Puschkin, Alexander – Erzählungen

(1830 | 400 S.)

Puschkin bei Gutenberg

Meinung

Cornelia meint (HS = historisch interessant, GK = für größere Kinder):

Die Erzählungen von 1830 aus Bolodino scheinen eher harmlos, zur Unterhaltung. Ich frage mich, wo die Widerhaken sind, die klarmachen, wie Puschkin politisch stand.

Eigentlich lese ich ihn wegen Edelman. Bin neugierig auf die Post-Dekrabristen Flaschenpost.

Der Schuss

Das Leben in der Armee: Schießen, Duellieren, Frauen verführen – toller Kerl sein. Dann kommt so ein Supergraf und man ist beleidigt, weil man nicht mehr der erste ist. Benimmt sich garstig, handelt sich eine Ohrfeige ein, tötet ihn aber im Duell nicht, obwohl man den ersten Schuss hat, weil der Kerl so gleichgültig Kirschen frisst. Immer noch rachsüchtig will  Silvio den Grafen mit Todesangst demütigen, grad nach dessen Hochzeit. Aber auch da bleibt der Graf cool. Silvio zieht bedeppert ab. Fällt im Krieg.

Das ist eine Bankerotterklärung des militärischen Ethos außerhalb der Schlachten. Unvereinbarkeit zwischen diesem Korpsgeist und der Vollkommenheit in der Lebensweise des Adels, der dort gepflegten Schönheit und Menschenfreundlichkeit. Mir ist unklar, wie sich die Todesverachtung auf beiden Seiten zueinander verhält. Der Skandal der Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod beim Grafen für Silvio liegt in der Verachtung, die er darin für sich selbst als Todbringer durchspürt. Das relativiert seine eigene Tugend. Zweimal versucht er, sich mit dem Grafen auf gleiche Stufe zu stellen, indem er diesem den ersten Schuss sichert. Zweimal verweigert der Graf sich dem ihn-Töten. Da bricht der Stolz des Offiziers.

Ist das nicht eine Absage an das Edelste der Revolution, die die Dekabristen wollten? Puschkin weiß, diese Revolution wird das Schönste dieser Kultur zerstören.

Ulkigerweise hat Puschkin selbst bei einem Duell Kirschen gegessen und sie dem anderen ins Gesicht gespuckt. Und ist immer als der Aristokrat rumgelaufen…

HS

Der Schneesturm

Junge Liebe, Eltern verbieten, man will fliehen und sich an der Kirche nachts treffen. Aber im Schneesturm kommt der Bräutigam abhanden und ein Vorbeikommender wird stattdessen in die Kirche geführt. Braut merkt zu spät, wen sie da geheiratet hat und ist ab dann bedrückt. Ihr Liebster geht und fällt im Krieg. Später trifft einen neuen Traumpartner, aber der ist verheiratet. Erzählt, wie das passiert ist, und der war es. Was n Glück.

Es geht um Standesdünkel und Reichtum, die der Liebe der jungen Leute entgegenstehen, und um die Macht dieser Liebe, die sich allerdings am Schicksal bricht, das am Ende wohltätig wirkt.

GK für Mädchen

Der Sargmacher

Muffkopf ärgert sich über die deutschen Handwerker in seiner Nachbarschaft und träumt dann einen lukrativen Tod – aber auch, dass auf sein unbedachtes Wort all die rechtgläubigen toten Ex-Kunden zu ihm zum Feiern kommen. Ein Skelett beklagt sich über zu billigen Sarg, wird zerdrückt. Dann war aber alles nur ein Traum. Diese ganze Existenz ist von Sorgen um das Fortkommen bestimmt. Das Milieu der deutschen Handwerker bildet ein positives Gegenbild, das aber das empfindliche Ego des Sargmachers beschädigt. Ist das eine Diagnose des russischen Verhältnisses zum Fortschritt, den Peter der Erste mit den deutschen Immigranten einführte? Eine Skepsis zur Zukunft Russlands?

Herrin in Bauernkleidern – Fräulein Bäuerin

Oder so ähnlich. Verfeindete Väter, Tochter will Sohn des anderen kennenlernen, verkleidet sich als Bäuerin, in die er sich verliebt, und am Ende wollen die Väter eh die Ehe, die nur klappt, weil Sohn die Tochter überrascht und erkennt. Nu nett.

GK Mädchen

Die Hauptmannstochter

Ist eine sehr schöne Geschichte, weil sie nicht nur die Erziehung eines jungen Adeligen in aller Härte darstellt, sondern auch eine hohe Moral verkörpert. Unbedingt lesenswert

GK*

Kirdshali

Räuber, Griechen, türken, Bulgaren. Und listig kommt der Gefangene frei.

GK für Jungs

Das Nachfolgende ist für die Zielgruppe nicht zu empfehlen:

Der Mohr Peters des Großen

Da ist der Mohr der ganzen zivilisierten Gesellschaft moralisch und menschlich voraus, und nur Peter I merkt das und fördert ihn. Ein bisschen Rousseau. Interessant wird das Ganze insofern, als es sich um Puschkins Ahnen handelt. Nu. Fragment.

Der Postvorsteher

Autor verteidigt eine allgemein verachtete Berufsgruppe. Auf den Poststationen geht es nicht gerecht zu, sondern: Man muss den Würdeträgern Vortritt lassen. Spöttisch bejaht er diese äußere Hierarchie, denn die Alternative „man muss den Klugen Vortritt lassen“ würde nur zu Streit führen. Soweit konservativ. Dann aber verführt einer jener „Würdigen“ auf betrügerische Weise die Tochter und Lebensfreude des alten Vaters und weist den um Rückgabe flehenden Vater ab. Für den Vater ist klar: sie wird nur ausgehalten werden und im Elend enden. Trinkt sich zu Tode.  Die Tochter besucht das Grab, hat aber 3 Kinder bei sich. Immerhin sind das schon 6 Jahre guten Lebens. Hier also das schöne Leben der oberen Klassen dargestellt als zutiefst korrupt. Wie bei Fontane.

Allerdings Achtung, das Mädel geht nicht zugrunde. Der Vater hat da falsche Befürchtungen gehabt..

In den Armen Leuten Dostojewskis singt einer dieser Armen ein begeistertes Loblied auf diese Erzählung, in der er sich wiedererkennt. Trotzdem nix.

Roslawlew

Sehr raffiniert angelegt als Ehrenrettung einer Frau aus einem ent-ehrenden Roman über sie.

Über die französische Gefangenschaft der russischen Geisteswelt. Dann Krieg, und die Franzosen kommen aus der Mode Plötzlich sind alle patriotisch, was Prinzessin Pauline nun unwürdig findet. Sie verehrt weiterhin Mme de Stael und alles Französische. Vertritt die Bedeutung der Frau für Politik und öffentliche Meinung. Nun erobert Napoleon Moskau, alle fliehen. Pauline ist auch patriotisch und hasst Napoleon. Ein gefangener Offizier imponiert ihr, weil er den Rückzug der Russen richtig als kluge Taktik durchschaut. Er durchschaut, dass die Russen selbst Moskau anzündeten. DA ist Pauline dann froh und stolz auf Russland.

Also Patriotismus. Hm. Alles zu hazy.

Dubrowski

Edler Sohn rächt ein Unrecht, das ein böser Nachbar an seinem Vater verübt hat, wird dabei aber selbst Revolutionär und Räuber. Die Liebe zur Tochter des bösen Vaters geht daneben, weil allerlei Ungeschicklichkeiten den Hilferuf vor erzwungener Hochzeit mit altem Ekel nicht durchgeben.

Viel schönes Volksleben, also durchaus lebendig gezeichnet. Sehr romantisch, wie er den Hauslehrer bei seinem Feind mimt, um der Tochter nahezukommen, was klappt, aber halt am Ende doch zu nix führt. Endlich entkommt er.

Alles romantisch und Räubermäßig. Aber zu Roman-haft.

Pique Dame

Bescheuert beschauert.

Ägyptische Nächte

Bescheuert

Eugen Onegin

Ich werde nicht warm damit. Es ist alles so spöttisch, wem soll das was?

Naja, nach Dostojewiskis Puschkin-Rede wird mir klar, dass diese Ironie eine Absage an eine bestimmte Form russischer Elitenexistenz darstellt. Ich sollte nochmal weiterlesen und mich auf Tatjana konzentrieren.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten300-600
AutorPuschkin, Alexander

Kommentare

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