(1922) Es ist durchaus eine Liebesgeschichte, aber so verpackt in eine Geschichte des Reifens und des geistlichen Wachstums, daß man das Ganze nur mit Freude lesen kann.
Meinung
Sie hat Hänschen im Blaubeerwald und die Wichtelkinder gemacht, aber auch für Erwachsene Bücher geschrieben.
Es ist durchaus eine Liebesgeschichte, aber so verpackt in eine Geschichte des Reifens und des geistlichen Wachstums, daß man das Ganze nur mit Freude lesen kann. Erstaunlicherweise ist dieser Schwedische Protestantismus, grad wie Björnsterns norwegischer, hochgradig orthodox. Das ist ein Vergnügen und auch eine Art von Demütigung, denn genau die Liebe, die den Russen im 19. Jh. so sehr in ihren Kirchen gefehlt hat, findet sich hier in vollkommener Form.
Interessant für mich, wie ähnlich – wenn auch drei Stufen niedriger, qualitätsmäßig – sich hier die Problematik darstellt von der Frau, die ihr Geliebtsein als Mitleid oder Seelsorge verdächtigt und darum nicht annehmen kann, die man aus dem Idioten bei Dostojewski kennt. Also die Schwierigkeit, daß da Frauen mit ihrer Sündhaftigkeit (einmal bei Nastassja die Gefallenheit ohne Schuld, einmal wie bei Heilwig die Selbstgerechtigkeit) sich nicht genug geliebt fühlen, wenn sie nicht so leidenschaftlich geliebt werden, daß sie den Mann beherrschen können. Also einerseits wünschen sie sich, von dieser Liebe geheiligt zu werden, andererseits können sie sie nicht ertragen, weil sie allzu heilig ist.
Interessant auch das Thema der Zerstreuung, was mir bei Effi Briest so auffiel: daß immer alle Leute die Zerstreuung suchen und überhaupt selbst sich daran zerstreuen, d.h. nie dazu kommen, sich zu ganzheitlichen Wesen zu entwickeln. Das ist keine Lehre, die Fontane entwickelt. Er weiß das nicht. Er sieht nur: Ohne Zerstreuung hängt da ein Bedürfnis rum, das vom bösen Geist genutzt werden kann. Hier also geht es um die Verwundbarkeit für das Böse, von der Verhinderung des Guten ist noch gar keine Rede. Erschütternd wie a-christlich Fontane ist.
Das andere ist das „dir allein hab ich gesündigt“: Heilwig ist schuld, daß der Katenbauer Jakob stirbt, weil sie den Hilferuf vergessen hat weiterzugeben. Und nun will sie mit und erzählt der Familie: nicht der Ols ist schuld, sondern sie. Das hat sie sich edel ausgedacht. Aber die waren überhaupt nicht mehr bei der Schuldfrage. Die nahmen alles aus Gottes Hand. Sie hat da nur Unruhe reingebracht, um ihren Edelmut vorzuführen. Der Pfarrer verweist sie auf Gott, mit dem sie ihre Rechnung begleichen sollte. Das ist großartig für Psalm 50.
Bedenklich ist allerdings, daß die Lösung des Problems der Klassenunterschiede (Adel-Bauer), das zusätzlich zum geistlichen Problem des Unterschieds in geistlicher Reife (Zerstreuung-Einheit) die Beziehung belastet, einer doppelten deus ex machina Intervention bedarf: Der Ols wird gemartert und ist halb tot, und das verdorbene Kind mit der ererbten Sünde (wahr, aber sau-gefährlich außerhalb der Orthodoxie) opfert sich und ist ganz tot und somit sehr praktisch „aus dem Weg“. So wird für Heilwig der Job des Pfarrfrau Werdens immerhin do-able.
Für Jugendliche (zur Abschreckung), orthodox relevant
Info
Erscheinungsjahr | 20. Jh., 1. Hälfte |
Seiten | 100-300 |
Autor | Beskow, Elsa |
Kommentar zu: Beskow, Elsa – Das Pfarrhaus von Skalunga.