Cather, Willa – O Pioneers

170 S.

Meinung

Cornelia meint:

Ich las es später als My Antonia, obwohl es früher geschrieben wurde. Das schwedisch-norwegische Immigranten-Milieu im Unterschied zu böhmisch-französischen. Alexandra managt nach Vaters Tod die Farm, die jüngeren Brüder, kein Kopf, sollen ihr gehorchen. Und sie opfert alles für den Kleinen, Emil, damit der zum College gehen kann und wegkommt vom Pflug. Zugleich ist sie selbst aber dem Zauber der Erde verfallen, sie hat ihr eigenes (relativ einsames, denn Jugendfreund Carl hat mit seiner Familie aufgegeben und ist weg) zielstrebiges Leben damit verbunden. Carl kommt zurück, und sie würde ihn gern heiraten, aber ihre Brüder, die für die eigenen Kinder erben wollen, vertreiben ihn als Nichtsnutz. In diesem Konflikt ist was schief: Die Brüder sagen: das Land sollte den Männern unterstehen. Sie sagt: nur durch meine Klugheit habt ihr nicht aufgegeben und seid reich geworden. Wir haben das Land unter uns aufgeteilt, – meins ist meins.  Aber hinter beidem, so meine ich, steht die Verpflichtung der Familie gegenüber: Natürlich sollte eine Frau, die spät heiratet und keine Kinder hat, nicht ihrem Mann ein Land hinterlassen, dessen ursprünglicher Besitz in den Mühen der verstorbenen Eltern lag.

Diese Eltern, die Einwanderer, sind immer präsent: bei den Nachkommen wird nach Ähnlichkeiten gesucht. Nur Emil hält die Flagge des Großvaters hoch: der auswanderte, um reich zu werden, um das Geld, das sein Vater den armen Seeleuten weggenommen (veruntreut) hat, denen zurückzugeben. Die Schande der Familie auszulöschen. Da wird nix draus, aber selbst Emil, während er noch unklar über seinen Lebensweg ist, sieht ein: sowas würde dem Leben Sinn geben.

Eine andere Seltsamkeit ist Alexandras Unfähigkeit, die seelische Grausamkeit von Frank zu sehen. Der hatte Marie, die ihn liebte und deren Frohsinn ihm unerträglich war, aus eigener Unzufriedenheit brechen wollen. Aber sie brach nicht. Sondern liebte Emil, und beider tugendsamer Widerstand jahrelang, bricht endlich zusammen – Frank erschießt sie und landet im Gefängnis. Alexandra, die alles verloren hat mit Emil, will ihn da rausholen: Er sei nicht schuld. Völlige Blindheit von ihrer Seite. Oder vielleicht steht da das Bewußtsein im Mittelpunkt, dass sie das Verhängnis hätte kommen sehen und hindern sollen, statt es unbedacht zu fördern. Ja, das muß es wohl sein.

Kann ich es glauben? Fange ich jetzt an, den Ehebruch zu rechtfertigen aus bloßem Mitgefühl? Mir gefällt Alexandras moralische Härte nicht. Aber mir gefällt mein Mitgefühl auch nicht. Noch ärger ist, daß in der frommen Ekstase, die Emil im Erstkommunionsgottesdienst erlebt, ihm eine Liebe ohne Sünde vorschwebt, die – ebenso wie die Musik – Frank nichts nehmen würde, da er ja all das Schöne gar nicht wahrnehmen kann. Cather belässt es beim Antippen, aber es wird schon deutlich, wie nach diesem Erlebnis dennoch eine unwiderstehliche Sehnsucht in ihm wächst, die den Ehebruch unvermeidlich macht.

(Interessant übrigens die Parallele zu Dostojewskis Die Sanfte).

Schön die Gestalt des Halb-Irren Natur-Narren Ivar, der ab und zu heulend durch die Nacht jagt, wenn Gott ihn „berührt“ hat. Der aber alle Tiere heilen kann und Alexandras treuester Freund wird. Wie sie zu ihm hält, als die Nachbarschaft ihn ins Heim schicken will.

Am Ende kommt Carl, der von ihrer Not gehört hat, und kann sie nun, da sie ihn braucht, auch heiraten. Da wird der Traum, der ihr ganzes Leben begleitet und der nach Emils Tod wie eine Todessehnsucht aussieht (getragen werden von Starken Armen) dann doch noch ins Leben umgewendet. Das ist künstlerisch irgendwie nicht stimmig.

Hauptperson ist sicherlich die Erde, das Land: Lange hat es sich gewehrt gegen menschliche Mühen. Und dann ganz plötzlich seine Fruchtbarkeit entfaltet. Die reichen Leute wussten das: sie haben in Land investiert, wann immer die erschöpften Pioniere aufgaben. Die gingen in die Stadt und verloren ihren Ort in der Welt. Alexandra hielt durch, fähig von „den Reichen“ zu lernen. Und damit ist also doch das Land nicht mehr die Hauptperson, sondern die Tugend, das Durchhaltevermögen, und die Liebe zum Land (wie bei Ivar die Liebe zu den Tieren). Und die Tapferkeit, die Treue, und Bereitschaft zur friedlichen Resignation. Die katholische Kirche ist Lebensmittelpunkt für die Franzosen, – aber viel bewirken tut sie nicht. Und dann bleibt doch wieder nur das Land übrig, und die Menschen unter den Grabsteinen, über denen das Gras sich im Wind bewegt.

Im ganzen sehe ich es als informativ über die Pionierzeit, und vergnüglich und spannend zu lesen.

Hist

Info

Erscheinungsjahr20. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorCather, Willa

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