Wer barmherzig zu sich selbst ist, indem er Reue annimmt, der wird auch barmherzig zu seinen Nächsten sein.
(Ask. Erf. I 27)

Ein Projekt mit Unterstützung von DOM

(Update vom März 2024)

Über mehrere Jahre arbeiteten DOM-Mitglieder an diesem Projekt: der Edition wichtiger Werke des heiligen Bischofs Ignatij Brjantschaninow (19. Jh.) – eines der größten russischen Heiligen der neueren Zeit, der sich intensiv wie wenige andere der asketischen Praxis des orthodoxen Christseins gewidmet und die Lehren der Wüstenväter in heutige Verhältnisse „übersetzt“ hat.

Nun ist mit der Herausgabe des 6. Bandes die Edition vorerst abgeschlossen. Das Projekt aber geht weiter: mit Internetveröffentlichungen auf der Website und anderswo. Denn der Schatz ist zwar nun freigelegt, aber vielen nach wie vor unbekannt. Doch um ihn zu heben, muss man von ihm wissen: Die Schriften des Heiligen bekannt zu machen, wird also weiter unsere Aufmerksamkeit beanspruchen.

Mit den Bänden 5 und 6 liegen die meisten Texte aus der Sammlung „Asketische Erfahrungen“ des hl Ignatij nunmehr in deutscher Sprache vor. Diese Texte sind nach der Intention des Heiligen an fromme Christen gerichtet, die eine verlässliche patristische Grundlage für ihre geistliche (noetische) Praxis suchen. Sie wären also, wenn man sich auf den vom hl Ignatij beschriebenen Weg begibt, als erstes zu lesen.

Es sind Texte, die in verschiedener Zeit und für unterschiedliche Adressaten verfasst wurden und eine reizvolle stilistische Vielfalt besitzen. Die Anordnung in unser Edition ist dabei etwas eigenwillig, weil die Schriften zum Thema Gebet in Band 5 zusammengefasst wurden, die Schriften zu anderen Themen in Band 6.

Wie stets, so wird auch der letzte Band von Texten und Informationen auf der Website Ignatijde begleitet. Neben einigen Leseproben sowie Texten, die nicht in die Printausgabe aufgenommen werden konnten, gibt es dort auch eine Gesamtübersicht als Wegweiser, welche Texte in den russischen und deutschen Ausgaben in welchem Band zu finden sind.

Cover Band 5
Cover des 6. Bandes

Der heilige Bischof Ignatij wirkte in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zentrales Thema seiner Schriften ist das asketische, gottgefällige Leben in der heutigen Zeit nach den Lehren der heiligen Väter. Für viele russischsprachige orthodoxe Leser ist er die „erste Wahl“ auf der Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens und dem „Wie“ der eigenen Anstrengungen zu einem christlich-orthodoxen irdischen Lebenswandel. Warum?

Wichtigster Grund ist wohl die Geradlinigkeit und Ernsthaftigkeit der Lehre, die der Heilige entwickelt: Nichts daran ist Spekulation, nichts im Widerspruch zu dem, was auch schon anderthalb Jahrtausende vor ihm Menschen auf den schmalen Weg ins Himmelreich geführt hat. Streng entlang der „Philokalie“, der „Himmelsleiter“ des heiligen Johannes Klimakos und anderer Schriften großer Kirchenväter, etwa des Johannes Cassianus, des Abbas Dorotheos oder des heiligen Makarios, führt der heilige Bischof Ignatij aus, was auf diesem Weg unumgänglich ist: Beten, Fasten, asketische Werke, Studium der Heiligen Schrift und der Väterschriften, das beständige Eingedenksein der eigenen Sterblichkeit.
Dabei bedenkt er bei all diesen Aspekten frommer Askese stets, ob sie in der heutigen Zeit überhaupt so wie damals noch praktikabel sind, und gibt Empfehlungen zum rechten Maß dieser Praxis. Ausnahmslos alle seine Ratschläge schöpft er aus eigener Erfahrung strengen monastischen Lebens – und dieses Erfahrungswissen macht den großen Wert des Heiligen für uns aus: Er lässt uns nicht mit der „Philokalie“ allein, sondern „aktualisiert“ für uns den dort enthaltenen Erfahrungsschatz, warnt davor, sich etwa leichtfertig in den Gehorsamsdienst von „Altvätern“ zu begeben, sich zu starke Fastenregeln aufzuerlegen oder die physische Askese ohne entsprechende seelische Heranbildung zu betreiben.

Ein weiterer Grund, den heiligen Ignatij Brjantschaninow „zu mögen“, ist die Sprachkraft seiner teils geradezu poetischen Werke – etwa des „Klagelieds eines Mönchs“ (Band 1 der Reihe) mit seiner berührenden, an den heiligen Andreas von Kreta erinnernden Bußreflexion der Klagelieder des Jeremias aus dem Alte Testament. Keiner seiner Texte ist trocken-theoretisch, und auch die tiefsten Geheimnisse der menschlichen Seele werden bei ihm verständlich und nachvollziehbar – etwa ihre triadologisch verfasste Geistkraft und deren anarchischer Zustand beim „alten Adam“, also bei uns allen. Denn nur wer erkannt hat, dass er Heilung für seine Seele benötigt, fängt überhaupt erst mit der Askese an.

Die Bände der Reihe spiegeln verschiedene Facetten der Lehre des heiligen Ignatij wider:

Band 1 „Klagelied eines Mönchs“ enthält neben der Schrift, die dieser Ausgabe ihren Titel gab, Texte über das Gebet und über das Mönchtum. Dieser Band ist als Einstig gedacht, um einen Überblick über die Dimensionen des Schaffens des heiligen Ignatij zu vermitteln.

Band 2 „Über den Menschen“ umfasst Texte, in denen der heilige Bischof der Frage „Wer sind wir, und was ist unsere Aufgabe auf Erden“ nachgeht. Die Texte behandeln das christliche Bild vom Menschen (als einem Gefäß, bestimmt zur Aufnahme des Heiligen Geistes), die Lehre von den Geistwesen und vom Tod.

Band 3 „An die Asketen von heute“, erschienen zum 215. Geburtstag des heiligen Ignatij, enthält den größten zusammenhängenden Text, den der Heilige verfasst hat – sein Vermächtnis an alle, die sich für seinen -unseren- Weg zu Gott interessieren: eine umfassende Sammlung von „Ratschlägen“ an junge Mönche und Novizen, die gleichwohl auch allen Nicht- oder Noch-Nicht-Mönchen von Nutzen sein können, die ihr Leben als Kampfplatz und Feld der Bewährung verstehen – Bf. Kallistos (Ware), der diesen Text ins Englische übertragen hat, verwendete den Titel „Arena“ dafür.

Band 4 „Briefe an Laien, Verwandte und Freunde“ enthält 200 Briefe (teils in Auszügen) aus allen Lebensphasen des Heiligen. Gerade die persönlich gehaltenen Briefe im zweiten Teil des Bandes gewähren einen „Blick in die Seele“ des großen russischen Asketen und zeigen, wie er mit den ihm selbst gesandten Prüfungen umgeht, wie individuell seine Ratschläge und Fürsorge für die ihm Nahestehenden sind. Ein guter Einstieg für den „weltlichen“ Leser.

Der Band 5 „Vom Gebet“ versammelt alle wichtigen Texte aus den beiden Bänden „Asketischen Erfahrungen“ der Gesamtausgabe zu dem zentralen Thema Gebet. Die meisten Kapitel richten sich an Laien, betrachtet werden alle Aspekte des gemeinschaftlichen und individuellen Dialogs mit Gott.

Der Band 6 „Vom Glauben“ enthält weitere Texte aus den „Asketischen Erfahrungen, die der Heilige aus unterschiedlichen Anlässen verfasste und vielen Aspekten der frommen christlichen Praxis widmet: Reflexionen über das „Buch der Natur“, über Leben und Tod, über die hohe Berufung von Geist und Seele, die Hauptleidenschaften, die ihnen entgegenwirkenden Tugenden und die Voraussetzungen für ein gelingendes Gebet – nämlich Reue, Vergebung und Aufmerksamkeit – … und vieles andere mehr.

Damit ist das Print-Projekt, was wir selbst sicher anfangs nicht so ganz glauben konnten, vollbracht. Nicht alle Texte konnten Aufnahme finden, und momöglich gibt es ja auch irgendwann nochmal einen Ergänzungsband …
Doch erst einmal soll nun die Verbreitung von Informationen über den Heiligen und seine Schriften im Vordergrund stehen. Denn es gibt ja auch noch:

Das Projekt beschränkt sich nicht darauf, „nur“ Bücher zu drucken, sondern will dazu beitragen, den (etwa im Vergleich zum heiligen Theophan dem Klausner) im deutschen Sprachraum noch wenig erschlossenen Heiligen bekannt zu machen. Dazu gibt es eine eigene Website Ignatij.de, auf der ergänzende Texte, Leseproben und Informationen über den Heiligen veröffentlicht werden, dazu Übersetzungen von Vorträgen und Aufsätzen, aus denen seine heutige Rezeption in der Orthodoxie deutlich wird.

Beispielsweise haben wir auf der Website unter dem Titel „Contra Herzen“ einen Schlagabtausch des Heiligen mit dem „Westler“ Alexander Herzen, nachdem der ihn in seiner Exilzeitschrift „Glocke“ als „Sappeur in Christus Ignatij“ verunglimft hatte.

Auch solche „Perlen“ wie der Austausch zwischen dem hl. Feofan und dem hl. Ignatij über die Substanz der Seele gehören dazu.

Der Briefwechsel mit den Optina-Starzen bildet das nächste, historisch wie auch theologisch interessante Veröffentlichungsthema für die Website.

Außerdem gibt es viele bedenkenswerte Sprüche und Zitate des Heiligen, die sich auch gut in social media teilen lassen. Hier eine Auswahl:

Zwischendurch haben wir dann noch eine bislang nicht deutsch veröffentlichte Erzählung von Nikolai Leskow „ausgebuddelt“, in der sich der bekannte russische Schriftsteller mit dem „edelmütigen Ingenieur“ und seinen idealistischen Kameraden von der Kadettenschule für Bauingenieure auseinandersetzt. Er stützt sich dabei nach eigenen Aussagen auf das Zeugnis von Zeitgenossen – es handelt sich also um eine realitätsnahe Wiedergabe der Gegebenheiten jener Zeit, die den heiligen Ignatij und seine Mitstreiter veranlassten, der Festungsbaukunst und dem Militär überhaupt den Rücken zu kehren. Wirklich geändert hat sich seitdem wenig – als orthodoxer KDV darf man wohl guten Mutes diesen Heiligen um seinen fürbittenden Beistand anflehen.

Die ersten paar Kapitel finden Sie als Leseprobe auf der Website Ignatij.de.

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