Arnim, Bettina von – Die Günderode

(1840 | 400 S.) – Für Mädchen

Meinung

Empfindsam, leidenschaftlich.

Aber gleich am Anfang der Dialog Schüler-Lehrer ist interessant: Es geht um die imaginative Vereinigung mit Gustav Adolf, dem großen Helden. Die Verbindung über den Tod hinweg mit dem, worauf das eigene Selbst antwortet. Das ist für mich wie ein Spiegel der göttlichen Bestimmung des Menschen: sie soll in der Seele wiederhallen und zur Tat führen. Tat fehlt natürlich beim Schüler, da bleibt alles im Empfinden. Trotzdem, ein interessantes Abbild

 Den Aufsatz der im Hemsterhuis lag – müßte man genauer untersuchen. Viel davon klingt entfernt wie das Leben Gottes in uns, – nur halt naturalisiert.

„Immer neu und lebendig ist die Sehnsucht in mir, mein Leben in einer bleibenden Form auszusprechen, in einer Gestalt, die würdig sei, zu den Vortrefflichsten hinzuzutreten, sie zu grüßen und Gemeinschaft mit ihnen zu haben. Ja, nach dieser Gemeinschaft hat mir stets gelüstet, dies ist die Kirche, nach der mein Geist stets wallfahrtet auf Erden.“ Naja. Bißchen wie mein „der Liebe würdig werden“, wobei ich keine Qualitätsansprüche stelle. Allerdings hatte ich solche hohen-Geist-clubs auch schonmal in der Traumtasche.

Einerseits bezaubert mich das Buch, weil ich diese Naturseligkeit gut nachvollziehen kann. Andererseits bedrückt mich die Abwesenheit von Christus. Da ist einfach nur Pan something or other religious ecstasis. Auch ist seltsam: das Buch soll ein Monument für die Günderode sein. Aber die erscheint eher als Echohall für Bettine: Sie liebt und lebt von Bettine und ist deren große geistliche Mutter. Na gut. Aber es fokussiert sich alles um Bettine, denn Günderode verschweigt ihre Schmerzen und offenbart nur beider Gemeinsamkeiten. Das ist wie eine opferbereite große Schwester. Wirkliche Anteilnahme von Bettine ist nicht vorgesehen, nur beider innige Beziehung und Bettines Entwicklung, um die sich die ganze Umwelt Sorgen macht.

Bißchen bedrückend, wie wenig die Umwelt vorkommt, nur als Familie mit Sorgen und Maternalismen, nur Freundeskreis und Klatsch, und Fürstlichkeiten, bei denen man punktet.  Alles ganz abgeschlossen in einem Kulturkreis bei dem andere nicht in den Blick kommen, und sie selbst auch meist als Philister, über die man sich lustig macht, weil sie party poopers sind.

Selbst Göthe hatte in Faust II eine Wahrnehmung der armen Alten, als Faust Pyrhamus und Thisbe ausversehen hat wegbaggern lassen – das tut ihm leid. Immerhin, wahrgenommen, daß es da noch was gibt, was die Weltverbesserung vielleicht bremsen hätte sollen.

Dann gibt es aber eine schöne Franziskanerpredigt die eigentlich orthodox ist.

Man erkennt einen Reifungsprozess: besonders durch den Juden Ephraim. Schon im Frühlingskranz zeigt sich Bettine von seiner Tochter Veilchen bezaubert und spürt den Wert dieser jüdischen Integrität. Es ist wunderbar, wie sie diesen alten Juden erkennt und ihm Glück bringt durch ihr Echo für seine Weisheit.

Erschütternd, wie sie gegen Ende das Entgleiten der Günderode spürt, wie sie mit ihr ringt, um ihr die dumme Idee vom jungen Sterben auszureden. Wenn man weiß, wie kalt Günderode sie irgendwann hat auflaufen lassen, – sehr bewegend dieses Gedächtnisbild, das Bettine ihr als ein Denkmal setzt.

Das Buch hat viel, das ein 14 jähriges Mädchen fesseln könnte, besonders das Gefühl der Entfremdung von einer hoffnungslos Geist- und Liebe-losen Umwelt. Da ist viel Jugendprotest drin, und durchaus berechtigt. Auch lebt: Bettine völlig isoliert und wehrt sich durch Flucht in die Fantasie. Das ist ein Identifikations-Angebot

JG für Mädchen

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten300-600
AutorArnim, Bettina von

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