aber wer garantiert, dass es auch so ist? Doch, diese Garanten gibt es. Es sind die Martyrer. Eines der seltenen Worte mit zwei Wurzeln – mär oder mort, Zeuge oder Leidensdulder (F. neigt auch zu sprachwissenschaftlichen Exkursen). Das sind Menschen, die der Verleugnung des Glaubens den Tod vorgezogen haben – keine Religion hat so viele davon wie unsere. Sie hatten wie Thomas den Gottmenschen berührt oder standen in der Nachfolge Seiner Apostel und bezeugten uns mit ihrem Blut, dass es „so ist.“ (Auch F. hat sein Priesteramt nach der Revolution nie verleugnet, den Priesterrock getragen bis zum Schluss – bis titanische blinde Wut auch ihn erhöhte.)

Vorlesung IX: Das Gebet

Die letzte Vorlesung widmet F. der Frage, wodurch das Sakrament und jede Heiligung der Realität überhaupt bewirkt wird. Es ist dies das Gebet, die sakramentale oder rituelle Formel. F. betrachtet die einzelnen Bestandteile eines Gebets, geht auf das Anti-Gebet ein (den kirchlichen Bann, die Verfluchung des Bösen). Gebet ist das dem Menschen mögliche Höchstmaß an vernünftigem Gebrauch der Sprache. Es bringt letztlich den Menschen als Ganzes zum geistigen Opfer dar, es verwandelt uns durch die noetische/geistliche Erneuerung (Röm 12,2).

Dieser Schluss ist ganz auf Väterlinie, zwischendrin gibt es auch schon mal ein paar verstörende Abschnitte. F. hatte keine Hemmungen, mit theosophischen Begrifflichkeiten zu operieren; manches klingt manichäisch, und auch einige Aussagen zum Totengedenken (die Bienen!) sind honeypots für rechtgläubiges Misstrauen.

Das ist aber alles nicht so wichtig wie die Tatsache, dass F. hier einen dicken Pflock einschlägt: gegen die Verkopfung des Gottesdienstes, seine Verkürzung, „Privatisierung“ und Entmystifizierung. Während etwa am Theophaniefest dem bloß Gläubigen nach der elften, zwölften Paremie (wenn nicht früher) so langsam Beine und Gehirn einschlafen, wird am „Fest des Wassers“ bei F. die Kirche mit jeder dieser Lesungen mehr und mehr geflutet: Es ist …

zu spüren, wie sich die himmlischen und irdischen Schleusen öffnen und von überall Wasserströme hereinbrechen; sie überschwemmen und füllen alles mit sich, schäumen und zerschneiden überall die Luft. Wasser, Wasser, Wasser … und noch mehr Wasser, das die ganze Welt durchdringt, unseren Körper durchströmt – der Geist des Wassers, angerufen mit machtvollen Worten. Der ganze Altar ist angefüllt mit Wasser und einem wasserblauen kühlen Licht …

Der Geist des Wassers … wer hierdrüber gestolpert ist, sollte das Buch kaufen.

Überhaupt ist es ein Buch, das frische Einsichten verspricht und zum Weiterdenken anregt, vor allem aber sehr ernsthaft mit der kultischen Überlieferung unserer Kirche umgeht. Das absolute Fehlen von Leichtsinn im Umgang mit dem scheinbar Überholten und Irrelevanten des orthodoxen Ritus färbt auf den Leser ab – und damit ist schon viel gewonnen, vor allem für den Leser selbst.

Am Anfang meiner Übersetzungsarbeit gab es noch den Verlag „Edition Kontext“. Der hat leider zwischendurch seine Tätigkeit eingestellt, aber dank Herrn Fernbach von Edition Hagia Sophia konnte das Projekt gerettet werden. Spuren hat Edition Kontext gleichwohl hinerlassen, etwa mit dem Anspruch, eine Florenski-Werksausgabe „in literarisch ansprechendem Deutsch und ohne viele Fußnoten“ auf den Markt zu bringen. Nun kann F. zwar auch sehr poetisch sein, aber meistens ist er es nicht – das Kapitel über Kant etwa liest sich leichter, wenn man wenigstens einen LK Philosophie besucht hat. Hinzu kommt, dass F. zunächst Mathematik studiert hatte und sich auf einer abstrakten, metalogischen Ebene mühelos über die Grenzen unseres gewohnten relativistischen Denkens hinwegsetzt. (Als Christen sollten wir da eigentlich folgen können, schließlich nimmt F. lediglich Gottes Unermesslichkeit ernst – aber insgeheim wünschen wir uns eben doch lieber sicheren Boden unter den theologischen Füßen.)  

Die Vorgabe von Edition Kontext nach Lesbarkeit war also eine Herausforderung. Sie ist auch der Grund, warum die Lexik in diesem Buch zuweilen nicht so präzise orthodox ist. Und Fußnoten sind es nur deshalb wenige, weil wir um die vierhundert Quellenangaben in die Endnoten und über hundert weitere ins Internet ausgelagert haben.

Auslagern mussten wir nämlich viele der Notizen und Quellenauszüge, die F. in seinem Manuskript lose zu jeder Vorlesung beigelegt hatte, und die in der russischen Werksausgabe aufgenommen wurden. Sonst wären wir bei fast 800 Seiten gelandet. So ist die Materialsammlung auf der Website Florenski.de entstanden – da findet man den Großteil wieder und darf erstaunt sein, welchen Wust an völlig unterschiedlichen Informationen der gelehrte Priester für seine Vorlesungsreihe verarbeitet hat. Vieles ist dort auf die Originaldokumente verlinkt – feine Sache eigentlich, so ein Internet …

Auf der Site gibt es auch die Vita des Verfassers, daher sei hier auf weitere Ausführungen dazu verzichtet und nur am Rande erwähnt, dass F. fünffacher Familienvater war. Was man bei ihm daher eher nicht findet, ist Rückzug, Hesychia und Herzensgebet. Als Mönch muss man womöglich andere Bücher lesen.

Zu Risiken und Nebenwirkungen dieses Buches fragen Sie bitte ihren geistlichen Vater. Es besteht ein gewisses Suchtpotenzial, und manches verträgt sich nicht so ganz mit der Schulorthodoxie. Wirksam ist es aber zweifellos, und preislich liegt es immer noch im Bereich einer Familienpizza. Urlaubslektüre! Auf der Website Florenski.de gibt es einige Leseproben.

Mit Bildern von Daria Naumez


 

32 Seiten︱Broschur︱21 x 28 cm

Ein wunderschönes, für das Gebet geeignetes Heft mit dem gesamten Akathistos des Heiligen Spyridon, erscheint in der Buchreihe des Vereins Deutschsprachige Orthodoxie in Mitteleuropa (DOM) Gesellschaft zu Ehren des Heiligen Erzengels Michael e.V. Illustriert wurde die Broschüre mit ikonographischen Bildern der Künstlerin Daria Naumez.

Am Ende des Akathistos findet der Leser noch eine kleine Biographie des Heiligen.

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Cover Akathistos Spyridon
Cover: Akathistos an den heiligen Spyridon, den Wundertäter

Bei Edition Hagia Sophia anschauen


Blick ins Buch 

Eine Schrift von Johannes A. Wolf


72 Seiten︱Broschur | 6,50 Euro

Die Panhagia, die Allheilige, die Mutter Jesu Christi, des Gott-Menschen, die Gottesgebärerin (Theotokos) gemäß der Lehre des 3. ökumenischen Konzils zu Ephesos (431) wird in der orthodoxen Kirche in zahllosen, auch wundertätigen Ikonen dargestellt und verehrt. Im Kreis des Kirchenjahres wird sie mit prächtigen Festen gefeiert: ihre Geburt durch Mutter Anna, ihre Einführung ins Allerheiligste des Tempels, die Verkündigung ihrer jungfräulichen Empfängnis durch den Heiligen Geist, ihr Hochfest der Entschlafung (im Okzident „Mariä Himmelfahrt“). Ihr Zusammensein mit dem Sohn auf der Flucht nach Ägypten, bei der Familie in Nazareth, bei der Hochzeit zu Kana, auf der Reise nach Jerusalem, bei den Jüngern und Aposteln, schließlich am Kreuz und nach der Auferstehung, zeigt uns ihre wahre Bedeutung, ihre innigste Verbindung zum Heiland, Seelenretter, Erlöser Jesus Christus. Sie weiß um diese Bedeutung: „Von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter“ (sog. Magnifikat, siehe Lukas 1,48). So feiert die orthodoxe Kirche das Fest ihres immerwährenden Schutzes.

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Buchtitel „Bedeutung … der allerheiligsten Gottesmutter“

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Dokumentation der Konferenz „Heilige Deutschlands im 1. Jahrtausend“, 12. September 2019 im Russischen Haus / Berlin.

In Zusammenarbeit mit dem Verlag Edition Hagia Sophia
236 Seiten︱Broschur | 18,50 €



Der vorliegende Band macht deutschsprachige Leser mit der Dokumentation einer Reihe von Vorträgen bekannt, welche auf der Konferenz

„Heilige Deutschlands im 1. Jahrtausend“

gehalten wurden. Die Konferenz wurde von den russischen Hierarchen der orthodoxen Kirche in Deutschland, Metropolit Mark und Erzbischof Tichon, einberufen und fand am 12. September 2019 im Russischen Haus zu Berlin statt. Es ging dabei um die Verehrung von Heiligen, die zur Zeit der noch ungeteilten Kirche in den heute zu Deutschland gehörenden Gebieten verherrlicht wurden. Eine Liste dieser Heiligen, die auch heute noch in Deutschland verehrt werden oder doch in Zukunft verehrt werden können, wurde anschließend dem Heiligen Synod der Russischen Kirche in Moskau unterbreitet. Sie wurde mit der Bitte verknüpft, diese Heiligen in den Kalender der weltweit dem Synod unterstehenden Gemeinden aufzunehmen.


Die Autoren:
Priestermönch Benedikt (Schneider)Erzpriester André SikojevAbt Dionisij (Schlenov)Priester Timofej KitnisLektor Thomas BrodehlErzpriester Ilya LimbergerAbt Evfimij (Moiseev)Priester Thomas DiezCornelia HayesAlexander StoljarovIrina Jazykova


Eine kurze Erläuterung des Wesens der Orthodoxie und der Unterschiede zwischen den Kirchen. Von Petros A. Botsis

In Zusammenarbeit mit dem Verlag Edition Hagia Sophia
90 Seiten | 8 Euro
ISBN 978-3-96321-085-3


Was ist Orthodoxie? Ist es nicht eine unter vielen christlichen Konfessionen? Der Autor berichtet uns, dass „viele Fremde, gewöhnlich Katholiken und Protestanten, die nach Griechenland kommen und seine wertvollen Denkmäler besichtigen, unter denen sich christliche Denkmäler befinden, die schon Jahrhunderte hindurch bewundert werden – der heilige Berg Athos, die Meteora usw. -, sich die gleiche Frage stellen: Ist es nicht derselbe Christus, den ihr und wir anbeten? Was ist das also, was uns trennt? Und was ist letztlich die „Orthodoxie“, die ihr mit soviel Leidenschaft und Hingabe verteidigt?
In dieser Arbeit wird eine kurze, aber komprimierte Antwort auf die folgenden Fragen gegeben:
– Was ist Orthodoxie?
– Was sind die Ursachen der Teilung der Kirchen?
– Welche anderen Unterschiede gibt es, die die Christenheit heute noch getrennt halten?
– Was ist der Glaube der Protestanten?
– Was sind die Voraussetzungen für eine wirkliche und sich im Sinne Gottes vollziehende Vereinigung?
Das Buch stellt damit eine wertvolle Informations- und Argumentationsquelle für den Leser dar.


Titelseite des Buches Was ist Orthodoxie von Petros Botsis