Starez Isidor, Priestermönch der Gethsemane-Skite

Eine Einführung in das Buch

Titelseite

Wer zumindest irgendetwas von Florenski weiß, der weiß wahrscheinlich: Universalgelehrter, Ost-da-Vinci, umgekehrte Perspektive. Symbolist. Wieso schreibt so einer, parallel zu seiner hochphilosophischen Dissertation, eine Heiligenvita?

– Wie auch in seinen späteren Schriften, geht es ihm wohl auch hier um das, was eigentlich unsagbar ist. Das, was in einem „Handbuch für orthodoxe Christen“ oder einem „Katechismus“ keine Chance hat, hinter den Buchstaben und Worten ahnbar zu werden. Und das Faszinierende an Florenski ist gerade, wie ihm das gelingt – das Ewige, Seiende, Allmenschliche in den wechselhaften Zeichen der Zeit zu sehen und festzuhalten.

Sein „Leben des Altvaters Isidor“ ist zunächst eine Sammlung von Begebenheiten, Sprüchen und Gebeten des Starzen – erinnert und erzählt von denen, die sich wie Florenski als Isidors geistliche Kinder oder Brüder empfanden. Wie man das eben so macht, wenn ein solcher Geisttragender zum Herrn eingeht und man sein heiliges Andenken bewahren will.

Wenn man dies – was man dem Verfasser dieser Vita wohl zubilligen darf – geschickt tut und mit einem Blick für die „wesentlichen Kleinigkeiten“, tritt etwas hervor, was man nur mit der Seele greifen kann und in keinem Lehrwerk vermittelt bekommt: wie das ist, wenn einer in dieser Welt lebt, der „nicht von dieser Welt“ ist. Hier kommt Florenskis intuitives, literarisches Beschreiben dem Genre entgegen. Aus der Aneinanderreihung von wundersamen Begebenheiten und tiefsinnigen Aussprüchen des Altvaters vermittelt sich dem Leser Sehnsucht nach diesem Allmenschlich-Ewigen, von dem ein altes Wort sagt: Niemand kann sich von der Welt lossagen, um Gott nachzufolgen, wenn er nicht im Antlitz wenigstens eines Menschen das Leuchten der Ewigkeit geschaut hat. Wie viele deutsche Orthodoxe können von sich behaupten, auf diese Weise katechisiert worden zu sein? Die Sehnsucht aber bleibt.

Und auch schon im Russland Anfang des 20. Jahrhunderts musste man nach solchen Geisttragenden suchen.

Altvater Isidor (Kozin) wurde 1833 geboren, lebte seit 1852 in der Gethsemane-Skite der Sergius-Dreifaltigkeits-Lawra in Sergiew Posad, war geistlicher Vater und Bruder des ehrw. Warnawa von Gethsemane (Gedenken am 17.2. jul.), welcher wiederum für Florenski (und viele andere, unter ihnen der ehrw. Serafim von Wyriza und der ehrw. German von Zosima) geistlicher Vater gewesen ist. Der seiner Einfachheit und tiefen Demut wegen vom hl. Warnawa als „zweiter Serafim“ bezeichnete Starez prägte Florenski zutiefst. Florenskis Enkel, Hegumen Andronik (Trubatschew) schrieb: „Die Verbindung der Anleitung durch zwei Starzen – einen gelehrten Theologen (hl. Bischof Antonij) und einen einfachen Priestermönch (Isidor) – verlieh dem Schaffen P. A. Florenskis jene geistliche Würze, an der die Zeilen seiner Schriften so leicht zu erkennen sind.“

Sogleich nach dem Ableben des Altvaters 1908 macht sich Florenski an die Vita. Diese wird, noch im selben Jahr beginnend, im Journal „Der Christ“ veröffentlicht. In vielen Facetten beschreibt er die Sanftmut und innere Freiheit des Starzen, der den Suchenden bittere geistliche Wahrheiten vermitteln konnte, ohne verletzend zu sein, und dessen armseliger „Besitz“ in einer winzigen Hütte am Rande der Skite von einem unablässigen Geben und Nehmen geprägt war – was man ihm mitbrachte, verteilte er sofort weiter, und niemand verließ ihn je unbeschenkt. Die Obrigkeiten dürften nicht nur einmal an den Ecken und Kanten des Altvaters verzweifelt sein, bei bischöflichen Besuchen wusste man ihn in der Regel gut zu verstecken. Der Rüffel dafür, dass er einmal – voller Begeisterung für den reichen orthodoxen Gottesdienst – dem deutschen Kaiser Wilhelm ein Hirmologion schickte, findet sich bis heute in den Archiven, ebenso die Tatsache, dass er, zum Verwalter der sketischen Kleiderkammer eingesetzt, seiner barmherzigen Freigebigkeit wegen recht schnell wieder von diesem Dienst suspendiert werden musste – in dieser Zeit war eine beachtliche Zahl von Besitzlosen unverhofft zu einem warmen Mantel gekommen.

Wärmen kann man sich auch an Florenskis Isidor-Vita. In einer Zeit, wo der orthodoxe Buch- und Zeitschriftenmarkt sich vorzugsweise an der scheinbar morgen schon untergehenden Welt abarbeitet, schenkt bereits das Lesen über diesen Geistträger, dem die Welt von heute nicht fremder wäre als die vor hundertfünfzig Jahren, dem Leser einen Hauch Zuversicht im Geiste, und ein klitzekleinwenig lächelnde Ewigkeit ins Angesicht. Ist das etwa wenig? Weihnachtslektüre!

HPArnold

Das Buch gibt es HIER.

Gebet von den fünf Wunden des Erlösers, wie es Starez Isidor seine geistlichen Kinder zu beten gelehrt hat

Wo schmerzt es?

(Lege deine Hand auf dein Haupt, und sprich:)

(Führe deine Hand hinunter zum rechten Fuß und sage:)

(Lege deine Hand auf deinen linken Fuß und sprich:)

(Hebe deine Hand und lege sie auf deine rechte Schulter, und sprich:)

(Führe nun deine Hand zur linken Schulter und sprich:)

(Wende dich zur Ikone der Gottesmutter und sprich:)

Leseprobe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert