Grillparzer, Franz – Libussa

(1848 | 96 S.)

Meinung

Cornelia meint:

Ein theologisch und historisch reichhaltiges Gedankenstück. Da geht es um den Übergang zwischen heidnischer Spiritualität der Träume und Sterndeutungen, weil die Mutter der drei Königstöchter irgendeinem göttlichen Geschlecht entstammt. Aber Könik Krokus stirbt und nun will das Volk eine der Töchter als Königin. Libussa ist bereit, sie mag die Menschen, obwohl die Schwestern warnen, dass das schief gehen muss. Die sind mehr so fürs Überirdische.

Libussa hat aber auch schon was hinter sich, wurde aus dem Bach gezogen von Primislaus, und war von diesem freien Bauern mit den Manieren einer besseren Familie beeindruckt. Er klaute ihr ein Stück vom Gürtel, als Andenken und Erkennungszeichen. Da ist der Stachel einer Liebe in ihr geblieben, und der lässt die ganze Esoterik kahl erscheinen.

Libussa also regiert matriarchalisch, d.h. alles geht mit Liebe, Sanftmut, Blumen, Ackerbau, Gesang und Tanz. Die drei Unterfürsten finden das bald ätzend, und auch das Volk will bei Streitigkeiten keine Milch der sanften Duldsamkeit sondern, himmeldonnerwetternochmal, ihr Recht. Interessant hier die Parallele zum Volk Israel, das ja mit Samuel auch genug hat von Richtern (zumal der seine Söhne nicht gut erzogen hat) und von Gott einen normalen König verlangt, – trotz aller Warnungen.

Männlich regieren also will Libussa nicht, und so schickt sie die drei Unterfürsten, die sie allesamt heiraten wollen, in die Pampa: sie sollen den finden, der den Gürtel vervollständigen kann.

Soweit so gut. Aber nun schiebt sich da ein quälendes Stolz- und Liebes-Wettspiel dazwischen. Primislaus möchte nicht befohlen kriegen zu kommen – zur Strafe macht er im Schloß auf Untertan. Sie findet das ätzend und schickt ihn weg. Die Kriegerfrau Wassa soll ihn testen, und während Libussa verschleiert die Fackel hält, pfeift er Wassa eins, wie hässlich sie die Kriegerei macht. Rein raus, hin her, am Ende kriegen sie sich doch.

Hineingewoben in diese etwas bescheuerte Liebesgeschichte sind Diskussionen über Mann und Frau. Einerseits sehr schön der Wesensunterschied und die Beziehung dargestellt (leider ganz heidnisch, aber immerhin, man ist ja schon dankbar). Die Frauen können nämlich alles, auch Krieg, aber Libusssa will das nicht, und darum wünscht sie sich einen Mann. Primislav will aber nicht den Prinzgemahl machen und bockt rum, solange bis sie die Herrscherin-Allüren ablegt und weich und anschmiegsam weiblich wird. Da ist er dann bereit, in der Tat sie immer als Königin zu ehren und ihren Diener zu machen, denn sie ist ganz zur fügsamen Ehefrau geworden. Das ist sehr anregend und wichtig.

Am Ende haben die Männer die Idee, man muss eine Stadt gründen, eng zusammenleben mit Schutzmauer drumrum und mit Fortschritt und Gemeinsamkeit und Handel und Weiterkommen und Gewinn – während Libussa das mit der Landwirtschaft viel lieblicher findet. (Wenn die gewusst hätte, dass schon der Ackerbau den Samen des Verfalls sähte, und dass man eigentlich hätte Jäger und Sammler bleiben müssen). Die Ehre wird durch den Genuss, die Barmherzigkeit durch den Neid ersetzt, die Stadt als Sündenfall, sozusagen.  In diesem Konflikt gibt jeder der Eheleute dem anderen nach – aber es gibt keine Auflösung. Die spirituellen Schwestern wandern aus, Libussa versucht nochmal priesterliche Opfergaben zu zelebrieren, aber der Rauch steigt nicht auf, und da stirbt sie lieber. Ab jetzt geht es stracks in Grillparzers 19. Jahrhundert.

Also ein Paraderitt durch die Geschlechterbeziehungen mit viel Gesprächsstoff.

Jg

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten< 100
AutorGrillparzer, Franz

Kommentare

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