
(1818 | 50 S.)
Meinung
Cornelia meint:
Obwohl ich die Vorlage dof fand (die Sache mit dem Venusberg), war ich doch von Eichendorffs Bearbeitung beeindruckt. Hier ist er endlich, den ich im Herzen trug. Was macht mich so froh? Das Thema einer männlichen Unschuld kam ja schon in der Ahnung vor, wo ich es nicht wirklich begriffen habe. Hier ist alles einfacher und verständlicher. Es gibt also den tumben Tor, der in die Welt zieht, und den guten Geist in Gestalt eines berühmten Dichters Fortunato. Dessen Freund Pietro macht den jungen Florio nervös, weil der sich von ihm geprüft und abgeschätzt fühlt. Ahnt nicht, daß es in der besten Absicht geschieht, Nichte Bianca mit ihm zu verheiraten.
Vorerst aber steht ihm der Sinn nach dem Großen Abenteuer, und da ist auch gleich der Versucher bereit, Donati, der sich bei ihm einschmeichelt und ihn einlädt. Noch nachts schweift der Junge umher und sieht das Marmorbild einer Frau lebendig werden, das seine ganze Sehnsucht weckt. Bianca ist schon vergessen. Immerhin hat er noch genug Frömmigkeit, am Sonntag nicht mit Donati jagen zu gehen. Es wechselt dann hin und her mit rätselhaften Verdoppelungen der Erscheinungen Biancas, in die sich immer eine noch schönere Frau mischt, bis er endlich im Märchenpalast bei letzterer Traumdame anlandet. Dort irrt er wie im Drogentraum ihr hinterher – bis er plötzlich draußen Fortunato ein altes frommes Lied singen hört. Er schüttet der Dame sein Herz mit den frommen, von diesem Lied geweckten Kinderträumen aus, aber die will von solchem Sentimentskram nichts hören. So aus seinen Erinnerungen herausgerissen, erfasst ihn ein Grausen, er wendet sich zum Fenster und spricht im Herzen ein Gebet. Rumms geht das Gewitter los, auch eine goldene Schlange zischt vorbei. Die Dame selbst ist irritiert, flüstert rum, sieht plötzlich tot aus, der Junge taumelt zurück, — da drehen sich die Bilder im Raum und eine Schwadron von Feinden will ihn umbringen. Flucht raus. Danach ist viel Zauberspuk verschwunden, Florio flieht die Stadt. Draußen trifft er Fortunatus und Pietro mit Jüngling, die wollen verreisen und er soll mit. Sie kommen an der Ruine des alten Venustempels vorbei, und er erfährt, dass hier schon mancher den Verstand verloren hat oder zum Übeltäter wurde. Da wird ihm was klar, auch, dass der Jüngling die verkleidete Bianca ist. Liebe, Hochzeit.
Klingt schräg, aber liest sich fesselnd. Faszinierend der Gedanke der Gleichzeitigkeit von tugendsamer Verliebtheit in Bianca und leidenschaftlicher Hingezogenheit zur Venusfigur. Die erotische Erfahrung in all ihrer Zweideutigkeit zwischen frommer Freude und höllischem Abgrund. Irgendwie eine Prüfung, bei der der gute Dichtergeistfreund als Schutzzauber die Kindheitserinnerungen weckt und die mit ihnen verknüpfte Gottesbeziehung. Schön, wie Florio bei allem Höllenzauber dieses bessere Ich im Herzen festhält.
Denn die Kunst, vorgetragen ohne Stolz und Frevel, bändigt die wilden Erdengeister.
Während also in der Ahnung die Kunst nur das vorletzte war, und entweder zum Handwerk herunterschrumpft (Faber) oder der Tatkraft Platz macht (Friedrich im Krieg, Leontin beim Auswandern) oder ins religiöse Leben führt, haben wir hier die schöne Harmonie zwischen Kunst und Glauben. Da läßt man sich gern verzaubern.
JG+
Info
Erscheinungsjahr | 19. Jh., 1. Hälfte |
Seiten | < 100 |
Autor | Eichendorff, Josef von |
Kommentar zu: Eichendorff, Josef von – Das Marmorbild.