Daudet, Alphonse – Tartarin von Tarascon

(1872 | 135 S.)

Meinung

Umwerfend lustig in südfranzösischer Art. Also dick aufgetragen, aber mit feiner Wahrheit die Liebe zum Lügen aus Begeisterung. Eine Art modernisierter und viel verdaulicherer Don Quichote/ Sancho Pansa. Ich glaube, man kann das Kindern mit 12 geben und vorlesen, sie lernen trotz aller dummer Witze viel über das alte Europa. Auch die beiden anderen Teile über den Rigi und die Schweiz und über Neu-Tarasconien sind fabelhaft. Einziger Mangel: diese mythische Taraskonia-Figur wird aus dem Ärmel geschüttelt, um den Abfall der Taraskoner von ihrem Gouverneur zu motivieren. Das ist over-determined.

Es ist wie die Geschichte eines Erwachsen-Werdens, und insofern für Jugendliche prima. Aber am Ende haben wir einen erwachsen gewordenen Tartarin und gar nicht mehr übertreibende Tarasconeser. Beide eher langweilig.

Man sollte mal mit Kellers Seldwyla vergleichen: beides sind Städte, die Lebensformen beschreiben, in die die Helden eingeschrieben werden. Interessant wie weit die Idiotie, aber auch die Resilienz dieser Lebensformen erklärt werden. Auch sollte man diesen Tartarin auf die Rolle der Imagination hin abklopfen, die ja von den Engländern für grundlegend erklärt wird. Also englische Philosophie an diesem französischen Ulkroman prüfen. Und natürlich auch die enthaltene Kritik am Romantizismus: wie verhält sich nun dessen Kult der Einbildungskraft zu Daudet? Nun, bei den Engländern wie auch bei Daudet haben wir eine ganz psychologisierte Vision der Imagination, während diese bei Bettine zwar nie so genannt wird, sondern sich hinter „Geist“ verbirgt, aber einen Seinsgrund für das poetische Dasein darstellt.

GK

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorDaudet, Alphonse

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