Droste-Hülshoff, Annette von – Die Judenbuche/Erzählungen

(um 1840 | 200 S.)

Cornelia: Mein Fazit zu ihr: Vieles bewundernswert und ergötzlich als „Literatur“. Vieles ist bewegend als Zeugnis eines Adlers (einer Adlerin) in Käfighaltung. Vieles ist erhebend, wenn man denkt, welche Kämpfe sie ausgefochten hat, um ihren Glauben gegen ihren Verstand intakt zu halten und um sich immer wieder zum Gehorsam gegenüber ihrer Rolle in der Familie hineinzufinden. Vieles ist bewundernswürdig, so etwa, wie sie ihre Liebe zur fürchterlichen Mutter aufrechterhalten hat. Aber ich kann nicht ganz einstimmen in die allgemeine Verdammung jener Familie, die ihre Dichtungen nicht würdigte. Zum Teil lag das wirklich an Engstirnigkeit, zum Teil aber auch an einer durchaus angemessenen Reserve der Kunst überhaupt gegenüber, zum Teil überdies an einem feinen Gespür für die Mängel, die trotz aller großer Begabung Annettes Werken anhaften. Auch ich finde mich abgestoßen von der „Lust am Grausen,“ in der ich eine gefährliche Verwundbarkeit sehe. Auch mich erschüttern ihre religiösen Gedichte als heroische Anstrengungen, aber ich würde sie den Kindern nicht empfehlen. Und ich sehe mit Beklemmung, wie bei Annette, anders als bei uns Orthodoxen, nicht mehr die Person im Mittelpunkt steht, sondern – naja, die Natur, das ist fein, aber auch – das Milieu. Begreiflich bei einer Autorin, die selbst von ihrem adeligen Milieu aufgefressen wurde. Aber bedauerlich, weil hier sich eine „Moderne“ zu Wort meldet, die Personalität nicht mehr in den Mittelpunkt stellt (wo sie – als Schöpfung – hingehört). Aber Annette kannte halt Christus nur auf katholisch, nicht auf orthodox, so daß die Liebes-Sehnsucht ihres wunderbar edlen Herzens nirgends „andocken“ konnte. 

Meinung

Cornelia meint:

Nun endlich komme ich ans Hauptwerk. Und daß das große Literatur ist, steht außer Frage. Ich bin aber zu blöd gewesen, wirklich alles zu verstehen. Friedrich Mergel, die Hauptperson, hat Förster Brandes an die Holzräuber verraten, – das hatte ich nicht kapiert. Auch nicht, daß sein Onkel, der ihn erzieht, zu den Räubern gehört. Auch nicht, daß der vermeintliche Johannes Niemand, der nach 28 Jahren ins Dorf heimkehrt, eigentlich Friedrich ist, der wegen eines Mordes geflohen ist, obwohl es hinterher so scheint, als hätte ein anderer diesen Mord begangen. Seine wahre Identität wird entdeckt, als seine aufgehängte Leiche an der Judenbuche gefunden wird, an deren Stamm  auf Hebräisch Rache angekündigt worden war.

Nagut. Wiki sagt, daß die Droste den historischen Stoff psychologisch geerdet hat durch die Hinzufügung der Vorgeschichte über das Werden des Mörders.

Daß diese Erzählung als ein gelungenes Beispiel des magischen Realismus es in den Schul-Kanon geschafft hat, kann man wohl verstehen. Dennoch finde ich daran nichts irgendwie Wertvolles. Alles ist in ein Natur-Dunkel getaucht, naja, spannend, aber es fehlt mir (Moralisten) eine take home message. Einfach nur über Fürchterliches zu lesen – warum?

Bei uns zu Lande auf dem Lande

Erst war ich beglückt: hier endlich hat sie ihre Stimme gefunden und erzählt frei weg von einem heimkehrenden Nachkommen aus westfälischem Geblüt, der mit Entzücken sich das Milieu seiner Ahnen erschließt. Aber dann kommen eididei Sachen über die jungen Leute und erste Liebesgeschichten bei denen, unverdaulicher Edelkitsch. Nein!

Aus Westfalen

Leider auch dies nur als Fragment. Mir gefällt es von all ihren Werken am besten. Hier beschreibt sie quasi ethno-geographisch die Sitten und Gebräuche der verschiedenen Kleinregionen Westfalens. Höchst amusant, lehrreich und anregend.  Nur natürlich kaum was für junge Leute, da jede Handlung fehlt. Sittenbilder trifft es wohl besser. Im Gedächtnis bleibt mir die Beschreibung einer Hochzeit, bei der die Braut immer nur weint, der Bräutigam quasi als Sieger dasteht. Ist es nicht so, daß die Sache heute umgekehrt aussieht? Heute triumphiert die Braut, wenn sie es geschafft hat, einen Mann in das Joch der Ehe zu spannen. Darum haben die Junggesellenabschiede auch den Geschmack eines „noch einmal frei Seins“. Damals – ohne sexuelle Freizügigkeit – verlor das Mädchen die kindliche Geborgenheit ihrer Unterordnung in der Familie und wurde zur Sklavin des Mannes. Da kann man schon weinen. Immerhin kann man sowas jedem Westfalen-Reisenden als Reiselektüre mitgeben oder bei Besuchen dort als Gastgeschenk mitbringen.

Ledwina

Unverdaulich, höchstens biographisch aufschlußreich, denn die Droste beschreibt ihr eigenes Zuhause.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 1. Hälfte
Seiten100-300
AutorDroste-Hülshoff, Annette von

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