Fontane, Theodor – Ellernklipp

(1882 | 135 S.)

Ellernklipp ist eine Novelle von Theodor Fontane, die 1881 erstmals veröffentlicht wurde. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Ziemlich viel Blut und Verhängnis. Hilde ist Kind einer Dorffrau und des jung verstorbenen Grafensohnes vom Schloß. Eine Heirat mit Diener deckte die Sache. Sie wird Waise und kommt als Pflegekind in das Haus des Heidereiters, der sie mit seinem Sohn Martin verbinden will, sich dann aber selbst in sie verliebt. Probleme, weil sie so was Gräfliches im Blut hat, wobei „Blut“ sich in Müdigkeit und Sehnsucht ausdrückt, also auf eine verfehlte Bestimmung hindeutet, nicht, wie die Gene, auf Gaben und Neigungen. Sie wird eine Frau, und das Gräfliche verliert sich. Der Vater, Witwer, will sie für sich – der Sohn hat ihre Leidenschaft geweckt, im Kampf beider tötet der Vater den Sohn, kann es aber wegdrücken, heiratet das Kind. Nur der Alte Harms auf dem Berge, Prophet und geistlicher Lehrer, der alles sieht und weiß und ahnt, ängstigt ihn, so daß er das kranke Kind, das geboren wurde (und von wem war?) nicht von ihm heilen läßt. Es stirbt. Der Vater wird konfrontiert mit dem Geistern des Ermordeten und erschießt sich. Hilde wird fromm und stirbt auch.

Für die Gräfin, ihre Großmutter im Schloß, wird sie am Ende die Freude ihres Alters als Vorleserin. Das wird kommentiert aus der Perspektive der Gräfin: „erst brachte sie Schande, jetzt Freude“. So geht das nicht. Die Gräfin wurde ihrer Verantwortung für den Fehltritt des Sohnes nicht gerecht, ließ alles laufen und profitiert jetzt. Sie trägt Mitschuld am frühen verzweifelten Tod der Enkelin. Da fehlt eine eingehendere Behandlung.

Uff.

Unabhängig vom Melodrama und der Ambiguität aller Leute in Haus, Dorf, Schloss, genial skizziert, ist da eine Herrenhuther Frömmigkeit, die sehr nah der Orthodoxie ist. Nur ist halt das Evanglium des Kreuzes, das Hilde endlich annimmt, zu schwer für Menschen, die nicht wirklich Christus in sich tragen können. Man kann dieses Buch als ein Zeugnis des Ungenügens einer Christlichkeit ohne Kirche lesen und insofern Jugendlichen geben.

Großartig die Psychologie. Der Heidenreiter hatte schon vorher einen ihn bedrohenden Wilddieb erschossen und sich das – durchaus legitim – mit seinem Christentum vereinbar gemacht. Obwohl es unvermeidlich war, kann man doch sehen, wie es ihm schadete, denn der Mord am Sohn war dann schon der zweite Tod, der sich darum auch leichter verdrängen ließ. Enorm auch der Moment, in dem seine Vaterliebe zum Begehren wird. Das ist ganz wie Hauptmann.

Was mich immer stört ist die Gespensterei. Das funktioniert wie ein deus ex machina für ein geschwächtes Christentum. Und dann braucht es auch noch Meister Zufall, damit Heidenreiter denkt, der alte Harms wüßte Bescheid. Wußte der gar nicht. Aber diese Furcht führt später zum Tod des kranken Kindes.

Dieses Buch ist hilfreich als Argument gegen die Aufklärung: Heidenreiter weiß sonnenklar, was richtig und falsch ist, und was er tun sollte. Aber er kann seine Leidenschaften nicht bezwingen. Das Wissen reicht nicht, wenn man nicht ständig Askese der Gedanken übt.  Und wenn man die Eitelkeit nicht bezwingt. Und das Kreuz annimmt.

Es ist ein hilfreiches Buch wenn Jugendliche gegen ihre Leidenschaften kämpfen, um nicht das Falsche zu tun. Es macht sehr klar den Unterschied zwischen gut wissen und gut handeln können.

OR. JG-

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorFontane, Theodor

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