Buchcover "Orthodoxe Spiritualität - Reset"

Das Buch des russisch-orthodoxen Erzpriesters Vjacheslav Rubskij ist zuerst einmal ein Ratgeber für „verweltlichte“ Christen, wieder näher zu Gott zu gelangen. Es versucht dabei einen Brückenschlag zwischen orthodoxer Theorie und psychologischer Lebenshilfe. Kann das gutgehen?

Finden Sie nachfolgend eine Leseprobe daraus, vorgeschlagen als Lounge-Diskussionstext von DOM-Mitglied Hans-Peter Arnold, dem das Anliegen dieses Auszugs – ein liebevollerer innerorthodoxer Dialog – wichtig war und das Buch recht sympathisch erschien.

Cornelia Hayes ist da skeptischer und hat im Anschluss schon mal eine kritische Replik zu diesem Textauszug verfasst.

Nunmehr gibt es auch das komplette Buch, und hier als dritten Text von Hans-Peter die Rezension dazu. Wir freuen uns auf Ihre Meinung insbesondere zum Anliegen des Textauszugs, gern auch zum Buch.

Books on Demand, 2021 (300S., 11 €, e-Book 4 €).

Erzpriester Vjačeskav Rubskij (47) ist Psychologe, Dozent an der Maritime University Odessa und Vorsteher der Uni-Kirche zu Ehren der Märtyrerzarin Alexandra. Er ist Absolvent der Kiewer Geistlichen Akademie. 2019 verteidigte er seine Dissertation in den Fachgebieten Theologie und Religionswissenschaft. Mit seinen im russischen Sprachraum vieldiskutierten Publikationen bringt er sich in einen relativ jungen theologisch-psychologischen Diskurs ein, der in den letzten Jahren in der russischen Kirche an Stärke gewonnen hat und – leider nicht immer qualifiziert – versucht, über den Dialog mit psychotherapeutischen Erkenntnissen die vielfältige orthodoxe Lehre zeitgemäß zu präsentieren und insbesondere bei jungen Menschen ein lebendiges Interesse an existenziellen Fragen zu wecken.

Der vorliegende Abschnitt aus dem Buch Orthodoxe Spiritualität: Reset. Skizzen über den inneren Wandel (Православная духовность: перезагрузка. Наброски внутренней реформы, Никея Москва 2021) widmet sich speziell dem Spannungsfeld innerorthodoxer „Meinungsvielfalt“. Das ist nicht das Kernthema des Buchs, dennoch habe ich gerade diese drei kurzen Kapitel ausgewählt, weil sie meiner Meinung nach bedenkenswerte Ansätze enthalten, wie der Dialog zwischen orthodoxen Christen auch hier bei DOM gewinnbringend(er) gestaltet werden kann. Ich hoffe auf einen gepflegten Meinungsaustausch.

Hans-Peter Arnold


Wer die nachfolgenden Texte lieber als PDF lesen möchte, kann HIER klicken.

Leseprobe: Drei Kapitel über „verschiedene“ Orthodoxien

Glaube als Anfang

Das Alltags-Christentum hat sich fest im allgemeinreligiösen Kult etabliert, das heißt in dem, was in allen Religionen immer war und ist: Fasten, Festtage, Rituale, Vorschriften, Tabus. Alle spezifisch christlichen Ideen haben sich leise in die Geschichte verabschiedet. Der von der ersten christlichen Generation erwartete bevorstehende Weltuntergang hat offensichtlich nicht stattgefunden. Somit hat Sich Jesus nie als Christus manifestiert – als der Messias des Alten Testaments. Der spätere Traum von einem christlichen Staat (und sogar Imperium) wurde wahr, erwies sich aber in seinen Regierungsmethoden nicht besser als die anderen. Die Idee der christlichen Liebe und Einheit ist durch den Gigantismus des Kirchensystems, durch Konflikte um Finanzen und durch Rivalität erschüttert.

In seinem letzten Vortrag sagte Erzpriester Alexander Men optimistisch: Nur kurzsichtige Menschen können sich vorstellen, dass das Christentum schon vorbei ist, dass es bereits stattgefunden hat – sei es im dreizehnten Jahrhundert, im vierten Jahrhundert oder sonst wann. Es hat nur die ersten, ich würde sagen, zaghaften Schritte in der Geschichte der Menschheit getan. Viele Worte Christi sind für uns noch immer unverständlich, weil wir noch Neandertaler des Geistes und der Moral sind, weil der Vektor des Evangeliums auf die Ewigkeit zielt, weil die Geschichte des Christentums gerade erst beginnt und alles, was vorher war, das also, was wir heute Geschichte des Christentums nennen, zur Hälfte unfähige und erfolglose Versuche waren, es umzusetzen.[1] Dem Gedanken Mens folgend ist es wichtig zu erkennen, dass das in der Geschichte beschriebene Christentum vorbei ist und wir nichts haben, worauf wir zurückblicken könnten, kein Objekt der Nachahmung, das wir authentisch verstehen würden.

Nur ein solcher Mensch kann ein Christ wie Apostel Paulus sein, der nach jenem wiederholen könnte: Ich hatte mich entschlossen, … nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten (1 Kor. 2,2). Bis dahin aber sind wir eine Braut Christi, die sich vor Ihm nicht ausziehen will und sich lieber alte Kleider und altmodischen Schmuck anzieht. Wir weigern uns hartnäckig zu erkennen, dass das, was wir nachahmen wollen, nicht zufällig endete, nicht weil es schlecht war, sondern weil es mit den vergangenen Epochen zusammen verblasst, zur Reife gelangt und vorüber ist. Christ ist derjenige, der versteht, dass er bei Null beginnt, die anderen wählen die Nachahmung der Nachfolge.

Der gläubige Schriftgelehrte strickt sich aus Angst, ein eigenes Wort hervorzubringen, Kleider aus gelesenen Seiten, er versteckt sich im dichten Gebüsch der Überlieferungen und Traditionen vor Gott, Der durch die Tradition gekreuzigt worden ist. Glaubenssätze und Bräuche führen zu Gott, aber man kann sich darin auch verfangen. Wir können nur alles aufgeben, woran wir geglaubt haben, wenn unser Glaube auf der Erfahrung vom Ende aller Glaubenssätze basiert.

Nur wer weiß, dass es keinerlei wirkliche Rechtfertigung für diese Tat gibt, kann ein Kind aus seinem Glauben an Gott heraus taufen. Ansonsten wird er, weil er sich in der Unumgänglichkeit und im Rituellen verloren hat, bloß ein unumgängliches Ritual vollziehen. Nur wer vollständig sehen und fühlen kann, dass Gott schon vor unserer Bitte alles weiß, kann beten (vgl. Mt 6,8). Nur wer erkennt, wie absurd es ist, im Namen des Gekreuzigten sein Schnitzel gegen ein Fischfilet zu vertauschen, kann fasten.

Die Grenze des Menschlichen zu sehen ist eine sehr wichtige Voraussetzung für den Glauben; nicht die Hälfte der menschlichen Eigenschaften zu dämonisieren, sondern bereits ganz am Anfang, wenn sie gerade erst noch Befriedigung versprechen, zu erkennen, dass sie ihre Schranken gefunden haben. Dies ist der Sieg des unendlichen Gottes über die endlichen menschlichen Leidenschaften. Nur wer der Unzucht nie überdrüssig war, kann sie träumerisch verabsolutieren, nur wer die Grenze der Macht des Geldes nicht aus Erfahrung kennt, kann für Geld alles verkaufen, nur wer die Bedingtheit und Konstruiertheit aller menschlichen Ideen noch nicht bemerkt hat, kann eine solche Idee bis zum Umfallen verteidigen.

Weisheit liegt in der Stille. Der Schweigende ist schon insofern klüger, als er keine Bestätigung / Widerlegung seiner Weltanschauung sucht, keine Wirkung erzielen will, keine Tilgung von Schulden erwartet (wie Konfuzius und Kant). Er glaubt wirklich an den anderen wie an sich selbst und sieht daher keinen Grund, seine eigene Idee statt der eines anderen aufzuzwingen. Alle anderen Wege bedeuten Rivalität.

Zwei Auffassungen von Orthodoxie

Die Frage nach den Grenzen des Begriffs „Orthodoxie“ stellte bereits 1907 der russische Philosoph Nikolaj Berdjaev. Unter „Orthodoxie“, schrieb er, kann man die Universalkirche verstehen, oder man kann darunter die historische Ortskirche verstehen, man kann die Fülle der religiösen Wahrheit darunter verstehen oder auch nur einen Teil der offenbarten Wahrheit, man kann alles Authentische und Gerechte in der christlichen Religion als „Orthodoxie“ bezeichnen, aber auch eine historische Verirrung oder Lüge so nennen. Ich wünschte, dass endlich jemand klar und verbindlich sagt, was die orthodoxe Kirche ist, sei es als Objekt der Anbetung oder des Angriffs. Möge mir jemand ein Gebäude mit einer solchen Bezeichnung zeigen, die materiellen Grenzen eines solchen Anwesens offenlegen. Welche Merkmale sind inhärent, gehören substanziell zur Orthodoxie, und welche können weggenommen oder hinzugefügt werden, ohne ihr Wesen zu verändern? Wie lange wird man alles, was immer man mag oder nicht mag, ungestraft Orthodoxie nennen können?[2]

Allerdings lässt sich die Orthodoxie nicht mit einem Maßstab messen und über einen Kamm scheren; alles Ernsthafte ist komplex und auf den ersten und zweiten Blick unverständlich. Manchmal ist die Polarität der Aussagen orthodoxer Heiliger atemberaubend. Im 13. Kapitel der Schrift Aufklärer[3] des heiligen Joseph von Volokolamsk lesen wir zum Beispiel: Wenn wir sehen, dass die Ungläubigen und Ketzer die Orthodoxen verführen wollen, dann ist es nicht allein angebracht, sie zu hassen oder zu verurteilen, sondern auch, sie zu verfluchen und sie zu verwunden, wodurch wir unsere Hand heiligen … es gehört sich, sie nicht nur zu verurteilen, sondern auch grausam hinzurichten, und dabei nicht nur die Ketzer und Abtrünnigen: Auch die Orthodoxen selbst, die von Ketzern oder Abtrünnigen erfahren und sie nicht den Richtern überantwortet haben, unterliegen der Todesstrafe … Daher ist es wahrhaftig vollkommen klar und einleuchtend für alle Menschen, dass es Angelegenheit sowohl der Bischöfe als auch Priester und Mönche und gewöhnlichen Menschen ist, aller Christen also, Ketzer und Abtrünnige zu verurteilen und zu verfluchen, für die Könige, Fürsten und weltliche Richter aber gehört es sich, solche ins Gefängnis zu werfen und unbarmherzig hinzurichten. Ehre sei unserem Gott jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit. Amen. In der gleichen orthodoxen Überlieferung finden wir folgende, nicht weniger orthodoxen Worte des ehrwürdigen Abbas Ammon: Die Liebe kann niemanden hassen, wer immer es sei, sie kann niemanden verdammen, verfluchen, betrüben oder Abneigung zu ihm empfinden. Dies gilt sowohl für Gläubige als auch für Untreue, für Andersgläubige, Sünder, Unzüchtige und überhaupt für jeden Ehrlosen; überdies entfacht sich die wahre Liebe sogar stärker um die Seelen der Sünder, um die Schwachen in der Frömmigkeit und die Nachlässigen, sie klagt mehr über sie und trauert und beklagt sie mehr als die Gerechten, sie erweist Mitgefühl mit den Bösen und Sündern und ahmt darin Christus Selbst nach, Der jene als Erster zu Sich rief und mit ihnen aß und trank. So lehrte Er uns, was wahre Liebe ist, indem er sagte: „Seid gut und barmherzig wie euer Vater im Himmel.“ Und so wie Er es regnen lässt auf die Guten und die Bösen und der Sonne befiehlt, für die Gerechten und die Ungerechten zu scheinen, so wird auch derjenige, der wahrhafte Liebe hat, mit allen mitfühlen und für alle beten.[4] Hier weiß man wirklich nicht, wo man im Klassiker „Hinrichten keinesfalls begnadigen“ das Komma setzen soll.

Um einen Schlüssel zum Verständnis des religiösen Phänomens „Orthodoxie“ zu haben, müssen wir seine Heterogenität als eine notwendige Randbedingung seiner Lebendigkeit annehmen. Es können fünf oder zehn Arten von orthodoxem Bewusstsein unterschieden werden, aber der Einfachheit und Klarheit halber werde ich nur zwei gleichberechtigte und gleichgewichtige Richtungen herausgreifen. Nennen wir sie logos und praxis, oder einfacher: die theoretische und die praktische.

Der erste Typ zeichnet sich durch rechtes Wissen (logos) als Hauptkriterium der Orthodoxie aus: Für ihn ist das korrekte Bekenntnis am wichtigsten. Für die andere Richtung der Orthodoxie ist das Hauptkriterium die Praxis – der spirituelle Zustand des Asketen.

Nach der Ära der ökumenischen Konzilien und theologischen Auseinandersetzungen gewann die erste Richtung für die orthodoxe Identität den Vorrang, dennoch haben in der Tradition die Stimmen beider Systeme überlebt, und jedes von ihnen betrachtet sich als das wichtigere.

In den Sprüchen der ägyptischen Väter lesen wir zum Beispiel über Abbas Agathon: Einige kamen zu ihm und hörten, dass er große Unterscheidungsgabe besaß. Sie wollten prüfen, ob man ihn erzürnen könne, und sagten zu ihm: „Du bist Agathon. Wir haben über dich gehört, dass du ein Unzüchtiger und ein Stolzer bist.“ Der aber sagte: „Ja, so verhält es sich.“ Dann sprachen sie zu ihm: „Du bist Agathon, der Schwätzer und Verleumder.“ Der aber sagte: „Ich bin es.“ Dann sprachen sie: „Du bist Agathon, der Häretiker.“ Und er antwortete: „Ein Häretiker bin ich nicht.“ Und sie baten ihn und sagten: „Warum hast du das angenommen, was wir über dich sagten, dieses Wort jedoch nicht ertragen?“ Er sprach zu ihnen: „Ersteres schreibe ich mir selbst zu, denn so ist es nützlich für meine Seele. Der Häretiker aber, das ist eine Trennung von Gott …“ Als sie das hörten, bewunderten sie seine Unterscheidungsgabe und gingen erbaut hinweg.[5] Das Gerontikon vermittelt uns also, dass die rationale (logos-gemäße) Identifikation des wahren Christentums entscheidend ist. Du magst viele Sünden haben, aber das ist nicht so wichtig wie deine falsche Aussage über Gott. Die Häresie übertrifft in diesem System der Beziehungen zu Gott alle Tugenden und Sünden an Bedeutung.

Eine Aussage über Gott kann nur dann so wichtig sein, wenn kein Kontakt zum Gegenstand der Erörterung besteht. Wenn wir über Winnie the Pooh sprechen (der ja nicht existiert), dann ist die Geschichte über ihn alles, was uns gegeben ist, und Winnie the Pooh ist mit der Geschichte über ihn identisch. Wenn wir dagegen die Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott haben, dann ist die Geschichte von Gott nur eine der möglichen Beschreibungen Gottes, das heißt wie sich das göttliche Licht gerade in dieser oder jener Seele spiegelt. Gott ist nicht mit der Erzählung über Ihn identisch. Daher macht es keinen Sinn, zu wetteifern, wer von uns Gott richtiger beschreibt: Richtig für mich bedeutet nicht richtig für alle; das Gespräch Christi mit der Samariterin das eine, das mit Petrus ein anderes, das mit Pilatus ein drittes.

Die heiligen Väter, die versuchten, ihre Erfahrung der Teilhabe an Gott in theologische Konstruktionen einzubringen, verloren sich in der apophatischen, negativen Theologie (welche die Angemessenheit jeglicher verbaler Aussagen über Gott verneint: Man kann von Ihm nicht sagen, dass Er so ist, da dies ein menschlicher Begriff wäre, der nicht auf Gott anwendbar ist). Konsequenter Apophatismus ließ jegliche Äußerung über Gott angesichts Seiner Unendlichkeit bedeutungslos werden. Es ist schwer, sich apophatische Theologie in einer logischen Argumentationskette über Gott vorzustellen; sie durchbricht diese Kette und stellt die Gültigkeit der Übertragung selbst solcher Kategorien wie Existenz oder Liebe auf Gott in Frage. Die bevorzugte Art und Weise bedeutender Theologen, apophatische Formeln an das Ende ihrer Argumentation über Gott zu stellen, macht diese Argumentation bedeutungslos. Der heilige Gregor von Nyssa zum Beispiel geht bis an die Grenze zur Nicht-Theologie und überschreitet sie mit der Aussage: Jedes Urteil über Gott ist ein Anschein, ein falsches Abbild, ein Götzenbild; es offenbart nicht die Wahrheit über Gott Selbst.[6] Und in einem anderen Aufsatz: Das wahre Sehen und Verstehen des Gesuchten liegt gerade in der Blindheit, wenn du erkennst, dass dein Ziel höher als jedes Wissen und von allen Seiten durch das Dunkel der Unwissenheit von dir getrennt ist.[7] Wenn tatsächlich jedes Urteil über Gott ein falsches Abbild ist, was waren die dem vorangehenden Passagen in diesem Fall wert?

Die Rückkehr zu kataphatischen Aussagen jedoch offenbarte das Problem: Der Wettstreit in Worten kann nur dort Bedeutung haben, wo die Gotteserfahrung fehlt. Komm und sieh! (Joh 1,46) – dies ist der einzige Glaubensgrund. Für die meisten Anteillosen, aber Durstigen, ist er einfach unverständlich. Sie können nicht sehen, obwohl sie es genau gehört haben, und weil sie dem Gehörten treu sind, werden sie selbst leiden und andere leiden lassen. Treue zu dem Gehörten ist die Treue eines heiligen Blinden, der heilige Erzählungen überliefert.

Wie oben erwähnt, waren beide Wahrheitskriterien im Christentum von Anfang an präsent. Schon beim Apostel Paulus finden wir den Vorrang der rationalen Formel gegenüber dem geistlichen Zustand: Jedoch, auch wenn wir selbst oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten als das, das wir verkündet haben – er sei verflucht (Gal 1,8). Diese Linie weiterführend behauptete der heilige Märtyrer Polykarp von Smyrna: Wer das Zeugnis des Kreuzes nicht bekennt, ist aus dem Teufel; und wer die Reden des Herrn nach seinen eigenen Begierden verkehrt …, der ist der Erstgeborene Satans.[8] Johannes Chrysostomus glaubte, dass die Sünde der Häresie und des Schismas nicht einmal durch das Blut des Märtyrers reingewaschen wird[9], und dass bei den Häretikern diejenigen, welche die Jungfräulichkeit bewahren, demselben Gerichte verfallen wie diejenigen, welche Unzucht treiben.[10] Im seiner Schrift über die Jungfräulichkeit erklärt er: Ja, die Enthaltsamkeit der Häretiker ist schlimmer als jegliche Wohllust.[11]

Diese Art der Definition von Orthodoxie rückt Askese und jegliche Spiritualität als sekundäres Phänomen unweigerlich in den Hintergrund. Dafür finden wir auch beim heiligen Theophan dem Klausner ein beredtes Beispiel: Ein Häretiker-Nestorianer gab einmal einem Altvater, der gerne heilige Bücher las, das Buch eines berühmten heiligen Vaters, in das er jedoch am Ende mit Absicht Blätter mit seiner eigenen häretischen Lehre eingeheftet hatte, in der Hoffnung, dass der Altvater in seinem einfachen Gemüt es nicht bemerken und die häretische Schrift lesen würde. Tatsächlich wäre der Altvater auf diese Weise versucht worden, doch hat es die allerheiligste Gottesgebärerin nicht zugelassen: Einmal sah er, wie er so in seiner Zelle saß, die Allherrin vorbeigehen und begann sie mit kindlicher Einfalt anzuflehen, sein Kellion zu besuchen. Die allerheiligste Gottesgebärerin aber antwortete ihm: „Ich kann nicht zu dir kommen, denn du bewahrst meinen Feind in deinem Kellion“, und wurde unsichtbar. Der Altvater erschrak und fing an, alles in seiner Zelle durchzuwühlen und zu durchsuchen, um herauszufinden, was für ein Feind der Muttergottes dies sei; schließlich gab ihm irgendjemand einen Hinweis, uns so fand er heraus, dass es sich bei diesem Feind um die häretische nestorianische Schrift in jenem Buch handelte, das man ihm gegeben hatte, denn die Nestorianer ehren die allerheiligste Gottesgebärerin nicht. Der Altvater riss die Blätter heraus und verbrannte sie, und so wurde ihm später der Besuch der Allherrin zuteil.[12] Wie wir sehen können, ist die Heiligkeit des Altvaters von geringerer Bedeutung als ein möglicher Fall in die Häresie. Heiligkeit dient geradezu dem Schutz davor, in Häresie zu verfallen. Es ließen sich viele weitere Beispiele aus den Erzählungen über die Asketen anführen, denen die Idee vom Primat des Bekenntnisses gegenüber der Heiligkeit des Lebens mit ihren großartigen Eigenschaften wie Hellsehen, Wunder usw. zugrunde liegt.

Beide Lager schöpfen ihre Argumente und Gegenargumente mit Erfolg aus dem gemeinsamen orthodoxen Erbe. Die zweite Definitionslinie der Orthodoxie – die praktische (praxis) – spiegelt sich dabei in der orthodoxen Überlieferung nicht weniger umfangreich wider. Hier ist das Hauptkriterium der Orthodoxie der spirituelle Zustand – die Heiligkeit des Lebens ist wichtiger als die formale Präzision des Zeugnisses.

So gibt es das bekannte, von Lew Tolstoj in der Erzählung Die drei Starzen verarbeitete Gleichnis über drei wundersame Asketen, die ein teils häretisches Gebet ersonnen hatten: „Ihr seid Drei und wir sind drei. Kyrie eleison!“, worauf ihr orthodoxer Bischof ihnen das richtige Vaterunser-Gebet beizubringen versuchte; sie aber hatten es bald wieder vergessen, was sie aber nicht daran hinderte, erleuchtet zu sein und über das Wasser zu gehen.

Im Leimonarion des seligen Johannes Moschos gibt es eine Legende über einen heiligen Altvater, der beim Gottesdienst häretische Anrufungen verwendete; gleichzeitig war er so heilig, dass ihm stets die Engel konzelebrierten und er mühelos mit ihnen kommunizieren konnte. Ein Diakon bestand darauf, die Gebetsrufe zu korrigieren, und der Altvater war einverstanden. Für uns ist dabei von Interesse, dass sich Heiligkeit und Häresie nicht immer gegenseitig ausschließen. Im Gegensatz zum frommen Diakon lassen sich die Engel davon nicht irritieren.[13]

Es könnten noch viele weitere Beispiele angeführt werden, in denen betont wird, dass geistliches Leben wichtiger als korrekte Worte ist. In diese Reihe gehören auch die beliebten Erörterungen darüber, dass Gelehrsamkeit und Wissen nichts über die Richtigkeit von Gebeten aussagen usw. Der heilige Theophan der Klausner schrieb: Alle Wissenschaftlichkeit ist kalt. Auch die theologische Wissenschaft ist davon nicht ausgenommen, obwohl sich hier das Objekt selbst, während seine Deutung durch ihre Art und Weise abschreckt, als Objekt zuweilen und unerwartet aufs Herz legen kann. Die Wissenschaftlichkeit ist seelischer Natur, das Gebet hingegen geistlich. Daher liegt beides im Widerstreit.[14]  Evagrius Ponticus definierte Authentizität wie folgt: Wenn du Theologe bist, wirst du wahrhaftig beten, und wenn du wahrhaftig betest, dann bist du Theologe.[15]

Das Problem der orthodoxen Weltsicht in ihrer modernen Form besteht darin, dass, welche Art von Orthodoxie auch immer wir mögen, wir uns innerlich gegen die übrigen Arten wenden.

Die Liberalen glauben, dass die Traditionalisten dem Heidentum näher sind als dem Christentum. Jene wiederum betrachten die Liberalen als Hedonisten, Glaubensschwache, geistliche Faulpelze, Geheimagenten oder Beinahe-Atheisten.

Wenn wir eine wirkliche Einheit der orthodoxen Kirche wollen, brauchen wir ein Paradigma im Denken, das alle orthodoxen Christen als Brüder und Schwestern umfasst. Bislang gibt es ein solches nicht und hat es in der Geschichte der Kirche noch nie gegeben. Jedes Mal verstießen die einen Kriterien des Orthodoxen die Orthodoxie der anderen als nicht völlig orthodox, falsch orthodox oder anti-orthodox. Diese Art, gegenseitige Beziehungen zu entwickeln, ist jeder der vorhandenen Sichtweisen eigen.

Anhänger des Typikon und der Idee von der Unantastbarkeit des Kanons werden sämtliche Früchte, die dem Tun liberaler Christen entspringen, als schädlich und ihre Spiritualität als falsch bezeichnen. Liberale wiederum erweisen selbst die gleiche enge Sichtweise, die sie an ihren Gegnern kritisieren. Als Beispiel will ich einen Gedanken des herausragenden orthodoxen Priesters Alexander Jeltschaninow zitieren: Es scheint mir immer mehr, dass unsere dekorativen, großartigen Gottesdienste aufhören müssen, dass sie inwendig bereits aufgehört haben. Sie sind künstlich, unnötig, ernähren nicht mehr die dürstenden Seelen und müssen durch andere, aktivere und wärmere Arten religiöser Kommunikation ersetzt werden. Wie verschieden sind unsere Gottesdienste, mit ihrem durch die Ikonenwand abgeteilten Priester, der kühlen Distanz des Parketts zwischen den Gläubigen und dem heiligen Altar, den kühlen Luftzügen zwischen einzelnen „Besuchern“ – den Betenden –, mit dem vergeblich herausgetragenen heiligen Kelch und der hartnäckigen Verweigerung des „Herantretens“ – wie unterscheidet sich all dies von den liturgischen Zusammenkünften des apostolischen Zeitalters und der Zeit der Martyrer. Die Religiosität versiegt, dafür wird die Dekoration immer umfangreicher, und je mehr das Brennen der Seelen erlischt, desto heller leuchten das Gold und die elektrischen Kronleuchter.[16] Erzpriester Alexander Schmemann sieht die traditionelle Orthodoxie als „Wache für die Wache“: Manchmal versteht man das bilderstürmerische Pathos, das andere Christen inspiriert, die in diesem brokat-romantischen Nominalismus ersticken.[17] Außerdem schrieben beide dies nicht im neophytischen Eifer eines jungen Klerikers, sondern bereits als reife Pastoren und Denker. Ihre Tagebucheinträge sollten nicht veröffentlicht werden, sie sind eine Art inneres, tiefes Erkennen der Dinge vor Gott. Und in diesen Zugeständnissen sehen wir ebenjene Ablehnung des Nächsten, ein Unverständnis für die Menschen, denen gerade diese Brokatgewänder und die bemalten Gewölbe mehr über Gott sagen als kluge Abhandlungen. Ich denke, schreibt Vater Alexander Jeltschaninow, dass die Kirche den Ballast der Kleingläubigen und Ungläubigen loswerden (wie es sich in Russland vollzogen hat), sich sammeln, sich von fremden Elementen reinigen muss, und dies wird Ihr Strahlen verstärken. Diese Absicht – jeden zu entfernen, der nicht wie wir ist – ist die Geißel sowohl der retrograden als auch der progressiven Linie in der heutigen Orthodoxie.

Erzpriester Alexander Schmemann schreibt in seinen Tagebüchern: Die empirische Orthodoxie ist durchdrungen vom Götzendienst, und das Hauptidol ist sie sich selbst … vom Götzendienst und auch von Angst, Triumphalismus, Narzissmus … Es ist eine Art Legierung, und es ist fast unmöglich, in ihr das Essenzielle herauszuschälen. Sie spricht in einer Art künstlicher Sprache, ohne Bezug zur Realität, es ist weder Liebe noch Freiheit in ihr … Was auch immer die „Orthodoxen“ sagen, sie sprechen ausnahmslos in einem erhaben-dissonanten Ton … Ich würde von all diesem nicht reden, wenn ich nicht überzeugt wäre – und zwar je weiter, desto mehr, sozusagen desto „offensichtlicher“ –, dass in der Orthodoxie alle Wahrheit, alle Antworten, die wahrhaftige Erlösung liegt. Deshalb widert mich in ihrer „Empirie“ das Element einer Art Koketterie so an, eine selbstgewisse eigene Zufriedenheit der Orthodoxen mit dem „Byzantinismus“, der „Antike“, mit aller Art von Stilen, dem Athos usw.[18] In dieser aufrichtigen Klage liegt genauso viel Glaube wie auch Geringschätzung des andersgearteten Teils der orthodoxen Christen. Dabei ist für viele gerade der Triumphalismus wichtig und nicht die kappadokische Synthese, gerade die Furcht und Bestimmtheit, nicht eine eine Wahrheit ohne Worte und ein Symbol ohne Nutzen. In ihrem Eigenverständnis bedeutet ein erhabener Ton Sorgfalt und Hingabe, und die „künstliche Sprache“ ist Ausdruck der Weisheit von Jahrhunderten – ebenjener Weisheit, die Vr. Alexander Schmemann in den zitierten vorwurfsvollen Zeilen vermissen lässt. Christen der Tradition würden ihn fragen: Zeigen Sie mir, wo genau die „ganze Wahrheit“ der Orthodoxie ist, wo man sich „alle Antworten“ auf alle Fragen anhören kann? Sie haben nicht weniger Grund, umgekehrt Schmemann selbst für pathetisch zu halten, da er keine direkten und verständlichen Antworten hat. Man findet eine Absage an Athos, Stil und alle Empirie, aber keine für die Menschen verständlichen Rezepte.

Vr. Alexander Schmemann bemerkt zu Recht eine aufgeregte Zuflucht aller – sei es zu den „Vätern“, sei es zum Typikon oder zum Katholizismus, zum Hellenismus, zur „Spiritualität“, zum Russentum, zum Alltag, zur Alltagsferne, gewiss aber eine Flucht, mehr Verleugnung als Bestätigung, ein Klammern an Stil, Form, Buchstabe, eine Furcht, die die orthodoxe „Welt“ durchdringt.[19] Aber wir können ebenso begründet feststellen: Für jemanden ist es „Flucht“ und „Furcht“, für einen anderen – Gewinn, Trost und die eigentliche Orthodoxie! Schließlich sind Typikon und Rituale nicht nur Bücher, sondern Symbole einer tiefen Verwurzelung in der Weisheit patristischer Erfahrung, in der Spiritualität orthodoxer Prägung sozusagen. Gewänder und Sprache sind nicht nur Kleider und kodierte Informationen, sondern eine symbolische Manifestation des Reiches Gottes auf Erden! Ist es nicht das, worüber die Bücher der Theologen des 20. und 21. Jahrhunderts geschrieben wurden, von N. N. Afanasjev bis D. B. Hart?

Menschen, die keinen Hang zu theologischen Nuancen entwickeln, haben dafür vielleicht eine Neigung, jenseitige Geheimnisse zu erfahren: Was passiert mit der Seele am dritten, neunten und vierzigsten Tag nach dem Tod? Wann ist das Ende der Welt da? Wo leben hellsichtige Altväter? Wer von ihnen ist von der Gottesmutter besucht worden? usw. Auch dieses Wissen ist nicht rein pragmatisch. Es ist eine Form des geistlichen Bedürfnisses in einer eigenen Sprache. Für diese Art des christlichen Bewusstseins sind alle Attribute der Orthodoxie vitalen Interessen untergeordnet; sie sind auf diese Weise alltägliche Realität und kein abstraktes Kaleidoskop von Begriffen. Selbst die Liturgie hat in dieser Dimension eine angewandte Bedeutung; nicht aus Zufall ist das Konzept der „Liturgie im Gedenken an…“ [zakaznaja liturgija] entstanden, die einem bestimmten Bedürfnis untergeordnet ist. Die übrigen Liturgien dienen, in jener Betrachtungsweise, der akuten oder präventiven Sündenvergebung. Für einen Liberalen ist das eine Unzulänglichkeit, einem Orthodoxalen gilt solche Einfachheit als Heiligkeit.

Die Griechen wiederum haben den Gottesdienst mit didaktischen Aufgaben der dogmatischen Theologie überfrachtet, mit der rhetorischen Schönheit verbaler Girlanden und gar mit Anspielungen auf die byzantinische Palastordnung. Die Liberalen wollen das in die heutige Sprache übersetzen – aber es wurde nicht darin verfasst, und für die Praktiker der Spiritualität ist die Übersetzung nutzlos. Deshalb will unsere gottesfürchtige Mehrheit keinerlei liturgische Reform. Alle Reformatoren wollen die liturgischen Texte erneut mit Bedeutungspalisaden aufladen und darin Ideen zum Nacherzählen, zur Erbauung usw. verankern. Die orthodoxalen Christen haben aber diese ganze Reihe von Oktoichen, Menäen und Trioden schon längst für sich selbst in eine langgedehntes „Herr, erbarme dich“ übersetzt, ganz nach dem Wort der heiligen Väter: Alles, was wir tun können, ist es, den Herrn ständig um Gnade zu bitten.

Wie wir sehen, hat sich die Vielfalt als Stolperstein für die Orthodoxen erwiesen. Aber ohne sie ist es für uns unmöglich, außer unserem eigenen Spiegelbild irgendjemanden liebzugewinnen. Mögen doch einige Christen glauben, dass die moderne dekorative Frömmigkeit die christliche Seele nicht nährt. Trotzdem können wir Millionen von Seelen ausfindig machen, die sich genau davon ernähren. Wassili Rosanow betonte einmal, dass ein einfacher Akathistos mehr Menschen vereint als die Eucharistie, und dass die Menschen gerade das Handgemachte, das Heimische der orthodoxen Lebensweise lieben. Die meisten heiligen Seelen kümmern sich nicht um die theologischen Studien irgendwelcher klugen Leute, selbst wenn die orthodox sind. Zugleich werden sie jeden mit Leichtigkeit aus der Kirche verbannen, der es wagt, etwas am Text einer Ektenie zu korrigieren.

Bei aller Richtigkeit beider Linien, die unvereinbar nebeneinander existieren, ist eine gewisse Einseitigkeit ihrer Glaubensdimension nicht zu übersehen. Der berühmte Niels Bohr, der das wichtigste Prinzip der wissenschaftlichen Erkenntnis formuliert hat (das Prinzip der Komplementarität), sagte folgendes: Das Gegenteil einer wahren Aussage ist eine falsche Aussage. Aber das Gegenteil einer tiefen Wahrheit kann eine andere tiefe Wahrheit sein. Es ist unmöglich, aus dieser Situation dadurch herauszukommen, dass man den Schuldigen opfert – sei es der Liberale oder der Konservative. Beide finden eine hinreichende Begründung in der Tradition und Logik der Entwicklung der Orthodoxie.

Moderne Versuche, diese beiden Typen irgendwie in Einklang zu bringen oder zu synthetisieren, laufen im Grunde auf eine monistische Theorie hinaus. Ihr Wesenskern ist, dass alle Arten von Orthodoxie im Wesentlichen das Gleiche sind. Um den anderen zu lieben, nimmt ihm diese Theorie das Anderssein, sie macht den Nächsten zu unserem Spiegelbild – doch so ist es nicht. Wir müssen zulassen, dass andere anders sind. Die leichte Verachtung der Modernisten für die Traditionalisten und die fromme Ablehnung aller Formen von Liberalismus, Renovationismus und Progressivismus durch die Traditionalisten sind wie jene zwei Stiere aus der berühmten Fabel, die sich ineinander verrannt haben. Die Ausweglosigkeit der Situation liegt darin, dass die gewählten Kriterien der wahren Orthodoxie bei beiden Typen nicht geistlich sind, d. h. sie beziehen sich nicht auf geistliche Erfahrung, in der die Unterschiede ihre Bedeutung verlieren. Deshalb beharren modernistische Liberale und retrograde Orthodoxale unisono auf der Überlegenheit ihrer jeweils besonderen Kriterien.

Jesus ist der Erlöser. Drei Modelle des Christentums

Die Theorie vom Erlöser-Gott geht von dem Problemfeld der Heilsnotwendigkeit aus, das eine fast unlösbare Frage aufwirft: Vor wem / was soll man gerettet werden? Genau dieser Aspekt macht jede Antwort unverständlich und in gewissem Maße inakzeptabel. Wir können moderner sagen: Wir müssen uns in Gott verwirklichen, in Ihm stattfinden. Oder: Wir haben die Möglichkeit, von Gott bereichert zu werden, indem wir Ihm unser „Ich“ zuwenden.

Ein Mensch, der nicht persönlich an Gott teilhat, bedarf einer Situation, in der Gott eine Notwendigkeit ist, nicht bloß freier Teilnehmer an unserem Leben. Asketen dieser Sorte versuchen, geistliche Probleme so zu schüren, dass sie ausschließlich mit Gottes Hilfe gelöst werden können. Der geistliche Kampf wird in diesem Fall zur einzigen Verbindung zwischen Gott und dem Menschen. Dies führt zu einer gewissen Künstlichkeit und zu Neurotizismus in der Beziehung zu Gott, man könnte sogar sagen, zum Ersatz Gottes durch die Notwendigkeit seiner Hilfe.

Theologen dieser Art verraten dadurch, dass sie nicht bereit sind, mit Ihm zu kommunizieren, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, unbewusst ihren Unglauben an Gottes eigene Anziehungskraft. Sie bieten uns Christus nur mit vorgehaltener Waffe an, aus der Perspektive des ewigen Hades, anders erscheint Er ihnen sinnlos und unnötig. Die christliche Soteriologie ist in vielerlei Hinsicht von dieser höllischen Motivation durchdrungen: Entweder lass dich von Christus umarmen, oder du wirst in ewiger Verdammnis enden! Aus meiner Sicht demütigt dies den Herrn mehr, als dass es Ihn erhöht. Gewiss besitzt eine solche Konstruktion ihre eigene Logik: Die Zahl derer, die sich durch „Erlösung aus Furcht“ (Jud 23 russ.) zu Christus hingezogen fühlen, nimmt angesichts einer solchen Wahlmöglichkeit um das Hundertfache zu.

Zum Beispiel schreibt der heilige Ignatij Brjantschaninow in seinen asketischen Unterweisungen: Jeder, der an den Erlöser glaubt, muss notwendigerweise seinen Fall und sein Exil auf Erden erkennen und bekennen, er muss dies durch das Leben selbst erkennen und bekennen, damit Bewusstsein und Bekenntnis lebendig und real sind und nicht tot und tatenlos. Andernfalls kann er den Erlöser nicht so anerkennen, wie es notwendig ist! Denn den Erlöser und Retter haben nur die Gefallenen und Verlorenen nötig. Er ist nicht im Geringsten nötig und kann in keiner Weise nützlich sein für diejenigen, die ihren Fall, ihr Verderben nicht anerkennen und bekennen wollen. Den eigenen Sündenfall durch das Leben selbst zu bekennen heißt: alle Leiden des irdischen Lebens als gerechte Vergeltung für den Sündenfall, als natürliche, logische Konsequenz der Sündhaftigkeit zu ertragen und stets allen Wonnen zu entsagen, wie es sich für einen Verbrecher und Verbannten gehört, der Gott erzürnt hat und von Gott verworfen worden ist.[20]

Wie der heilige Ignatij schreibt, braucht eine bestimmte Art von Asketen Christus nur unter der Bedingung ihres Todes, als ihren Retter, im Übrigen wird Er nicht benötigt und kann nicht nützlich sein. Ausgehend von dieser Prämisse besteht der Heilige darauf, dass man sich unablässig als ein Verbrecher und Verbannter ächten müsse, der Gott verärgert hat und von Gott abgelehnt worden ist; das heißt, um in Einheit mit Christus zu sein, muss ständig das Gefühl der Ablehnung, der Schuld usw. bestärkt werden. Ja, aus dieser Perspektive wird Jesus tatsächlich als der einzige Retter und Erlöser erscheinen; doch Er wird nicht vom Gefühl des Verworfenseins erlösen können, Er wird lediglich am Prozess der Erlösung teilnehmen und dabei das Gefühl der Niedergeschlagenheit bei seinen Kindern nur erhöhen.

Jesus Christus predigt die Frohe Botschaft von Erlösung und Freiheit, aber unter seiner Frohen Botschaft wird die Hölle entfacht. In der vulgärsten christlichen Tradition wird Christus „Soter“ genannt (wie man Zeus und einige andere olympische Götter nannte), „Retter“ vor der Hölle. Dies ist ein Überbleibsel des nachexilischen Judentums. Es scheint, dass sich der Abschied vom Judentum in einer Reihe theologischer Fachbereiche stark in die Länge zieht. Etwa wie in dem Witz darüber, was der Unterschied zwischen einem Engländer und einem Juden sei – ein Engländer geht, ohne sich zu verabschieden, der Jude verabschiedet sich, hat es aber nicht eilig zu gehen. Das Judentum lässt also das Christentum in keiner Weise allein, obwohl beide sich längst voneinander verabschiedet haben.

Glücklicherweise ist die Hades-Soteriologie bei weitem nicht die einzige Variante der Theologie. Bei den Aposteln heißt es, dass Christus in den Hades hinabgestiegen ist und dort den Geistern gepredigt hat (1 Petr 3,19; 4,6; Eph. 4,9). Im Osterwort des heiligen Johannes Chrysostomus wird der Hades für zerstört erklärt, niedergelegt, seine Tore aus den Angeln gehoben. Das klingt, als sei die Hölle überwunden. Christus ist gekommen und hat uns vor dem Hades als Konzeption gerettet: Er hat nicht nur ein Heer der Gerechten von dort herausgeführt, sondern den Hades insgesamt zerstört – der jüdische „Scheol“, der römische „Orcus“ und der griechische „Ἅιδης“ werden als Konzepte ausgelöscht. Aber die Christen konnten eine solch wirksame Lehre nicht aufgeben, und bald wurde die Idee etabliert, dass Christus aus einer anderen Hölle rettet, die noch überlebt hat, der christlichen. Wir sagen weiterhin, dass die Hölle zerstört wurde, aber: Wenn jemand sich nicht taufen lässt, wird er verurteilt, und diejenigen, die sich schlecht benehmen, werden in die äußere Finsternis geworfen: Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein (Mt 8, 12). Auf diese Weise treten wir nicht aus dem Alten Testament heraus – das Feuer der Angst ist auch im Neuen gelegt.

Die Gottesfurcht ist etwas Natürliches. Im Arsenal religiöser Erfahrungen gibt es nicht nur die Ehrfurcht, die „Gottesfurcht“ genannt wird, sondern auch die gewöhnliche Furcht, wenn Menschen einfach Angst haben, weil Gott in gewisser Weise gefährlich ist. Im Alten Testament steht das direkt so geschrieben, und auch im Neuen Testament wird die Hölle erwähnt: Dorthin werden die Sünder eingehen, wir vielleicht auch. Das motiviert, erschreckt und erfüllt einen Teil unserer Seele mit Entschlossenheit. Auf der gewöhnlichen Angst vor dem Starken und dem Unberechenbaren kann man missionarische Predigt aufbauen. Aber wenn wir keine Juden oder Heiden sind, sondern Brüder Gottes, dann müssen wir den Weg zur Überwindung dieser Angst weisen.

Der Apostel Johannes schreibt: Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe. Wir wollen lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat (1 Joh 4,18f). Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe (1 Joh 4, 7f). Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und Seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in Ihm bleiben und Er in uns bleibt: Er hat uns von Seinem Geist gegeben … Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm (1 Joh 4,12ff). Wichtig ist hier, die Botschaft nicht in angenehme Zitate zu zerlegen, sondern Jesus Christus in diesem theologischen System (das hier bereits ein anderes System ist!) zu betrachten. Auch hier ist Christus der Retter, aber er rettet nicht aus der schrecklichen Hölle (die Er selbst entzündet hat), sondern aus der Angst vor einer Hölle, in der es „Qual“ gibt, vor dem Mangel an Liebe, der Finsternis genannt wird. Es gibt hier keine Verurteilung eines gewöhnlichen Menschen, der Sättigung, Unterhaltung und Geselligkeit liebt, aber keinen anderen Menschen. Johannes der Theologe sagt über solche wie ihn: Diese Menschen sind im Tod, in der Finsternis (1 Joh 3,14.9-11) – sie sind noch nicht zum wahren Leben auferstanden.

Beim Apostel Johannes rufen gewöhnliche Menschen, die nicht durch die Liebe zu Gott erweckt worden sind, nicht Verdammung, sondern Mitleid hervor. Nicht, dass sie dafür in der Hölle brennen werden, nein, bloß ist dieses Leben kein Leben, sondern ein Herumtappen in der Dunkelheit – „Dunkelheit“ in dem Sinne, dass der Mensch nicht weiß, wohin er gehen soll, weil die Dunkelheit seine Augen verhüllt. Er folgt auf seiner Suche dem Glück, aber was ist das? Einmal scheint es im Geld zu liegen oder im Ruhm, dann wieder in etwas anderem, aber es ist nicht da, man kann nicht einfach danach greifen wie nach einem schwer zugänglichen Gegenstand. Das ständige Streben nach Glück ist eine Sackgasse, weil wir in der Dunkelheit wandeln. Wenn aber ein Mensch lieben lernt, verliert alles andere seine entscheidende Bedeutung. Der Liebende wird reicher, als wenn sein Vermögen verdoppelt würde. Liebe ist in dieser Interpretation die Mitpräsenz Gottes in der Betrachtung des Anderen.

Zuweilen wird das Evangelium auch in Form von Erpressung überbracht. Ein Christ kommt zu einem gewöhnlichen Menschen und sagt: „Du kommst in die Hölle! Viele deiner Verwandten sind schon da!“ – Wenn jemand sagt: „Tu das und das, dann wird alles gut, aber tust du es nicht, dann kommt alles ganz schlimm!“, so nennen wir das Erpressung. Bei Johannes dem Theologen aber finden wir ein System, in dem Christus nicht vor der Hölle rettet und die Hölle überhaupt nicht gebraucht wird, ein System, das den Menschen mehr bietet als die Erlösung von Qualen.

Wir sehen also ein bestimmtes theologisches Modell. Es existiert parallel zu anderen Modellen, die im selben Neuen Testament vorgestellt werden.

Es ist normal, dass das Christentum drei Evangelien gleichzeitig predigt. Sonst wäre es ein Instrument mit nur einem Ton, ein Tänzer mit nur einer Bewegung, Kleidung in Einheitsgröße. Gottes Liebe besteht darin, verschiedene Menschen in Seine Arme zu nehmen und ihnen ihre Unterschiedlichkeit zu lassen, auch im System ihres Denkens.

Das erste Evangelium lautet: Liebe den Herrn, deinen Gott von ganzem Herzen, vergiss dich selbst, folge Ihm nach – es komme, was da wolle! Es ist sowieso bald vorbei.

Das zweite: Wirf das alte Regelwerk der Schriftgelehrten und Pharisäer weg. Sie haben es entstellt und missverstanden. Nimm die neue Version des Regelwerks, das ist die verbesserte, überarbeitete und rechtverstandene – das Neue Testament, verstanden als ein neues Regelwerk.

Und das dritte Evangelium: Wenn du nicht liebst, bist du wahrscheinlich ein guter Mensch, aber du bist nicht in Gott. Du hast keine Liebe, was bedeutet, dass du keinen Inhalt fürs Leben hast. Wir bieten dir die Botschaft der Liebe Gottes, die dich in Ihm entfalten wird. Dann aber wirst du den Sinn des Lebens verstehen und spüren, du wirst aufhören, dem Glück hinterherzulaufen, aufhören, Richtlinien fürs Leben zu erstellen und Menschen in richtig und falsch zu unterteilen.

Alle drei Konzepte werden parallel präsentiert, und manchmal haben normale Menschen den Wunsch zu klären: Was ist das denn nun: das Christentum? Mir scheint, dass dies keine so ganz qualifizierte Frage ist. Sie muss geringfügig modifiziert werden: Was ist das: die Christentümer? Es gibt viele von ihnen, mindestens drei, also kann man nicht sagen, dass die christliche Lehre so und so ist. Jeder, der sich für eine dieser Richtungen entscheidet, wird ein Christ sein und nicht gegen die Schrift sündigen, aber neben sich wird er noch einige andere Arten des orthodoxen Christentums finden; das ist seit undenklichen Zeiten so, es ist normal.

Drei Schulen, drei Stile; wir haben kein Recht, daraus eine Leiter zu bauen. Sie sind nicht folgerichtig miteinander verbunden.

Das eschatologische Christentum etwa (das von der Erwartung des bevorstehenden Weltuntergangs ausgeht) beachtet nicht, dass die Weltgeschichte vielleicht noch zweitausend Jahre oder länger dauern wird. Es zielt darauf ab, jetzt und hier Christus anzunehmen, sich selbst zu verleugnen und Ihm nachzufolgen, um dann in Jerusalem zu warten, bis man mit der Kraft aus der Höhe erfüllt wird. Anschließend kommt der Heilige Geist herab, und es bleibt nur, umgehend allen die Frohe Botschaft zu überbringen, dass alles bald vorbei sein wird. Dieses Christentum hat kein langfristiges Programm. In seiner eschatologischen Sicht ist alles auf die höchste Ethik im „Hier und Jetzt“ gerichtet.

Es gibt aber auch das hierarchische Verständnis dieser drei Modelle des Christentums: eines oben, eines unten und ein drittes in der Mitte. Die heiligen Väter haben eine wunderbare Analogie: Sklave, Söldner, Sohn. Wenn auch hierarchisch, so erweist dieses Konzept doch die Existenz von drei Stufen, also drei Ebenen des Christentums.

Meistens aber wird dieses oder jenes Modell des Christentums so dargestellt, als gäbe es die anderen nicht. In diesem Fall tritt der Effekt des falschen Einverständnisses auf: Jeder lobt die Orthodoxie für das, was er für die einzige Hauptsache darin hält, während alle denken, dass sie über dasselbe sprechen. Anschließend erleben sie schmerzlich die Entdeckung der Polyphonie im Christentum. Daher haben wir kein Recht, die Arten des Christentums abzustufen und zu behaupten, es gäbe ein höheres Christentum (etwa das des Apostels Johannes) und dann noch ein niederes und ein noch niederes.


[1] Men‘, Aleksandr, Vortrag vom 8. September 1990 (in: Christ sein [Byt‘ christianinom], Moskau 1994, S. 361)

[2]  Zur Frage der Haltung des Christentums gegenüber der Gesellschaft (russ. in: Die spirituelle Krise der Intelligenz [Duchovnyj krizis intelligencii], St. Petersburg 1910, S. 209 f.)

[3] Iosif (Volockij), hl. (1439-1515): Der Aufklärer [Prosvetitel‘], Kazan 1857

[4] Zitiert nach: Kalomiros, Alexander: Der Fluss aus Feuer [Reka ognennaja], Moskau 2003 (vgl. dt. in: Der schmale Pfad 12/2005).

[5] Gerontikon (Agathon 5)

[6] Contra Eunomium Lib. 3 (Migne PG 45,571)

[7] De Vita Moysis 2 (Migne PG 44,298)

[8] Kommentar zum Philipperbrief 7 (dt.: Bibliothek der Kirchenväter (BKV) Reihe I Band 35, S. 167)

[9] Kommentar zu den Epheserbriefen 11,4 (dt.: BKV II 15, S. 311)

[10] Kommentar zum Philipperbrief 3,3 (dt.: BKV I 35, S. 35)

[11] Vom jungfräulichen Stande 5 (dt.: BKV I 3, S. 162)

[12] Beistand und Schutz der Allheiligen Gottesgebärerin, in: Manuskripte aus dem Kellion [Rukopisi iz kel’i], Moskau 2008, S. 326

[13] § 199 (dt.: Kloster des hl. Johannes des Vorläufers (Hg.), Chania 2008)

[14] Briefe Nr. 277 (Hier und im Folgenden entspricht die Nummerierung der Ausgabe Sobranie pisem, Moskau 1994)

[15] De oratione tractatus 61 [dt.: Münsterschwarzach 2011]

[16] El’čaninov, Alexandr (1881–1934): Aufzeichnungen [Zapisi], Paris 1938 (russ./engl.: The Diary of a Russian Priest, New York 1997)

[17] Šmeman, Aleksandr: Tagebücher [Dnevniki], am 19. Januar 1977 (dt.: Vater Alexander Schmemann: Aufzeichnungen 1973-1983, Einsiedeln 2013)

[18] Ebenda, 21. Februar 1977

[19] Ebenda, 19. Januar 1974

[20] Brjančaninov, Ignatij, hl.: An die Asketen von heute [Prinošenie sovremennomu monašestvu], russ. in: Werke, Bd. 5, S. 29; dt.: Ed. Hagia Sophia 2022.

Cornelia Hayes Kritik der Leseprobe

Der Autor will, wie wir alle, das Gute. Zwei Missstände machen ihm Sorgen: der Streit zwischen „Liberalen“ und „Traditionalisten“ und was er als pathogene Risiken der geistlichen Therapie der Kirche ansieht. Das Problem: Seine eigenen Lösungen machen die Sache nur schlimmer.

Der Autor schwingt die Keule. Seine Beobachtungen über „das Alltagschristentum“ lassen von der Kirche nicht viel übrig. Was haben wir gelernt, als wir im Focs-Gespräch über „die Kirche“ sprachen? Dass alles, was unser Blick auf die Kirche uns über sie offenbart, mindestens ebenso viel über uns selbst offenbart. Könnte das von Rubskij diagnostizierte Problem der Kirche (oder wie er sagt: des Christentums) im Betrachter liegen?

Rubskij folgt Men’s Diagnose vom Vorbeisein des Christentums. Aber wenn wir heute mit den Heiligen aller Jahrhunderte und mit allen Engeln unsere Liturgie feiern, ist nichts vorbei, alles ist gegenwärtig. Rubskij ist Priester: Wie feiert er eigentlich selbst seine Vorbei-Liturgie?

Natürlich, was er über dich und mich und sich und unsere Fehler und Unzuträglichkeiten sagt, ist immer wahr und beherzigenswert. Aber er geht weiter.

Weisheit will er als Stille. Das ist nicht genau, was Christus als Fleisch-gewordenes Wort den Aposteln mitgab: Lehrt und tauft. Natürlich brauchen wir die Stille als Vorbereitung zum Reden. Und natürlich: Vor der Gotteserfahrung versinkt überhaupt alles Sagbare. Aber das entwertet nicht alles Sagen. Auch die großen Hesychasten wurden wieder heimgeschickt, um den Leuten zu helfen, durch ihr Wort. Auch die Alternative zwischen dem anderen was Aufzwingen und Stillbleiben ist falsch: da gibt es einen Zwischenweg, auf dem das geistliche Kind das Wort des geistlichen Vaters als Geschenk und Schlüssel zur Tür der Erfahrung dankbar mitnimmt.

Besonderen Anstoß nehme ich an Rubskij’s Zitat über das Ketzerverbrennen. Wenn wir einen Menschen lieben (wie wir sollen), so bedecken wir seine Blöße (wie die braven Söhne Noahs), wir machen sie nicht öffentlich. Menschen, sogar Heilige, verfehlen sich. Gewiss, auch die zitierten Fluch-Zitate von Paulus, Polykarp und Johannes Chrysostomos sind harter Tobak – aber auch Christus Selbst hat harte Worte gesagt. Wer sind wir, dass wir da selbst richten wollten? All das de-legitimiert nicht die Tradition, in der wir die Einheit im Glauben zu suchen haben.

Wer aus bedauerlichen Entgleisungen und schwer verdaulichen Aussagen Christi und Seiner Nachfolger auf die Heterogenität der Orthodoxie schließt, sollte sehr sorgfältig erklären, in welchem Sinne er diese letztere behaupten möchte. Wenn die Kirche Hospital für kranke Seelen ist, dann ist die Therapie je nach Patient natürlich divers. Wer auf den Himalaja rauf will, von Norden her, muss Richtung Süden steigen, von Süden her, Richtung Norden. Aber das begründet keine Heterogenität der Bergsteigerkunst. So ähnlich klingt das ja auch bei Rubskij durch, wenn er vor voreiligen Urteilen über „Richtigkeiten“ warnt. Aber er geht zu weit, wenn er von daher einen Gegensatz zwischen dem Weg des logos und dem Weg der Praxis konstruiert: seine Interpretation der Geschichte über Agathon führt irre: Der gibt die ihm zur Last gelegten Sünden nicht tatsächlich als so begangen zu. Noch weniger spielt er die Bedeutung solcher Sünden herunter. Vielmehr ist er bereit, in Demut die schlimmen Vorwürfe auf sich zu nehmen und auf Selbstverteidigung zu verzichten. Gott wird ihn verteidigen. Nur da, wo es um den Glauben geht, steht er in den Stiefeln des Bekenners. Darum protestiert er. Nichts erlaubt die Folgerung „viele Sünden“ seien hier als „nicht so wichtig“ beiseitegelassen. Auf der anderen Seite kritisiert Rubskij das Ethos christlicher Selbstverdammung als pathologisch. Da spiegelt sein Urteil das Urteil der Welt. Wer nur ein klein wenig den Blick auf die göttliche Gnaden-Gegenwart hat werfen dürfen, weiß: Vor der Herrlichkeit dieser Gegenwart wird der Mensch sich ganz von selbst und auch ganz angemessen zum „miserablen Wurm“. Der Kontrast haut einen einfach um.

Eine weitere unkritische Gegensatz-Konstruktion betrifft das apophatische und kataphatische Sprechen über Gott. Niemand hat einen „konsequenten“ Apophatismus gelehrt (wäre ja auch schwierig!). Aber viele haben das Bewusstsein über das Ungenügen menschlicher Sprachfähigkeit als Warnung ihrem Sprechen hinzugefügt. Und solche Warnungen machen das Gesagte eben gerade nicht bedeutungslos, wie der Autor behauptet.  Zwischen Behaupten und Zurücknehmen gibt es ein breites Feld des Demut-inspirierten sich Selbst-in-Frage-Stellens, das das Gesagte nicht außer Kraft setzt, sondern die Hörer in solche Demut hinein einlädt.

Und für eine komplementäre Bevorzugung von asketischer Heiligkeits-Praxis gegenüber der Integrität des Bekenntnisses zitiert der Autor ausgerechnet Tolstoy und Johannes Moschos. Beide nicht gerade verlässliche Repräsentanten der Tradition.

Aus all solchen behaupteten Heterogenitäten schließt Rubskij auf ein „wir“ der dogmatisierten Einseitigkeit, des lieblosen Eiferertums. Sicherlich trifft diese Diagnose auf viele Menschen zu. Jeder orthodoxe Christ ist aufgerufen, solche Versuchungen in sich selbst als unangemessen zu bekämpfen. In der Einladung zu solcher Selbstkritik hätte der Autor sein Ziel einer Befriedung innerkirchlicher Konflikte hilfreich verfolgen können. Dann hätte er allerdings nichts „Neues“ sagen können, sondern ausgelegt, was andere vor ihm lehrten.

Es ist schade, dass ihm genau das nicht reicht. Vielmehr nimmt er sich vor, die „nicht vorhandene“-, ja die noch „nie vorhanden gewesene Einheit der Kirche“ durch ein Paradigma im Denken allererst zu stiften. Der Heilige Geist kommt da nicht vor. Alles falsch gelaufen, hoppla, jetzt komme ich!

Natürlich hat der Autor recht, Alexander Schmemanns Geschimpfe in den Aufzeichnungen zu beklagen. Da wird viel Frust abgelassen, und sicher nicht immer gerecht. Aber derselbe Theologe hat Die Eucharistie geschrieben – und zwar wendet sich auch diese gegen Missstände (den Verlust der Kommunion der Gläubigen). Aber das geschah im Bemühen, solche Fehlentwicklungen geradezurücken.

Im zweiten Teil seines Textes hat Rubskij ein paar Alternativen im Angebot für Leute, die mit Erlösung nix anfangen können: Man sollte sie lieber einladen, „sich in Gott zu verwirklichen, von Ihm bereichert zu werden.“ Damit aber bejaht er eben jene Nützlichkeitsreligion, die sich im Westen totgelaufen hat. Kenosis der Liebe geht, wie Rubskij selbst etwas später zugibt, anders. Gewiss gibt es Theologen und geistliche Lehrer, die für manche Menschen unhilfreich bleiben. Und gewiss geben manche fromme Eltern derart un-Hilfreiches an ihre Kinder weiter. Aber der Autor rechnet überhaupt nicht mit der lebendigen Gnade Gottes, die eingreift, wo Mitmenschen die Dinge verbaseln. Vielleicht ist das eine Berufskrankheit: Zu ihm kommen die Geschädigten. Aber das gibt ihm nicht das Recht, die Frage nach dem Kreuz einfach zu vernachlässigen: Nur auf dem Weg der Annahme des eigenen Kreuzes funktioniert die Erlösung als Befreiung von Angst.

Recht hat er, auf Johannes den Theologen zu verweisen. Aber er hat nicht recht, aus beobachteten Komplementaritäten auf „drei theologische Modelle“ zu schließen, zwischen denen der Christ frei wählen könne. Besser wäre, von drei Perspektiven zu sprechen, die sich notwendig ergänzen müssen, wenn wir als Kirche leben wollen. Recht hat er, wenn er sagt, dass orthodoxe Christen das Modell ihrer Wahl ihren mit-Christen nicht über den Kopf hauen sollen. Unrecht hat er aber, so scheint mir, wenn er das Paradigma der „Wahl“, die jedem zusteht, und der „Toleranz“, die er für seine Wahl einfordern darf, aus dem säkularen in den kirchlichen Bereich überträgt.

Sicherlich kann man über ein ganzes Buch nicht auf der Grundlage eines Ausschnitts urteilen. Vielleicht, wenn wir (russisch-Nichtkönner) das Ganze lesen könnten, würden wir freundlicher urteilen. Aber dieser Ausschnitt macht keinen besonders guten Eindruck auf mich.

Cornelia Hayes

Eine Rezension: Therapieren Sie meine traumatisierte Psyche, Herr Doktor!

So, leicht abgewandelt, heißt es in der vierten Ode des Kanons vor der heiligen Kommunion:

θεράπευσε τα τραύματα της ψυχής μου, Κύριε …

Man wird es nicht den Psychotherapeuten vorwerfen können, dass es einen Markt für sie gibt und dass sie eine Lexik verwenden, die so ureigen christlich ist. Nun hat dieser Berufszweig frei von den Zwängen patristischer Seelenführung sein Menschenbild erschaffen und hilft anstelle der kirchlichen Seelsorger den armen Seelen nach bestem Wissen und Gewissen im Kampf gegen Übervater, Rabenmutter, Schattenkind und alle möglichen Komplexe und Neurosen. Dürfen wir das wegignorieren? Haben die ganzen gestörten Patienten bloß den Weg in die „Heilanstalt Kirche“ nicht gefunden? Die Väter nicht gelesen? Sich selbst zum Gericht kommuniziert? Oder fehlt es vielmehr an „Ärzten“, haben wir „Pfleger zu Ärzten gemacht“ (J. Romanides, vgl. Metr. H. Vlachos: Orth. Psychotherapie, II 1,4), erwartet deshalb gar keiner mehr Heilung von uns?

Von der Antwort auf diese Frage – die durchaus unterschiedlich ausfallen kann – hängt auch die Bewertung einer Strömung in der neueren russischen geistlichen Literatur ab, der Hegumen Petr (Meščerinov) – glaube ich – die Bezeichnung „Coach-Orthodoxie“ verpasst hat und die, zuweilen unbeholfen, versucht, die auf Abwege geratene Seelenheilkunst „Psychotherapie“ wieder orthodoxiekompatibel zu machen. Einer, der dabei wenigstens Christus nicht aus den Augen verloren hat und sich nicht in die Wirrungen von Spiraldynamik und Klangschalen verirrt, ist der odessitische Priester und Psychotherapeut Vr. Vjačeslav (Rubskij). Ich halte sein Buch „Orthodoxe Spiritualität: Reset“ daher für eine angemessene Diskussionsgrundlage (mit einigen „aber“, siehe unten), um sich ernsthaft mit der Coach-Problematik auseinanderzusetzen.

Zum ungefähren Inhalt (long story short):

  • Orthodoxie hat viele Seiten, verschiedene Gläubige gewinnen ihr Verschiedenes ab, aber alles ist notwendig, sowohl die Bewahrung als auch das Infragestellen (siehe hierzu den Textauszug).
  • Christus hat auch infragegestellt, er wollte pharisäische Rechtschaffenheit nicht potenzieren, sondern geistlich negieren. Ebenso Paulus. Ein Rezept auch für uns.
  • Mut zur eigenen Begegnung mit Gott. Ja, Risiken und Nebenwirkungen gibt es. Aber wovon wollen wir sonst Zeugnis ablegen?
  • Die Geistlichkeit der Wüstenväter ist kein (!) Rezept für weltliche Christen, sie führt heute in eine künstliche Parallelwelt und zu seelischen Schäden.
  • Unablässig beten geht sowieso nicht, häufiger Monolog/Dialog mit Gott schon. Dankbarkeit ja, Buße im Sinne von Umgeisten tut not, eigene Sünden und Tugenden soll man nicht überbewerten – Gott liebt alle gleich.
  • Wenn man Gott machen lässt und mutig genug ist, wird man alle paar Jahre kleinere geistliche Revolutionen („Resets“) erleben – nicht im Sinne eines Aufstiegs, eher im Sinne einer Entfaltung des geistlichen Potenzials „in der Ebene“.

Zu drei Punkten will ich Anmerkungen machen:

1. Der Ansatz: Was sind Orthodoxie?

Nein, das ist kein Tippfehler. „Die Orthodoxie“ ist ungefähr so undefinierbar wie „Die Kirche“, auch wenn wir es gerne anders hätten. Der Leib Christi ist unermesslich und der Geist weht, wo er will. Wir könnten produktiver, helfender sein, wenn wir nicht immer wieder von anderen verlangen würden, „die Kirche“ so zu de-finieren, wie wir es für uns selbst tun.

Vr. Vjačeslav beschränkt seine Betrachtung auf zwei „gegenüberstehende“ Blickwinkel, den theoretischen und den praktischen. Der entsprechende Abschnitt ist als Leseprobe oben/ im PDF enthalten. (Ähnliches lasen wir bei der ehrwürdigen Mutter Maria Skobtsova.)

Ich verstehe ihn als Appell, sich nicht (auch nicht intellektuell) die Köpfe einzuschlagen, sondern einfach zu akzeptieren, dass wir verschieden auf „die Kirche“ schauen, nicht „falsch“ oder „richtig“, sondern (in aller Demut) „beschränkt“. Ich wünschte mir, dass wir zuweilen „feststellen, dass die sogenannte ‚meine Meinung‘ aus einem Kaleidoskop von gelesenen Büchern, gehörten Ideen, unbewussten Einflüssen, Gesprächen, Referenzen und Erinnerungen besteht“ (Reset, S. 248) – dann würde uns nicht so oft scheinen, dass wir „die Wahrheit verraten“, wo es doch nur unsere Ansichten sind. So könnten wir die Liebe bewahren.

Cornelia Hayes hat diesen Auszug für uns eingehender analysiert und einige wichtige Kritikpunkte – siehe oben.

2. Die orthodoxe Kunstwelt

Ein real brennendes Thema. Der neu inthronisierte Bischof Hiob von Stuttgart sagt in seiner Antrittsrede:

„Wenn ich das Gesetz Gottes lehre, begegne ich ständig Kindern, die gewissermaßen in zwei getrennten Welten leben und dies normalerweise nicht erkennen. In ihnen sind zwei parallele, aber nicht miteinander verbundene Weltbilder am Werk. Diese äußern sich je nachdem, in welcher Sprache einer mit ihnen spricht oder welche Themen und Konzepte jemand mit ihnen diskutiert. Diese Kinder oder Jugendlichen können zum Beispiel ruhig und mit vollem Einverständnis das Wort des Evangeliums oder der heiligen Väter hören, aber wenn sie auf einen Konflikt mit zeitgenössischen Strömungen hingewiesen werden, beginnen sie zu wiederholen, was sie jeden Tag in der Schule, in den Massenmedien und in sozialen Medien hören …“ (Übers. von Vr. Raphael Blasberg, https://orthoreli.com/2021/12/11/ein-religionslehrer-wird-bischof/)

Vr. Vjačeslav bewegt dieses Thema ebenfalls (und mich! – ich begegne meinen Kindern auch täglich). Er diagnostiziert als Grund für diesen Zwiespalt in der vermeintlichen/gefühlten Notwendigkeit, eine Orthodoxie der Vergangenheit zu leben, mit alten Kleidern, alten Sprachen, alten Regeln, um eine authentische geistliche Entwicklungsumgebung zu schaffen. Da das aber nicht alltagskompatibel ist, tun wir es nur noch sonntags, den Rest der Woche haben wir für Gott keine Verwendung. Der Protestantismus lässt grüßen, die Psychologie aber hat für diese Art Geistesleben recht unangenehme Vokabeln. Vr. Vjačeslav scheut sie nicht. „Rubskij“ kommt von „rubit‘“ = „Holz hacken“ 😉

3. Die Reflexion des eigenen geistlichen Fortschritts

Das anfangs eher theoretisch daherkommende Buch wandelt sich im zweiten Teil zunehmend zum therapeutischen Ratgeber. Vr. Vjačeslav schlägt eine mehrstufige Annäherung an Gott vor, die mainstream-psychologisch mit positivem Denken beginnt und sich über Achtsamkeit und Distanzierung des Ich (= Nous?) von seinen Befleckungen, Gedanken, Gefühlen und Meinungen fortsetzt. So tritt am Ende das nackte, seines alten Menschen entblößte Ich vor Gott und wird dialog- und liebesfähig.

Einer der produktiven Ansätze des Buchs: Als Mönch kann/darf man auf dem way ahead niemals Meilensteine abhaken – „Geschafft!“ zu sagen wäre Zeichen geistlicher Selbsttäuschung und bedeutete zugleich „Versagt!“ – Das Buch gibt weltlichen Christen solche Meilensteine zur Fortschrittskontrolle an die Hand. Die Möglichkeit der Selbstkontrolle auf dem geistlichen Weg wäre ein großes Geschenk an alle geistlich suchenden Weltmenschen. Ist dieser Ansatz nun Segen oder Täuschung? Ich würde mich über eine Diskussion freuen …


Ganz unproblematisch ist das Buch nicht. Den Hang zur Überzeichnung, den auch Cornelia anspricht, kann man nicht übersehen; zudem erscheint die Radikalität des Hinterfragens orthodoxer Altertümer zuweilen aufgesetzt – etwa hätte Vr. Vjačeslav es sich ohne Verlust für das Buch schenken können, Hierarchiekritik zu üben oder das Fastengebet des heiligen Ephraim auseinanderzunehmen. Hier wird man wohl zu Recht Opfergaben an den Zeitgeist vermuten dürfen.

Das Ganze ist durchaus reichlich mit Bibelstellen und Väterzitaten untermauert, wobei sich aber – und das macht dieses Buch in den Augen der akademischen Theologie natürlich zu Makulatur – deren Auslegung öfter eher auf Vr. Vjačeslav selbst stützt als auf die Heiligen Johannes Goldmund oder Theophylakt von Ohrid.

Der Verfasser scheut auch heterodoxe Quellen bis hin zu Nietzsche et al. nicht – „aus den Tiefen der Orthodoxie“ zu schöpfen wäre hier für eine gepflegte innerorthodoxe Auseinandersetzung sicherlich hilfreicher gewesen. Ich hätte ihm einige Brjantschaninow-Zitate liefern können, die genau dasselbe sagen. Etwa zur „Kunstwelt“:

Der Mönch lässt sich mit einer Blume in einem Gewächshaus vergleichen, der Laie dagegen mit einer Feldblume. Auf einem Feld finden wir nicht solch wunderbare und wertvolle Blüten wie in einem Gewächshaus; dafür bedürfen die Blumen im Gewächshaus ganz besonderer Pflege; sie ertragen kein schlechtes Wetter, und bereits geringste Zugluft kann Scha­den anrichten (An die Asketen von heute).

Zurück zum eingangs dargelegten Sprachenproblem. Der Verfasser widmet ihm sein Nachwort über das Verhältnis von Orthodoxie und Psychologie. Die Übersetzung des psychotherapeutischen Erfahrungsschatzes der heiligen Väter in eine Sprache, die den heute Bedürftigen vertraut ist und dieses Wissen produktiv machen kann, erfordert Bereitschaft zum Dialog, und das mit einer Wissenschaft, die sich der Vätersprache bemächtigt und ihr eine eigene Semantik aufgedrückt hat. Die vor allem auch mit jeder Religion dieser Welt ins Bett gegangen ist. Lohnt sich das? Geht es nur um Sprachmittlung, oder gibt es Unüberbrückbares zwischen „Lebe jetzt!“ und „Freuet euch allezeit!“? Vr. Vjačeslav betont, dass ihm dieser Dialog am Herzen liegt. Er merkt an, dass die Dialogkultur innerhalb der (russischen) Kirche noch wachsen muss. Hier bei DOM sind wir da aber Gott sei Dank gut aufgestellt 😉

Ist Coach-Orthodoxie häretisch? Im Sinne einer Ab-Weichung von eingefahrenen Denkmustern und sicheren Pfaden ist sie das wahrscheinlich. Einfach mit der Häresie-Keule totschlagen geht aber auch nicht. Dafür verlieren wir gerade zu viele Bedürftige an die weltliche Seelenheilkunde (Psychotherapie). Ob wir uns der Diskussion stellen, hängt viel von unserer Antwort auf die eingangs gestellte Frage ab: warum so viele dort Zuflucht suchen, nicht nur im Westen. Und auch vom Grad unserer eigenen Not – den müssen wir uns aber eingestehen.

Hans-Peter Arnold

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