Conrad, Josef – Lord Jim

(1900 | 470 S.) Für Jungs.

Lord Jim ist ein Roman von Joseph Conrad, zuerst publiziert als Fortsetzungsgeschichte in Blackwood’s Magazine von Oktober 1899 bis November 1900. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint: Gut für Jungs

Hatte ich früher schonmal in der Hand, jetzt neu gelesen – und bin genauso fasziniert von diesem Autor wie von Camus. Beide gehören zu einer ent-christlichten Welt, die aber, für mich als Christen deutlich erkennbar, noch von den Früchten unserer langen und tief verwurzelten christlichen Kultur leben. Das macht sie mir so lieb. Literarisch ist Lord Jim höchst interessant konstruiert. Eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Der Haupt-Erzähler Marlowe ist selbst so ein Wurzel-beschnittener Nach-Christ. An der Oberfläche nimmt er an Jims Schicksal teil, weil Jim „one of us“ ist, also Engländer aus dem Pfarrhaus und untadeliger Seemann. Er versucht, aus Jims Verfehlung (Verlassen eines als zum Sinken verurteilten Schiffs) und seiner Weise des Umgehens damit (zunächst peinsamer Mangel an Schuldgefühl, Verdrängung, dann aber Beichte und Bekenntnis des Leidens, eines Leidens, das über alles Maß hinausgeht und Jim zum „Romantiker der verlorenen Ehre“ werden läßt) „schlau“ zu werden, und es ist ein schöner Trick, Marlows Unverständnis (das später trotzdem eine distanzierte Bindung, gar Freundschaft entstehen läßt) als Einladung an den Leser, Jim selbst trotzdem zu verstehen) aufzubauen. In einer Zeit, in der der Ruf eines Mannes mündlich übermittelt wird und zum festen Bestand des Geschwätzes aller Häfen wird, hat Jim keine chance, irgendwo ein neues Leben aufzubauen, trotz aller Tüchtigkeit. Marlowe verschafft ihm durch Stein einen Handelsposten bei irgendwelchen Inner-Urwald-Malaien, und dort wird Jim durch Mut und Charakterstärke zum großen Staatengründer, Durchsetzer des Rechts, Schutz der Armen und Segen für das Leben. Alle verehren ihn wie einen Übermenschen, und da spielt viel von white man’s burden, d.h. Überlegenheit der weißen Rasse mit hinein. Unglücklicherweise wartet dort aber auch die Bosheit im Handels-Partner Cornelius, und diese Bosheit ist letztlich der Grund für Jims Scheitern: Als der üble Flüchtling-Pirat die Schwäche in Jims Gutmütigkeit erkennt, der ihm aus Brüderlichkeit verzeiht, wird der Sohn des örtlichen Clan-Chefs umgebracht. Jim übernimmt die Verantwortung und wird getötet.

Und obwohl er die Nemesis seines ruinierten Rufs fliehen konnte, hat ihn die Angst, doch noch entdeckt zu werden, unfähig gemacht, sich seiner malaiischen Frau anzuvertrauen und ihr Mißtrauen gegen die untreuen Weißen zu besiegen.

Es ist ein Buch für und über Männer, aber nicht nur. Für Christen ist bewegend, daß die ganze Ehr-Pusseligkeit, die Jim wehrlos macht gegen das Geschwätz, von seinem Vater ausgeht, der ein Christentum der Tugend lehrte, bei dem ein Fehler nie wieder gutgemacht werden kann. Damit ist dem Jungen der Himmel verschlossen. Und dennoch hat sein Mitleid mit dem bösen Menschen, der dieses Mitleid ausnützt, etwas genuin Christliches: er verzeiht dem, der dessen unwürdig ist. Sein eigenes früheres Verfehlen (für das er lang gebüßt hat) macht ihn gerechter, als die Welt es wert ist. Da leuchtet noch ein Abglanz einer Ahnung von wirklicher erlösender Liebe.

JG+ Jungs

Info

Erscheinungsjahr20. Jh., 1. Hälfte
Seiten300-600
AutorConrad, Josef

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