
Der Wandsbecker Bothe war die von Heinrich Carl von Schimmelmann in Wandsbeck (bis zum Jahre 1879 noch mit „ck“ geschrieben, heute: Wandsbek) herausgegebene Zeitung, die als Nachfolgerin des populären Wandsbecker Mercurius von 1770 bis 1775 von Matthias Claudius als einzigem Redakteur geschrieben wurde. Wikipedia
Meinung
Cornelia meint (JG = für Jugendliche, KK = kleine Kinder, GK = Größere Kinder, HISS = geschichtlich relevant, OR = orthodox relevant, ORD= orthodox tolerabel):
Erst dachte ich, oooch ätzend läppisch. Aber dann fand ich ab dem 3. Teil faszinierende Stücke, und zwar diese:
Über das Gebet an meinen Freund Andres
Völlig orthodox über das Vaterunser (vgl. aber auch seinen eigenen Aufsatz über das Vaterunser von S. 722)
OR
Geschichte von Goliath und David in Reimen
KK
Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter angehend die Orthodoxie und Religionsverbesserungen
Über Philosophie und Theologie
OR
Bauernlied in Paul Erdmanns Fest
Alle gute Gabe, sehr schön von der Schöpfung zum Gotteslob
OR, KK
Ernst und Kurzweil
Lustige Gleichnisse und Geschichten
KK
Schönheit und Unschuld
Eine moralische Ermahnung für Mädchen
GK
Lied hinterm Ofen
Der Winter ist ein rechter Mann
KK
Über einige Sprüche des Königs Salomo
Wunderschöne Einführung in Lebensweisheit
GK, OR
Passe-Temps zwischen mir und meinem Vetter in der Schneiderstunde
Gespräch über äußere und innere Wahrnehmung als ein sokratischer Dialog über die Wahrheit und Glückseligkeit. Man muss allerdings viel klassisches Wissen erstmal reinfüttern. Eine schöne Übung im Philosophieren
JG
Briefe an Andres
Wunderschöne Auslegungen von Christus-Geschichten.
OR
Über die Unsterblichkeit der Seele
Gut als Kontrastprogramm: ganz im Sinne der Aufklärung säkular argumentiert
GK
Urians Reise um die Welt
Gedicht einer scherzhaften Weltreise. Nett für Geographie
GK
Brief an Andres
Über Johannes den Täufer. Schön erzählt
JG+, OR
Über die Neue Politik 1794, mit dem Rencontre
30 Seiten Kritik der Moderne, samt Menschenrechten. Christlich und konservativ im besten Sinne. Habe es nicht genau studiert, finde es aber sehr lohnend, sowohl für Jugendliche, als Zeitkritik, als auch im Blick auf orthodoxes Verständnis des Staats.
JG+, OR
Eine Fabel
Gedicht über die Redefreiheit ohne Zensur: wie sie das Ärgste weckt. Nimmt twitter und all that vorweg.
JG
Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter
Über Pädagogik mit Vernunftgründen versus Gehorsam. Verteidigt auch die Manipulation in guter Absicht. Und über Heiligkeit, die sich mit Vernunft nicht austüfteln läßt. Und über die Ratsamkeit eines Studiums der kritischen Philosophie.
PÄ
Urians Nachricht von der neuen Aufklärung 1797
Eine schöne gedichtete Liedkritik der Aufklärung, nur ist mir unklar, wer da die Dänen sind, die den Refrain singen
JG
Briefe an Andres
Missionarische Argumente, aber höchst human vorgetragen
GK, OR
Till der Holzhacker
Eine lustig absurde Reimgeschichte, bei der auf der Reise zum Mond die Leiter immer wieder umgedreht wird. Man müsste dazu zeichnen! Das Lustige ist: die Reise zum Mond klappt reibungslos, aber dann ist es schon ist nach Mitternacht, und er fürchtet sich…
KK
Über den allgemeinen Eifer der Menschen für Religion und religiöse Handlungen
Gegen die Aufklärung – ebenso wie man das heute gegen die Evolutions-Ideologie wenden kann – beobachtet er die Universalität der Andacht und Ehrfurcht, die nicht aus Menschlichem gekommen sein kann, weil sie Übermenschliches intendiert. Und selbst wenn das ein Betrug wäre, so hätte doch der Betrüger schon von wahrer Ehrfurcht wissen müssen, um eine falsche einzurichten. Auch heute aktuell.
Übrigens zeigt sich Claudius hier wie ein im Sinne Dostojewskis ganz un-europäischer Europäer.
GK
Kron und Szepter 1792
Ein Gedicht an einen König, dem seine heilige Mission in Erinnerung gerufen wird. Man sollte das mit Bettina von Arnims Königsbuch vergleichen, um Monarchie zu verstehen.
HIST GK
An meinen Sohn Johannes 1799
Ein wunderbares Vermächtnis eines Vaters. Fortschreibung der Sprüche Salomos – wenn auch viel zivilisierter. Aber der Geist ist derselbe. Fraglich bleibt mir immer: man soll jede Religion achten, weil sie was Verborgenes anzeigt. Hmja, aber sie sind auch dämonisch. Immer wird das religiöse Ahnen, das dem Menschen als Erinnerung eingepflanzt ist an seine Berufung, vom Teufel missbraucht wird, wenn es nicht auf Christus gerichtet ist. Aber darin unterscheidet sich dieses Ahnen nicht von allen anderen Leidenschaften und Bestrebungen.
GK
Ein gülden ABC, Ein silbern ABC
Lauter geistliche Lehren. Ob man das mit Kindern schon machen kann?
KK
Letztes Kapitel aus Bacons De dignitate
Voluntaristisch. Schon auch Raum für Vernunft. Aber unsere Vernunft hat keine absolute Autorität, sondern nur relative. Die Grundlagen liegen jenseits, nur die Folgerungen sollen vernünftig gezogen werden, genau wie in der Wissenschaft. Aber dann gibt es noch weitere Auslegungen, und das ist das Feld der Theologie, über die gestritten werden kann. Wobei man also die Vernunft einerseits damit begrenzt, dass die Grundlagen ihr entzogen bleiben, andererseits damit, daß die Theologoumena nicht absolut gelten. Dagegen sollte man eine vernünftige göttliche Dialektik als nützliches Opiat schreiben, damit die Theologen sich nicht die Augen auskratzen.
Hm. Das ist ein sehr westlicher Begriff der Theologie als Akademische Verwurstung der Offenbarung. Und dieser Versuch, Streitigkeiten zu vermeiden, ist genau das, was wir im heutigen Ökumenismus haben: Die Nicht-Bereitschaft, sich auf theologische Dogmen einzulassen, deren Bedeutung für das geistliche Leben man nicht mehr sieht.
Das ganze ist ein Lehrstück in Theologie-Philosophie. Die Schrift muss nach ihrem geistlichen Nutzen ausgelegt werden. Denn auch Jesus hat oft Antworten gegeben, die mit der Frage nix zu tun zu haben schienen. Das lag daran, dass er die wirklichen Fragen in den Herzen der Fragenden erkannte und auch für uns Spätere antwortete.
OR
Bacons Glaubensbekenntnis
Höchst merkwürdig unterstellt er Gott die Unmöglichkeit, am Werk Seiner Hände Gefallen zu haben, weshalb schon vor der Schöpfung das Lamm erwürgt werden mußte als Mittler.
Hä?
Immerhin ist Gott weiterhin aktiv. Und sehr richtig der Sündenfall beschrieben. Dann allerdings das Kreuz als Genugtuung Gottes.
OR
Einfältiger Hausvaterbericht über die christliche Religion an seine Kinder
Ein kompletter Religionsunterricht für die Kinder. Wunderbar.
GK OR
Über die neue Theologie, an Andres
Gegen die Versuche, die Religion mit Vernunft aufzuschlüsseln
ORD
Valet an meine Leser
Dass jeder sich ein Ideal vorsetzen soll, eine Gestalt, um über das bloße Dasein hinauszukommen, so wie jeder das eigentlich will. Und dazu braucht man den Glauben.
All das ist gegen die aufgeklärten Verächter der Religion gerichtet und darum auch ganz reliigous studies neutral.
Das heilige Abendmahl
Gegen jene, die das Abendmahl auf bloßes Gedenken reduzieren wollen. Vielmehr geht es um Erlösung von Tod und Sünde. Zitiert dazu viele Väter bis Luther. Luther hat das mit seiner Heftigkeit vermasselt, und so gab es Streit unter den Reformierten. Aber vielleicht brauchte seine Zeit einen Kämpfer, damit überhaupt mal was geschieht.
OR
Auf O-lRs Grab und C bei dem Begräbnis ihres J
Schönes Gedicht über ein Grab
Vorrede zum 2. Band der Übersetzung von Fenelons Werken religiösen Inhalts
Lebensbeschreibung dieses heiligmäßigen Katholiken. Wunderschön. Er verteidigt das gegen protestantische Protestierer damit, dass es auch Wichtiges bei den anderen gibt.
HS GK
Vom Vaterunser
Vergleich das mal mit Cyprians Schrift. Eine wunderbare Auslegung.
OR
Morgengespräch zwischen A und dem Kandidaten Bertram
Glaube gegen Vernunft in einem unterhaltsamen Dialog. Claudius scheint die logoi-Theorie von Maximus zu kennen, obwohl er den nicht zitiert. Gleichzeitig Munition gegen den Evolutionismus, weil alles im Horizont der göttlichen Liebe gesehen wird. Eine Hamannsche Zeichentheorie der Welt, wo überall Ahnungen Gottes lauern. Aber dann wird doch alles nur durch Christus lesbar. Man müsste genauer prüfen. Und auch design oder Zufall spielt eine Rolle.
OR
Sterben und Auferstehn 1810
Ein wahres Gedicht darüber, dass wir nur über das Kreuz zum Leben kommen
OR
Geburt und Wiedergeburt 1810
Zwar religions-weiter Ansatz, aber korrekt bei Christus beendet.
OR
Brief an Andres
Über den Glauben, mit Beispielen aus dem Hauptmann von Kapernaum und dem Kanaanäischen Weib: „Der Mensch muss richtig gesinnt sein, um glauben zu können.“
Wie schon zu Claudius‘ Zeiten fehlt es heute genau an dieser Erkenntnis. Man kann den Glauben nicht für sich in sich prüfen wollen. Da kommt nie was bei raus. Man muss zuerst wollen, dann die Glaubensgesinnung in sich pflegen – dann kommt der Glaube als Geschenk. Und dann braucht man seine Authentizität auch nicht dauernd durch Zweifel zu beglaubigen.
OR GK
Brief des Pythagoräers Lysias
Dass die Weisheitslehren ohne vorherige Herzensreinigung nicht zu haben sind.
OR
Klage 1793
Gegen die Revolution. Ohne Gott.
HS
Sprüche des Pythagoräers Demophilus
Ganz wie Bibel
OR
Osterlied
Für deutsche Orthodoxe singbar – aber ist die Melodie von Lobt Gott Ihr Christen allzugleich nicht zu flott?
OR
Vom Gewissen
Wunderbare Abhandlung über Gutes und Schlechtes, und die Vor- und Nachteile beider. Wunderbar auch die therapeutischen Ratschläge, wie man mit sich selbst umgehen soll, um sich nicht zu entmutigen. Ulkiger Gebrauch von „ein jeder ist sich selbst der nächste“ für „sorge für deine Seele und lass alle anderen Sorgen“.
OR
Predigt eines Laienbruders zu Neujahr 1814
Über die Gottvergessenheit Deutschlands, und dass auf schlechtem Acker der Same nicht keimen kann. Und dass der Krieg insofern geholfen hat. (erinnert mich an Dostojewskis Tagebuch eines Schriftstellers, ganz am Ende. Durchaus Verwandtschaft.). Im Frieden dienen wir immerzu beiden Herren, um von beiden den Vorteil zu haben. Keine Entscheidung. Wie ungern der alte Adam stirbt. Und dass das Kriegselend von heute unseren Boden verbessert hat und eine chance ist. Auch die Vorstellung eines neuen Gottesreichs erinnert an Dostojewskis Hoffnungen. Für uns heute ist das absolut vorbei. Hat ja auch sein Gutes.
Und was Fürsten und Priester für dieses neue Gottesreich tun können, damit aus dem Elend eine neue Gläubigkeit wird.
OR
Der Fromme Heide, Gedicht
Das heutige Argument, dass die Muslime viel frömmer sind, hier an Heiden vorgeführt.
GK
Kommentar zu: Claudius, Mathias – Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten.