(1956 | 156 S.) Ein Angriff: ein Rausreißen aus der Unbewußtheit in die Klarheit des Nichts.
Meinung
Cornelia meint:
Bußrichter Johannes Clamans Monolog, aus Paris weg in Amsterdam gelandet, Matrosenkneipen. Streift die Inhumanität vonNazis und Franzosen. Doppelnatur der Holländer zwischen Dasein und Nebelträumen von Java. Erwähnt schon früh, daß man sich nach unterlassenen Kopfsprüngen seltsam zerschlagen fühlt – später stellt sich raus, er versagte in Paris als es galt, einen Selbstmörder zu retten, und seither ist dieses Lachen neben ihm, das alle Unmittelbarkei tseines vorherigen, rein dem Egoismus gewidmeten Lebens zerstört. Er lebte als Anwalt der Unterdrückten und bediente dabei seine Eitelkeit. (wie Hume führt er alle Moral auf Suche nach Anerkennung durch andere zurück…) und er kam so weit, daß er die Tugend sogar um ihrer selbst willen lieben lernte. Das Vergnügen, ein hervorragender Mensch zu sein. Das erhöhte Leben als einzig Lebenswertes – und genau das fühlten auch all seine Mörder. Sie wollten jemand sein, der in der Zeitung erscheint. Und so lebte er in Einklang mit dem Leben, verliebt in das Leben, Feste jede Nacht. Und doch braucht er Sympathie seines Zughörers, denn Freunde sind alle Verräter. Die Freundschaft ist schwach, wir lieben das Leben nicht genug. Erst der Tod rüttelt unsere Gefühle wach. Nur die Gestorbenen können wir lieben. Der Mensch kann nicht lieben ohne sich selbst zu lieben.
Plötzlich hört er nachts das Lachen. Das warf ihn raus. Gesundheitlich. Heuchelei aller Moralisten. Dienen ist unvermeidlich, aber wir geben es nicht zu. ER platzte vor Eitelkeit, aber nach jenem Abend mit dem Lachen entdeckte er Wahrheiten in sich. Daß alles nur Schein war. Ich ich ich, und die Frauen. Das Erlebnis mit dem Motorradflegel und wie er gedemütigt wird. Dieser Ehrverlust war schlimm.Er hatte geträumt, ein ganzer Mensch zu sein. Aber das war er nicht. Und all die anderen Eitelkeiten – grundlos.Er suchte Vergeltung – Unterdrückerträume.
Spätere Reaktionen
Das Buch läßt mich ratlos. Explizit christliche Themen – ohne Gott. Selbstvergöttlichung ist ein Thema, Selbstliebe, Lüge, Selbstbetrug, Gericht – Schuld – Richten. Alles geht durcheinander, jeder Diskurs bricht zusammen. Ist das luzide? Wenigstens wahrhaftig? Oder alles Fehl-Spuren?
Er will was von seinem Zuhörer. Was wie Beichte klingt ist eigentlich ein Angriff auf ihn.
Ich bin gefesselt, – und doch immer wieder frustriert. Jede Erwartung wird gebrochen. Der Leser wird auf sich geworfen. Wie der Zuhörer in der Erzählung.
Ein Angriff: ein Rausreißen aus der Unbewußtheit in die Klarheit des Nichts.
Wer ist denn der Zuhörer, der dazu gebracht werden soll, selbst zu beichten und sich richten zu lassen? Ist das nicht der Leser? Ein Angriff. Der Autor will sich zum Richtergott machen.
Info
Erscheinungsjahr | 20. Jh., 2. Hälfte |
Seiten | 100-300 |
Autor | Camus, Albert |
Kommentar zu: Camus, Albert – Der Fall.