Goethe, Johann Wolfgang von – Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten

(1795 | 140 S.)

In der Kritik kommt das Buch gemeinhin nicht gut weg. Mir aber ist wertvoll der Einfluss von Schillers Briefen über die moralische Erziehung.

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Meinung

Cornelia meint:

In der Kritik kommt das Buch gemeinhin nicht gut weg. Mir aber ist wertvoll der Einfluss von Schillers Briefen über die moralische Erziehung.

Es beginnt ganz harmlos: linksrheinische Aristokraten auf der Flucht vor Revolutionären Truppen. Der ganze Exodus eines eleganten Haushalts. Sohn Friedrich tadellos, Tochter Luise biestig und um Bräutigam im Feld besorgt, Vetter Karl ein Sympathisant mit der Revolution, Witwe Baronesse (warum nicht Baronin?) Traum-Führungsfigur, die den Haushalt zusammenhält. Bis befreundete Flüchtlinge ins rechtsrheinisch bereitstehende Haus hereinschneien. Die Frauen freuen sich über alte und neue Freundschaft, aber der alte Herr und Karl geraten so gründlich aneinander, dass die Geflüchteten unter Protest und Tränen davonziehen. Peripethie. Chefin ist zwar schnell zur erbetenen Verzeihung bereit, macht Karlchen aber klar, dass der angerichtete Schaden nicht wieder gut zu machen ist. Und fordert Besserung: die bezieht sich auf die Kultur der Unterhaltung in Gesellschaft, die durch die Wirren und Dissense hops gegangen ist. Man sollte an das Frühere anknüpfen, and Zartheit und Rücksichtnahme. Und die Kunst, trotz differierender politischer Ansichten miteinander liebenswürdig umzugehen. Jetzt soll jeder beitragen, was er Belehrendes und Unterhaltendes einbringen kann.

Rettung bringt hier, ziemlich frech behandelt von Luise, der alte geistliche Hausfreund, der Geschichten erzählen will, die allerlei Anforderungen genügen müssen. Und da geht es darum, mit Menschenliebe (ohne Bosheit) über die Widersprüche im Innern zu reden und wo, kurz gesagt, das Gute auf nicht-triviale Weise siegt. Aber quasi als Umweg fängt er erstmal mit Wundergeschichten an, die einüben sollen zu tolerieren, dass jeder dazu eine andere Meinung als seine eigenen bekennt. Und so geht das lustig reihum. Dann werden die Geschichten eher rätselhaft – wobei es übrigens immer um Liebe geht, hm, ja, und nicht besonders moralisch (und übrigens zumeist nach anderen Quellen nacherzählt…).

Und endlich geht es richtig los, und wir kriegen zwei absolut Moral-orientierte Geschichten, frei nach Kant und Schiller, wo die Tugend gerade in ihrer Unabhängigkeit von der Neigung bewährt wird. Das wird wunderbar reflektiert, und hier finde ich ausgeführt, was mich bei der Suche nach guter Literatur antreibt: Werke zu finden, an denen wir alle, und die Jungen insbesondere, wachsen können in Zeiten, in denen wir uns nicht an geistliche Schriften wagen wollen. Ein bisschen Spuk wird auch nicht versäumt (immer bleibt Goethe der gute Theaterdirektor, der neben dem Erhebenden auch das Aufreizende mit-bietet).

Ulkigerweise endet das Ganze dann mit dem Märchen, das ich schon früher kannte, und auch diesmal wieder, Romantik hin, Romantik her, neither here nor there fand. Vermutlich hochgradig allegorisch, – aber als solches mir leider unerreichbar.

Jg.

Info

Erscheinungsjahr18. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorGoethe, Johann Wolfgang von

Kommentare

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