Grillparzer, Franz – Die Jüdin von Toledo

(1855 | 90 S.)

Franz Seraphicus Grillparzer war ein österreichischer Schriftsteller, der vor allem als Dramatiker hervorgetreten ist. Aufgrund der identitätsstiftenden Verwendung seiner Werke, vor allem nach 1945, wird er auch als österreichischer Nationaldichter bezeichnet. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Eindrucksvoll auch hier wieder die Sprachgewalt und Gedankentiefe des Autors. Man ist gefesselt. Zugleich Schillert es wieder gewaltig. Vordergründig der Fall eines allzu brav erzogenen und verheirateten Königs, der dann – durch Zauberei etwas über-determiniert – den Reizen einer überkandidelten und absolut unerzogenen pubertierenden jüdischen Schönheit rettungslos verfällt. Dabei stehen die Mauren an der Grenze, und man müsste in den Krieg. Königin und Adelige beschließen, dem Spuk ein Ende zu machen, indem sie das Mädel umbringen.

Hintergründig aber ein Drama um die ältere brave Estherschwester, die zwischen dem alten Juden Isaak und der Kleinen Katastrophe vermitteln muss. Ihr gehört am Ende die Stimme der Gerechtigkeit. Sie flucht dem König, der in der Schlacht gegen die Ungläubigen sich bewähren kann nur mit unschuldigem Herzen und Gottes Hilfe. Und da wird nu nix draus, nachdem er das Opfer nicht geschützt hat und nun schon wieder – allerdings, nachdem er den Sohn zum König und die Königin zur Regentin gemacht hat, seine Schuld dem Land gegenüber also nobel gesühnt hat – vergnügt die neue Harmonie in Familie und Adel genießt. Aber dann will Isaak, bevor sie fliehen, noch sein während der Buhlschaft der Tochter vom Volk als „Rat“ des Königs abgepresstes Geld aus dem Garten ausbuddeln. Da trifft ihn derselbe Fluch der Tochter, d.h. beide Parteien stehen in derselben Sünderreihe und brauchen Gottes Vergebung. Und hier haben wir ein Gegenstück zu Lessings Nathan: dort sind die 3 Religionen vereint im Suchen nach dem Guten unter einem gemeinsamen Vater, hier sind die 2 alten Religionen vereint in ihrer Angewiesenheit auf Vergebung durch diesen Vater.

Ich finde aber das Ganze etwas überspannt, auch wegen der augustinisch rezipierten paulinischen Sexualmoral bei der Königin, die die Ehe, als Rettung des Ur-Übels, durch den König so verletzt sieht, dass das Mädel sterben soll. Ich sehe keinen Grund zur Empfehlung.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten< 100
AutorGrillparzer, Franz

Kommentare

Kommentar zu: Grillparzer, Franz – Die Jüdin von Toledo.

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