Fontane, Theodor – Quitt

(1890 | 280 S.)

Meinung

Cornelia meint:

Ich kam nicht leicht rein, hatte Schwierigkeit, an dieser Milieustudie mit zwei wenig sympathischen Männern im Ego-Wettkampf Interesse zu finden. Aber nach dem Mord, als der Mörder nach Amerika entwischt und dort bei Menonniten unterkommt, hat es mich völlig gefesselt, denn plötzlich ging es da um das Fertigwerden mit der Sünde, die auf der Seele lastete. Er hat sich hervorragend gemacht und gewinnt sogar die Liebe der Haustochter Ruth, um die er, nachdem er sich zu diesem Glauben bekehrt hat und dem Vater alles beichtete, wie um Rahel dienen muss. Aber selbst die Rettungstat nach dem Biss der Kreuzottter war noch nicht genug, um den reuigen Mörder als Schwiegersohn zu qualifizieren. Und der dient weiter mit guten Hoffnungen, obwohl ein anderer Hausgast, auch ein Mörder während der französischen Revolution und Atheist, ihm voraussagt, dass es mit dem Lebensglück nix werden wird.

Das ist – als „Schuld und Sühne“ Stück (nur ganz anders als bei Dostojewskijs Nietzsche-besoffenem Raskolnikov) Orthodoxie-affin. Wer Menschenleben nahm, sollte sich klar sein über ein Leben der Umkehr und Buße. Durchaus. Aber anders als bei jenen Protestanten geht es bei uns nicht um ein Ableisten von einer verlangten Leistung, bis man quitt wird (hier durch den Tod beim Versuch, den Bruder Ruths und Sohn des Menonnitenpriesters zu retten). Denn die Verzeihung ist uns durch Christus immer schon geschenkt. Es geht nicht um eine Hoffnung, die sich auf Ableistung des Geschuldeten stützt, sondern um das Bemühen, den Schaden an der eigenen Seele zu heilen. Aber so ist das ein lohnendes Buch nur außerhalb einer orthodoxen Lebensform: denn dort geht es um das geradezu zwangsweise Entstehen von Hass zwischen Nachbarn, der zwangsweise auf einen Mord zuläuft. Sowas stimmt nur dort, wo die Menschen keinen Sinn für das göttliche Ziel ihres Lebens haben. Solche Milieu- und Schicksals-Beschwörungen spiegeln nur den Verlust wirklichen Lebens auf Gott hin.

Interessant auch der kantische Einwand des geheimen Rats Exner in der Heimat, wo hin der Priester den Bericht über allessschickte. Der sieht nur, dass der Staat aufgrund der Flucht des Täters nicht die Vergeltung üben konnte, zu der er verpflichtet und berechtigt war.

Jg

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorFontane, Theodor

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