Bericht von der FOCS-Tagung im November 2023

Was meinen wir eigentlich, wenn wir in der Großen Fastenzeit im Gebet des Heiligen Ephraim des Syrers um den „Geist der Enthaltsamkeit“ bitten? Und dies als Weltkinder und (potentielle) Eheleute tun?

Wer hier nicht gut Bescheid weiß, hat es doppelt schwer, mit seinen kirchlichen Fastenregeln in der lieben Umwelt durchzukommen. Und er hat es schwer, mit dieser nicht-orthodoxen Umwelt über gesellschaftliche Probleme (Abtreibung, assistierter Suizid, sexuelle Diversitäten) zu reden: Denn mit den moralischen Argumenten, die in dieser Umwelt verstanden werden, kommen wir nicht weiter: Mit philosophischen Gründen kann man alles und sein Gegenteil auch beweisen.

Und wenn wir mit O-Ton „Askese“ herausrücken, treffen wir auf ein inzwischen weitgehendes Ressentiment gegen christliche Vorschriften, und hier besonders auf den Vorwurf ihrer (im Westen) traditionellen Leib-, Lust-, Lebens- und Frauenfeindlichkeit (Zwangszölibat und Klerikalismus), ihrer „schwarzen Pädagogik“ (Höllenstrafen und Himmels-Hoffnungen), ihrer Moralfimmelei und ungelöste Theodizee-Frage (göttlicher Tyrann der Gnaden-Willkür). Wir treffen auf Vorstellungen vom Christentum als Bollwerk gegen die allgemein erwünschte und als berechtigt anerkannte Selbstentwicklung, Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung und Anerkennung selbst-gewählter Identitäten. 

Unser Zusammenkommen in der neuen Kirchen-Baustelle bei Vater Stefan in Offenbach nahm sich also zweierlei vor: Einerseits galt es, ein wenig Klarheit darüber zu gewinnen, warum solche Vorwürfe ein gewisses Maß an Berechtigung haben, aber nicht die Kirche der Apostel selbst treffen, die in der Orthodoxie bis heute lebendig ist. Andererseits wollten wir an den Quellen der Theologie ein besseres Verständnis unserer eigenen Askese gewinnen, damit wir, wenn wir schon mit Reden niemanden über-zeugen, doch durch unser Leben das richtige Bemühen wenigstens be-zeugen können. Zumindest ab und zu. Und dabei selbst weiterkommen.

Das erste Vorhaben führte uns auf den gewaltigen, zugleich vielfach in sich widersprüchlichen Einfluss des Seligen Augustin, des Bischofs von Hippo auf die westlichen Konfessionen. Das Vorhaben nahm das Symposiums über die Jungfräulichkeit des Heiligen Methodius von Olympos in den Blick (keine Sorge, diese Jungfrauen zeigen viel Verständnis für die Ehe!), ebenso die Einrichtungen für die Klöster, die der Heilige Johannes Cassianus nach Training in Palästina und Ägypten in der Gegend von Marseille errichtete, und die Genesis-Predigten des (unübertroffenen) Heiligen Johannes Chrysostomos. Vater Stefan, unser Gastgeber, „erdete“ uns zwischendurch mit humorvollen Einwürfen voll geistlichem Hintersinns, Vater Georg warf immer dann, wenn ihm das Eheleben zu Gebets-lastig dargestellt wurde, Zitate aus der Krönung über die Freude der Eheleute in die Runde, und Vater Constantin Prihoanca füllte kenntnisreich meine eigenen Wissenslücken. Ohne priesterliche Unterstützung kann man solche Gespräche überhaupt nicht wagen!

Ohne leibliche Fürsorge aber auch nicht. Und hier sprangen, nachdem Rodica (unsere Gastgeberin seit vielen Jahren) verhindert war, Valeria Olaru, Franziska Stummer und Köchin Ana hilfreich ein. Ein großer Dank ihrer wunderbaren Organisation und Verpflegung.

Den Schluss bildete ein gemeinsamer Austausch über von den Teilnehmern selbst ausgewählte Ratschläge des Heiligen Markus des Asketen aus den Zweihundert Kapiteln über das Geistige Gesetz. Die Teilnehmer fanden das lockere Miteinander gut, aber ich hatte ein bisschen schlechtes Gewissen hinterher: Es ist besser, wenn unsere Klosterväter solche Sachen mit uns lesen. Nur – die kriegt man halt nicht so leicht dazu.

CH

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