Ein Faltblatt von Erzpriester Johannes Nothhaas (†)

Nachfolgend ein katechetischer Text unseres ehemaligen Vorsitzenden. Solche Texte auf einem Blatt hatte Vr. Johannes zu vielen Themen bereit, um den Kern der christlichen Lehre verständlich zu machen. Der DOM-Verein beabsichtigt auf dieser Grundlage in der nächsten Zeit die Veröffentlichung einer bearbeiteten Auswahl dieser Texte als Flyer.

Die Frage nach dem geistlichen Amt oder den geistlichen Ämtern schließt ein das Thema der Vermittlung des Heils an die Menschen. Eine unter evangelischen Christen verbreitete Meinung ist, dass wir als Gottes Kinder direkten Zugang zu Ihm haben und menschlicher Vermittler nicht bedürfen. Menschen in der von Gott abgefallenen Welt können unsere Gottesbeziehung nur stören.

Nun lässt sich jedoch nicht übersehen, dass die von Gott Selbst angesprochenen Menschen (z.B. Moses und die Propheten) den Dialog zwischen Gott und dem Volk Israel führen sollten. Sie wurden durch besondere Berufung in diesen Dienst gestellt (die Berufung Moses durch die Stimme Gottes aus dem brennenden Dornbusch – Ex 3; die Berufung des Propheten Jesaja im Tempel – Jes 6; die Berufung des Propheten Jeremia – Jer 1). Es gibt im Alten Testament keine Propheten ohne Berufung in den prophetischen Dienst. Sie sind berufene Diener, und von Gott Gesandte, mit der jeweils aufgetragenen Botschaft Gottes an das Volk Israel. 

Nicht anders geschieht es im Neuen Bund, als der Gottessohn nach Seinem ersten öffentlichen Auftreten den Kreis der zwölf Jünger als Boten zur Verkündigung des Gottesreiches beruft. Aus diesem Handeln Gottes ergibt sich für beide Testamente, dass Gott Selbst es ist, der durch Berufungen ausgewählter Menschen als Vermittler bedient.

Das Verhältnis Jesu zu den Jüngern ist das des Lehrers zu den Schülern. Bei der Fußwaschung der Jünger am Abend vor Seinem Leiden sagt er zu ihnen: Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, und ich bin es auch, Joh 13, 13. Gerade an dieser Stelle wird das Prinzip der allgemein menschlichen Gleichrangigkeit in doppelter Weise durchbrochen und überboten. In seinem „Herr-und-Meister-Sein“ unterwirft sich Jesus dem Dienst der Fußwaschung. Hier verbindet sich das Herr-Sein mit einer die Ungleichheit aufhebenden Herablassung; sie besteht im Dienst an den Menschen.

Das Matthäusevangelium macht den Dienst der Jünger in der Nachfolge des Herrn in seinem spezifischen Aufbau deutlich. Schon die Zwölfzahl der Jünger lässt erkennen, dass es sich nicht um eine zufällige Form der Organisation von Menschen handelt. Sie stehen in Analogie zu den zwölf Stammvätern Israels im Alten Bund und weisen hin auf das neue Israel.

In den drei Kapiteln der Bergpredigt erfahren sie den Inhalt der Verkündigung des Himmelreiches (Mt 5-7) und in den beiden folgenden Kapiteln die Praxis der Krankenheilung und Austreibung von Dämonen, mit der der Herr Seine Botschaft in Vollmacht bestätigt. Sie stehen als Jünger in einer Ausbildung für das apostolische Amt. Am Anfang von Mt 10, 1-8 geschieht ein Dreifaches mit ihnen:

  1. eine namentliche Berufung (V 2),
  2. eine Ausrüstung mit Vollmacht zur Verkündigung und Krankenheilung,
  3. eine Sendung, beides auszuführen (Mt 10, 1-8).

Für diesen Auftrag werden die Jünger nun in Vers 2 ausdrücklich „Apostel“ genannt (Mt 10, 2). „Apostolos“ ist  das  griechische Wort für das hebräische Wort „Schaliach“, das mit dem deutschen „Gesandter“ zu übersetzen ist. Im Hebräischen ist es eine Amtsbezeichnung. Dieser Titel enthält für seinen Träger die Ausstattung mit einer ganz besonderen Vollmacht: nach jüdischer Rechtsauffassung wird wie folgt definiert: „Der Gesandte eines Menschen ist wie dieser selbst“ (Berachot 5, 5 u. ö.). Die Grundlage des neutestamentlichen Apostolats in der Gesamtheit seiner Erscheinungen ist eben dieser rabbinische Satz, dass „der Apostel eines Menschen wie dieser selbst ist“ (Karl Heinrich Rengstorf, Apostolat und Predigtamt, 12). Man bedenke, was das für den Apostel heißt, wenn man nach diesem Satz den Sohn Gottes an die Stelle des Gesandten setzt.

Bestätigt wird diese Vollmacht der vom Herrn gesandten Apostel in den Worten Jesu, als er den versammelten Jüngern als der Auferstandene erscheint und zu ihnen spricht: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Die Worte: Wie mich der Vater gesandt hat, …  umschreiben die Vollmacht, mit der Er das nahe herbeigekommene Gottesreich verkündet, die Kranken geheilt, Dämonen ausgetrieben, Tote auferweckt, selbst den Tod überwunden hat und unter die Lebenden zurückgekehrt ist. Dieser Satz zeigt ferner, dass seine Sendung in Gott ihren Anfang und Ausgang hat und nun von ihm in gleicher Vollmacht und Verbindlichkeit an die Jünger weitergeben wird. Hier wird deutlich, was der jüdische Rechtssatz: „Der Gesandte eines Menschen ist wie der Herr selbst“ meint, wenn er Seinen göttlichen Auftrag an die Jünger weitergibt und sie so zu Seinen Gesandten gemacht hat.

Dass der Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums und die Feier der vom Herrn eingesetzten Sakramente keine rein organisatorische Angelegenheit ist, wird deutlich an dem Satz, der unmittelbar auf das Sendungswort folgt: Und als er dies gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben; und  welchen  ihr sie  behaltet, denen sind sie behalten (Joh 20, 22-23). Die Gabe des Heiligen Geistes für die Ausübung des apostolischen Amtes geschieht mit der pfingstlichen Geistausgießung, der die verliehene Vollmacht für den universalen Auftrag freisetzt.

Jesus spricht zu seinen Jüngern

Dass die Jünger mit dieser Sendung und Geistverleihung in einem besonderen Auftrag und Amt stehen, wird ferner deutlich durch die Vollmacht zum Sündenvergeben und Sünden-Behalten. Das Sünden-Vergeben und das gegenseitige Verzeihen ist der Auftrag eines jeden Gläubigen. Nicht aber das Sünden-Behalten. Denn nicht allen Christen, sondern nur den zu diesem Auftrag und Amt besonders berufenen Dienern kommt diese Funktion zu. Aus diesem geistlichen Auftrag ist das Sakrament der Beichte mit der Lossprechung von den Sünden entstanden.

Am Aufbau der ersten 10 Kapitel des Matthäusevangeliums lässt sich die Begründung der apostolischen Struktur der Kirche erkennen. Die Gleichrangigkeit der Menschen vor Gott nach der Schöpfungsordnung geht zusammen mit der von Gott gestifteten Heilsordnung der berufenen Diener.