Alexis, Willibald – Die Hosen des Herrn von Bredow

(1848 | 270 S.) Ich bin verwirrt von diesem Buch. Einerseits empfinde ich vieles als trivial und plakativ, also die Figuren als Ideenträger. Andererseits kam ich doch nicht davon los, weil mich das Zeitgemälde aus dem frühen 16. Jh. mit all seinen Aberglaubereien und seiner dünnen christlichen Haut drüber interessierte: genau sowas hatte Heinrich Heine ja immer beschworen, wenn er das germanische Christentum vom romanischen unterschied.

Meinung

Cornelia meint:

Ich bin verwirrt von diesem Buch. Einerseits empfinde ich vieles als trivial und plakativ, also die Figuren als Ideenträger. Andererseits kam ich doch nicht davon los, weil mich das Zeitgemälde aus dem frühen 16. Jh. mit all seinen Aberglaubereien und seiner dünnen christlichen Haut drüber interessierte: genau sowas hatte Heinrich Heine ja immer beschworen, wenn er das germanische Christentum vom romanischen unterschied.

Aber was mich völlig verblüfft ist, dass die ersten 12 Kapitel sozusagen die Außenseite der Geschichte unterhaltsam darstellen, dann aber ab Kap 13 die Vorgeschichte des Erzählten in dichterischer Freiheit beschrieben wird. Da wird über die offizielle Politik ein Schleier des Höchstpersönlichen gelegt – und das alles von historischer Kenntnis getragen.  Ich finde das historisch interessant, strukturell verwirrend, – aber dabei kommt eine Art Entdeckungsreise raus, wie bei einem Krimi, weil man die Schlüssel für die historischen Ereignisse in der persönlichen Hintergrundsdichtung aufzufinden meint.

Donahue hat einen Aufsastz über Elias Canettis Autodafé geschrieben, in dem die Hosen als das Urbild einer historischen Literatur vorkommen, die einer Identitäts-armen Nation Erleichterung bringen soll, die Jugend begeistern, und reaktionäre Grundlagen gegen die Moderne in Stellung bringen. Soll alles auch für Freytag und – unfair, finde ich – Fontane gelten. Das alles mag ja stimmen. Aber da ich von der Moderne nicht so begeistert bin, wie Canetti dies zu sein scheint, finde ich seine Vorwürfe für heutige Zeiten nicht mehr nachvollziehbar. Wenn ich daran denke, welche Geschichten die Enkel lesen sollten, dann freut mich eine Frömmigkeit, die zwar weitgehend schon moralisiert wurde, – aber immerhin. Da klopft das Gewissen ans Herz, und viel abergläubisch Christliches, auch wenn nur dünner Firnis über dem noch lebendigen Heidentum, wirkt doch heilsam in die Geschicke der Menschen hinein.

Ganz im Gegensatz zu dem, was Canetti in den Hosen dargestellt sieht, genieße ich in historischen Romanen gerade dies, dass entgegengesetzte Interessen gleich überzeugend vorgetragen werden. Natürlich hat Canetti recht, dass Kurfürst Joachim der Prophet einer neuen Zeit ist, und seine märkischen Adeligen zurückgebliebene Rauhbeine. Aber zweihundert Jahre später bin ich geschult in der kritischen Betrachtung jener Moderne, die Alexis damals so begeistert herbeisehnte, und ich sehe, was der preußische Geist so alles an Risiken mitgebracht hat. Da eröffnen mir seine Märker Identifikations-Angebote, die eher zu libertären Sympathien führen. Denn welches Recht hat der Fortschritt, sich einfach so mit Gewalt rückschrittlicher Länder zu bemächtigen, die nicht darum gebeten haben. Und da stehen wir mit diesem Buch über Deutschland im 16. Jh mitten in der heutigen Kolonialismus-Diuskussion.

Bei aller Lektüre ist mir wichtig, mit dem Autor in ein Gespräch einzutreten, wobei er mir bestenfalls zum bewunderten Partner oder gar Freund werden soll. Ich suche dieses persönliche Miteinander, weshalb ich auctoriale Versteckspiele durchaus nicht leiden kann. Darum sind mir auch die volkserzieherischen Ambitionen z.B. eines Freytag sympathisch, – ich brauche mich ihnen ja nicht hinzugeben. Immerhin ist eine klare moralische Perspektive oft ein Augenöffner.

Eines aber muss ich Donahue lassen: Alexis ist selbst Opfer des Antisemitismus, den er beschreibt. Ich hatte mich beim Lesen irreführen lassen, indem ich mich damit begnügte, dass Krämer Hedderichs Religionszugehörigkeit letztlich unklar bleibt. Das war Wunschdenken. Aufmerksam geworden, habe ich noch einmal gelesen und war entsetzt, dass mir die vertierende Darstellung dieses Menschen nicht schon gleich aufgestoßen war. Ich hatte da regelrecht drüber weggeschludert. Eine solche Darstellung ist ein sympathy-breaker, und darum empfehle ich das ganze Buch nicht und werde es – in den Papierkorb werfen (denn ich möchte auch nicht, dass andere so was Gemeines lesen).

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten100-300
AutorAlexis, Willibald

Kommentare

Kommentar zu: Alexis, Willibald – Die Hosen des Herrn von Bredow.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert