Hartleben, Otto Erich – Dramen, Prosa, Gedichte

(1909 | 3 Bd. je ca. 250 S.)

Otto Erich Hartleben war ein deutscher Schriftsteller. Zu Lebzeiten besonders als Dramatiker ungeheuer populär, kursierten zahlreiche Anekdoten um seine Person. Sein zunächst dem Naturalismus verpflichtetes Œuvre ist überschaubar; es wurde postum in drei Bänden veröffentlicht. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Gedichte

Wenig für mich Brauchbares. Erotik und Blasphemie.

Erschlafft im Schlafe kindischen Glaubens

Eine Absage an Gott. Befreiung für das hier und jetzt. Verkehrung der Wahrheit. Hier schon alles da, was die Gottlosigkeit unserer Zeit ausmacht

Orth

Maria

Sie wandelten zum Feste gen Jerusalem

Die Geschichte von Maria und Magdalena – durchaus hübsch  und frei gedichtet

GK

Von Baal zu Babel

Vierzig Schafe und zwölf Malter Weizen

Wie Daniel dem König Cyros beweist, dass sein Gott nur Betrug ist.

Gk

 

Der Sünder I

Wenn ich den Wellenschlag des Meeres höre

Die Reue über ein Mädchen, das er auf dem Gewissen hat. Nun, immerhin, da gibt es noch Verzweiflung über die üble Tat

orth

Es lebt ein Gott

Theodizee Problem: Gäbe es einen Gott und wendete nicht den Jammer, so wäre er ein elender Kerl

Orth.

Prosa

Wie der Kleine zum Teufel wurde

Jüngerer Vetter des Autors kommt zum Studieren und platzt vor Eitelkeit. Autor lässt das alles mit Geduld und Humor an sich abperlen, und mein erster Eindruck war: wie sympathisch er mir dadurch wird, durch diese völlig uneigennützige Hilfsbereitschaft und Kameraderie. Erst im Nachdenken wurde mir klar: dieser Kleine, dessen „Quartalsverlobungen“ das Gelächter der Familie darstellen, und der die Edeldirne Lore verführt zu haben meint, und der sich nun Gewissensbisse macht, ob er sich nun nicht mit ihr verloben müsste als anständiger Mann, – dieser alberne Zwerg ist der einzige, der sich ein integres Gefühl für die Bedeutung der Liebe und die Verantwortung des Mannes bewahrt hat. Und dieser instinktive Anstand, diese schön jugendliche Integrität, – genau die wird vom Autor bei aller Darstellung eigener Unterstützung, in den Dreck gezogen. Bemerkenswert. Es könnte spannend sein, diesen Text Jugendlichen zu geben, damit sie ihr Urteil daran schärfen. Auch in ihrer Kultur ist ja die „coolness“ so kanonisch wie damals der „comment“.

Jg

Dramen

Hanna Jagert

Das ist jetzt mal eine Fontane-Unterklasse-Frau, 50 Jahre später. Wächst unter Arbeitern mit Idealen des Sozialismus auf und verlobt sich aus Kameradschaft mit Thieme, der ins Zuchthaus kommt. Als der 1 Jahr zu früh rauskommt, hat Hanna bei einem anderen Aufsteiger, jetzt Fabrikbesitzer, eine neue Sicht auf die Welt kennengelernt und liebt den als Frau. Hier findet man sehr kluge Argumente gegen den Sozialismus.

Thieme, voller Eifersucht, schießt auf jenen Alexander, der jetzt ein Krüppelbein hat. Irgendwie muss es mit der weiblichen Liebe dann auch nix geworden sein, Thieme geht nach Amerika und Hanna macht sich mit Kredit von Alexander selbstständig. Am Ende treffen die drei zusammen. Hinzu kommt der junge Baron, den Hanna nie heiraten wollte, weil sie keine gnädige Frau werden wollte. Nachdem sie Thieme und Alexander aber ihre Unabhängigkeit unter die Nase gerieben hat, greift sie sich den Jungen und ist endlich doch bereit zu heiraten. Weil sie das will, nicht weil er das schenkt. Umkehr der Rolle von Frau und Mann – allerdings landet sie so bei einem Bubi. Ist das die Lehre über die Emanzipation?

Sehr schön, wie der alte Vater von Hanna als Sozi immer noch seine Familienautorität ausüben will, obwohl Thieme ihm das auszureden sucht. Das Geflecht widersprechender Werte. Endlich mal kriegt man Hartleben bei etwas Wirklichem zu fassen. Interessant wäre, es gemeinsam mit Jugendlichen zu lesen.

Jg

Rosenmontag

Endlich! Endlich ein Drama, bei dem mir klar wird, wo der Autor steht. Wieder geht es (wie bei seiner Hanna Jagert, bei Fontane, bei Hebbel in Agnes Bernauer, um den Konflikt zwischen der Liebe, besonders der Liebe zu einem menschlich wertvollen Mädchen, und den Standesgrenzen, die ein Heirat mit solch einem Mädchen ausschließen. Hier ein junger Offizier, der, Halbwaise, sein Leben bisher ohne Geborgenheit und Liebe verbrachte, und nun in der Beziehung zur Handwerkstochter Traute entflammt ist. Natürlich geht sowas im Offizierscorps gar nicht: es herrscht dort ein moralischer comment, der eben nicht moralisch motiviert ist (oder gar religiös: schlaf nicht ohne Priestersegen), sondern gesellschaftlich. Immerhin, ein Gerüst für die Leidenschaften. Natürlich bedeutet dies, da die Kerle nicht keusch leben, dass sie die Mädels zu Huren machen und als Huren missachten. Zwei Vettern von Hans kriegen von der gemeinsamen Großmama die Ohren langgezogen, sie sollen der Sache ein Ende machen. Dies geschieht auf infame Weise: er muss zum Lehrgang, vertraut das Mädchen ihnen an, und die nützen dieses Vertrauen, um sie zu kompromittieren. Es ist überhaupt nichts passiert, aber zugleich reden sie ihr ein, Hans sei schon verlobt. Sie ist zu stolz um nachzufragen, er interpretiert ihr Schweigen als Schuldgefühl für die erlogene Untreue. Geht an der Sache ziemlich kaputt, wird krank, macht Schulden, wird behandelt und rekonvalesziert, und dann schafft Großmama die Verlobung mit einem bürgerlichen, aber reichen Gänschen. Ein Freund hat aber mitgekriegt, was da für Lügen gelaufen sind. Am Ende ein Doppelselbstmord des Liebespaars.

Was mich an diesem Stück fesselt, ist die Gestalt des Freundes Harold, der klar den infamen Verrat erkennt. Auch er rät dazu, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er selbst hat mal die große Liebe opfern müssen. Aber Hans fühlt sich durch diesen Betrug derart instrumentalisiert, seiner Freiheit beraubt, dass er sich umbringt, und Traute will da mit.

Natürlich verbietet sich hier eine einfach Identifikation mit den Liebenden. Sie hätten das alles nicht gedurft. Trautes Vertrauen in das Verzeihen des großen Gottes ist verfehlt. Aber die Wurzel des Übels lag nicht in ihrer Hand: sie liegt in einem Verständnis von Liebe zwischen Mann und Frau als absolut. Ohne ein tiefes kirchliches Leben kann man nicht begreiflich machen, dass, wie immer unausweichlich eine solche Liebe erlebt wird, sie eben doch der größeren Gottesliebe hätte untergeordnet werden sollen. Aber mach sowas mal plausibel in einer Welt, die von der ganz großen Gottesliebe, und von der Relativierung der eigenen Leidenschaft, nichts weiß. Unausweichlich ist der Konflikt darum nur in einer entchristlichten Gesellschaft.

Jg

Info

Erscheinungsjahr20. Jh., 1. Hälfte
Seiten> 600
AutorHartleben, Otto Erich

Kommentare

Kommentar zu: Hartleben, Otto Erich – Dramen, Prosa, Gedichte.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert