(1831 | 80 S.)
Franz Seraphicus Grillparzer war ein österreichischer Schriftsteller, der vor allem als Dramatiker hervorgetreten ist. Aufgrund der identitätsstiftenden Verwendung seiner Werke, vor allem nach 1945, wird er auch als österreichischer Nationaldichter bezeichnet. Wikipedia
https://www.projekt-gutenberg.org/grillprz/wellen/wellen42.html
Meinung
Hero ist zur Priesterin der Aphrodite, d.h. zu ewiger Keuschheit und Alleinsamkeit erzogen worden und wird jetzt geweiht. Die Eltern sind gekommen, und im Gespräch mit der Mutter entfaltet sich der ganze Widerspruch weiblicher Existenz im Patriarchat: Um ein Selbst sein zu dürfen, muss die Frau auf die Liebe verzichten, die sie in der Ehe an unbedingten Gehorsam bindet. So sieht das 19. Jahrhundert das griechische Leben und sein eigenes, nunmehr christlich geprägtes.
Dann erblickt sie im Volk Leander, dessen Freund arrangiert ein Treffen, und der Gleichmut ist weg. Im Gespräch mit Onkel Hohepriester ist sie fast noch ganz bei sich, oder hofft, da wieder hinzukommen auf der Suche nach der Sammlung, die – im Unterschied zu der bei Fontane so betonten und auch als oberflächlich heilsam gepriesenen und doch wieder gefährlichen Zerstreuung – das göttliche Licht erscheinen lässt. Schön. Hilft aber alles nix, der Junge durchschwimmt die Meerenge, klettert hoch und raubt ihr Kuss und Seelenruhe. Und ab dann lebt Hero nur noch ihrer Sehnsucht auf die nächste Nacht. Onkelchen hat was gemerkt, löscht die Lampe, und Leander ertrinkt in schwarzer Sturmesnacht. Die angeschwemmte Leiche lässt bei Hero alle Hemmungen fallen, und wie man den Toten wegträgt, stirbt auch sie. Das haben, sagt Onkelchen, die Götter gut gedeichselt, denn sonst hätte er selbst das Beil schwingen müssen.
Wie so oft fasziniert Grillparzer der Übergang von mädchenhafter Eigenständigkeit zum Besiegtwerden durch männliches Feuer. Hier allerdings entsteht dieses Feuer nicht aus männlicher Selbstherrlichkeit sondern tatsächlich einer (bei den Griechen vorgefunden gemeinten) göttlichen Macht, die beide Kinder wie willenlose Opfer (im Sinne von victim und sacrifice) zusammenzwingt und, echt Heiden-göttlich, im Tod vereint.
Ich weiss wirklich nicht, ob in unserer durchsexualisierten Welt dieses Werk für junge Leute überhaupt zugänglich ist.
Info
Erscheinungsjahr | 19. Jh., 2. Hälfte |
Seiten | < 100 |
Autor | Grillparzer, Franz |
Kommentar zu: Grillparzer, Franz – Des Meeres und der Liebe Wellen.