Droste-Hülshoff, Annette von – Das geistliche Jahr und geistliche Gedichte

(1820-1840 | 200 S.)

Mein Fazit zu ihr: Vieles bewundernswert und ergötzlich als „Literatur“. Vieles ist bewegend als Zeugnis eines Adlers (einer Adlerin) in Käfighaltung. Vieles ist erhebend, wenn man denkt, welche Kämpfe sie ausgefochten hat, um ihren Glauben gegen ihren Verstand intakt zu halten und um sich immer wieder zum Gehorsam gegenüber ihrer Rolle in der Familie hineinzufinden. Vieles ist bewundernswürdig, so etwa, wie sie ihre Liebe zur fürchterlichen Mutter aufrechterhalten hat. Aber ich kann nicht ganz einstimmen in die allgemeine Verdammung jener Familie, die ihre Dichtungen nicht würdigte. Zum Teil lag das wirklich an Engstirnigkeit, zum Teil aber auch an einer durchaus angemessenen Reserve der Kunst überhaupt gegenüber, zum Teil überdies an einem feinen Gespür für die Mängel, die trotz aller großer Begabung Annettes Werken anhaften. Auch ich finde mich abgestoßen von der „Lust am Grausen,“ in der ich eine gefährliche Verwundbarkeit sehe. Auch mich erschüttern ihre religiösen Gedichte als heroische Anstrengungen, aber ich würde sie den Kindern nicht empfehlen. Und ich sehe mit Beklemmung, wie bei Annette, anders als bei uns Orthodoxen, nicht mehr die Person im Mittelpunkt steht, sondern – naja, die Natur, das ist fein, aber auch – das Milieu. Begreiflich bei einer Autorin, die selbst von ihrem adeligen Milieu aufgefressen wurde. Aber bedauerlich, weil hier sich eine „Moderne“ zu Wort meldet, die Personalität nicht mehr in den Mittelpunkt stellt (wo sie – als Schöpfung – hingehört). Aber Annette kannte halt Christus nur auf katholisch, nicht auf orthodox, so daß die Liebes-Sehnsucht ihres wunderbar edlen Herzens nirgends „andocken“ konnte. 

https://www.nach100jahren.de/

 

Meinung

Cornelia meint:

Uff. Im Ersten Moment war ich schwer begeistert. Dieses zerrissene sehnsüchtige Gott-suchende Herz. Und natürlich ist die Sprache berückend. Dann aber stellte ich mir vor, diese Sachen den Kindern vorzulesen – und merkte, daß das nicht möglich wäre. Ja, Gott will ein reuiges und zerbrochenes Herz – und hier liegt dieses Herz gleichsam zermalmt vor dem Leser. Und wenn ich daran denke, wie der Heilige Sophrony in seiner Klosterzeit immer in seine Zelle stürmte, um dort die Handtücher nass zu weinen und nichts anderes wollte als weinen, dann gibt es da schon eine Anknüpfung. Aber der weint anders als die sich zerreißt. Irgendwie habe ich einen Geruch von Verzweiflung, aber auch Trotz gespürt. Und dann ist es sehr katholisch auf die Wunden Christi fokussiert. Da tropft dann immer mal Blut runter – was wir nicht so haben. Wir sehen auch das Kreuz immer in der Auferstehung. Ich kann es mir noch nicht richtig erklären, aber ich würde diese Gedichte für jeden Sonntag im Jahr auch mir selbst nicht zumuten, und die anderen auch nicht.

Die ersten 25 Gedichte entstanden 1819/1820, die folgenden 47 Gedichte erst 1839/40. Erstdruck des Zyklus: Stuttgart und Tübingen (Cotta) 1851. Einige Gedichte des Zyklus waren bereits in der Ausgabe der Gedichte von 1838 enthalten.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten100-300
AutorDroste-Huelshoff, Annette von

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