Fontane, Theodor – Die Poggenpuhls

(1894 | 128 S.)

Meinung

Nach längerem Abstand wieder mal Fontane lesen ist wie Eintauchen in ein Bad der Menschenfreundlichkeit. Es geht um den Erhalt einer Familienehre unter finanziell ungünstigen Bedingungen. Der Major verstarb, und hinterließ der Frau und 5 Kindern nur seine Rente. Die Frau, aus bürgerlichem Pfarrhaus, leidet sich tapfer durch und wird dafür allgemein bewundert. Das hilft ihr nicht viel, denn sie hat nichts Präsentables mehr anzuziehen und wegen Mangelernährung vielfältige Krankheiten.

Sohn I Wendelin geht seinen militärischen Weg nach oben, ohne sich je um die großen Vorbilder unter den Ahnen zu kümmern: Heute ist eine andere Tapferkeit gefragt, und er wird aufsteigen. Zugleich unterstützt er den liederlumpigen kleinen Bruder, der nur aus Anmaßung und Egoismus besteht, von Mama und 3 Schwestern blind verwöhnt. Beim vom großen Bruder spendierten Geburtstagsbesuch bei Mama isst er der Familie ungeniert die letzten Käse und Fisch-Reste weg – bedient von Faktotum Friederike, die die Armut erträgt, weil sie hier mal wie ein Mensch behandelt wird.

Die älteste Therese führt als Repräsentantin der Familie das große Wort und feiert dadurch im gesellschaftlichen Freundeskreis stille Triumphe. Sophie ist begabt und gibt allerlei künstlerischen Unterricht, den die Kleine, Manon, ungeniert um gesellschaftliche Vorurteile, durch ihre Freundschaft mit jüdischer Bankiersfamilie vermittelt. So kommt man so grade über die Runden. Lichtblick ist der Familiensinn des Onkels als Kombination aus Traditionstreue (man geht halt nicht in ein Theater, das den Adel parodiert), Anstand, Demut und schlichte Bescheidenheit. Durch eine Heirat mit einer Bürgerlichen finanziell gut versorgt, muss er trotzdem seine Großzügigkeit unter Kontrolle halten, denn das Schloss seiner Frau gehört den Nachkommen ihres ersten Mannes. Immerhin wird die begabte Sophie aufgenommen und kann sich künstlerisch und menschlich entfalten. Und am Ende, nach Onkels Tod, sichert seine Angeheiratete der Familie höherere Einkünfte und kann so deren größte Not endgültig beenden.

Gott kommt bei der Majorin vor und stärkt ihre Geduld im Leiden, auch ihre selbstlose Liebe. So ganz verzeihen kann ich ihr die Vergötterei des jüngeren Sohnes nicht. Das ist wohl auch Zeiterscheinung und gehört zu den Nachtseiten des traditionalen Familiensinns: da zählen halt die Männer doppelt. Ansonsten ist Religion nur dekorativ relevant. Aber was das Ganze auch für Jugendliche lesenswert macht, ist die feine Tiefen-Moral, die sich hier in den Persönlichkeiten gestaltet oder verletzt findet. Auch vieles an vergangener Sittlichkeit, das unser heutiges Rumschlampen in ein arges Licht rückt.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorFontane, Theodor

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