Gorki, Maxim

Maxim Gorki (russisch Максим Горький) * 16. Märzjul. / 28. März 1868greg. in Nischni Nowgorod; † 18. Juni 1936 in Gorki-10, östlich von Moskau) war ein russischer Schriftsteller. Er hieß eigentlich Alexei Maximowitsch Peschkow (russisch Алексей Максимович Пешков, Transliteration Aleksej Maksimovič Peškov, Betonung: Alexéi Maxímowitsch Peschków)…. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Feuersbrunst 1905

Ein total verrottetes Dorf, ökonomisch, moralisch – wenn auch in wunderbarer Landschaft. Es gibt die zynische Führerfigur, den schwindsüchtigen Jungen, auf dem alle rumhacken, und den mystischen Ofensetzer, über dessen Wahrheiten sich alle lustig machen. Er versteht eigentlich nichts, kann nicht mal lesen, aber sein Herz antwortet auf – nun, Gorki erlaubt ihm, von der Kirche und von Gott zu sprechen. Und er ist der einzige, der bei der Feuersbrunst Menschen rettet.

Eine gute Geschichte über den Mob und die heimlichen Heiligen.

JG+

Der Nachwächter

Der Autor will „aufsteigen“ und zu diesem Zweck alles wissen, also in alle Lebensbereiche eindringen, um sie zu studieren. In der ersten Station erlebt er ein „Volk“ das sich der Ekstase der Leidenschaften mit all ihrer Schönheitssehnsucht, Grausamkeit, Leidensbereitschaft und anerkannten Sündhaftigkeit hingibt. Das hält er nicht aus, weil er zum Opfer der Rache der Köchin wird, deren Heiligstes er unabsichtlich verletzte. Immerhin ist diesen Menschen noch was heilig.  Zweite Stufe: ausgestoßene Intellektuelle, leblos, lieblos, farblos, langweilig und verachtet von der Stadt in der sie nach Dieben am Bahnhof suchen sollen. Einer ist eine Art Lichtgestalt der Bildung und Sehnsucht nach der besseren Gesellschaft, bringt sich aber aus Wehmut um. Dann gerät der Autor auf seinem Bildungsweg unter die Satanisten und wird, als er Einhalt gebieten will, arg zusammengeschlagen.

Alles gut und richtig und mit Barmherzigkeit beobachtet und aufgezeichnet. Ein Panorama des russischen Menschen. Gut. Aber nix für meine Kinder.

Der Diebstahl

Junger Kerl hat 4 Jahre als Bursche gedient und soll jetzt heim ins Dorf zur Frau. Inzwischen hat er kleinere Sünden begangen, eine Freundin, die interessanter ist als die Frau, bissel geklaut, und am Ende den Offizier und dessen Ehefrau doch ganz liebevoll gefunden, so dass er jetzt eine Art neu gewonnener Heimat verlassen muss.

Auf dem Schiff nach Hause wird er erst von einem Mönch gekapert, der ihm sein Geld abknöpfen will, dann ihn zum Spielen verführt, wobei er alles Geld verliert. In seiner Verzweiflung lehnt er sich an einen Dieb an, der ihn zum Stehlen verführt – er wird erwischt und ab ins Gefängnis, Leben erstmal ruiniert.

Erschütternd die Naivität dieses Jungen und seine Wehrlosigkeit in fremder Welt. Eindrucksvoll über die Gefahren einer Existenz, die den Ernst des Lebens niemals kennengelernt hat und wie ein Blatt vom Wind verweht wird.

JG-

Der Prinzipal

Lässt mich einigermaßen ratlos. Einerseits schildert er den Unternehmer als Ausbund von Laster und Hässlichkeit, und seine unterdrückten Arbeiter als elendes Gesindel. Andererseits kann dieser Autor, der selbst zum Gesindel gehört, nicht anders, als mit dem Blick der Barmherzigkeit auf all das Elend blicken. Als ob er doch noch an eine göttlich geschaffene Seele glauben wollte. Dafür spricht auch seine in der Darstellung zutage tretende Interesse-lose Integrität. Auch gelingt es ihm, endlich dem Neid, der Wut und dem Hohn der lieben Kollegen zu entkommen und diese zu einem Akt kontrollierter Gemeinsamkeit zu bringen: sie wenden sich gemeinsam gegen den Chef, kompensieren diesen Aufruhr dann aber durch doppelt gute Arbeit. Hier also der Beweis, dass ein untadeliger Mann eine Alternative zum Ausbeutungssystem des Unternehmertums darstellt. Inzwischen ist der Erzähler aber auch so weit gereift, dass er seinem Protagonisten ( im Gegensatz zu den vorangehenden Erzählungen)  die eigenen Grenzen einzuschätzen erlaubt und befähigt, sich gegen all das Böse seines Prinzipals zu schützen weiß. Er verlässt die Bäckerei, wo man ihn (der sich für unverzichtbar hielt) letztlich doch nicht vermisst (außer einigen Jungs, die ihn liebten). Am Ende fordert der Prinzipal von seinen Gläubigern seine eigene Bestrafung, zeigt also, daß doch noch ein frommes Gewissen am Ostersonntag in ihm lebt. Wie jene ihn aber auslachen, denn sein Laden geht ja gut, – da verschreibt er sich ganz dem Teufel, verkauft alles und haut ab. Hinterlässt nur Schulden und Schaden.

Ist das schon Reklame für den Sozialismus? Aber dessen Vorteile sind doch sichtbar nur im Horizont der Barmherzigkeit, die aus der Kirche kommt. Eben jener Kirche, die der Sozialismus zerstört.

Nachtasyl

Eine Ansammlung von Leuten, die ganz unten gelandet sind und sich gegenseitig nur kaputtmachen, sich selbst aber auch. Zunächst nicht berauschend. Dann kommt der alte Pilger, tröstet und erzählt fromme Geschichten, die seine Zuhörer als Lügen ansehen. Aber die Sterbende stirbt dadurch leichter. Einer will sich vom Alkoholismus heilen lassen (da wird aber nix draus). Ein hoffnungsvolles Paar ermutigt er, nach Sibirien zu gehen und richtig zu leben (da wird wegen der Bosheit der Verwandten auch nichts draus). Am Ende muss auch der Alte vor der Polizei fliehen. Und doch – im dritten Akt merkt man, dass er ein wenig Licht ins Dunkel gebracht hat mit seiner Menschenliebe, seiner Achtung. Ausgerechnet der Muslim erkennt das am klarsten, denn auch er weiß von einem Gesetz, nach dem man Leben muss.

Am Ende kanalisiert sich allerdings diese ganze Hoffnung in die Vision einer besseren Zukunft. Also – wieder mal eine Schneise geschlagen für die Revolution. Trotzdem ein gutes Stück, wegen des Lichts, auch wenn es verfälscht wird.

Jg

Kinder der Sonne

Das ist ein vorrevolutionäres Stück, in dem die Familie und ihr Umkreis sich durch völlige Lebens- und Liebes-Unfähigkeit auszeichnen, und die Unterschicht der Dienstboten ist kein bisschen besser. Der Professor lebt nur für seine Forschungen, die er mystisch zur Wahrheitssuche hin betreibt. Er verweigert darum auch jede von der neuen ökonomischen Klasse verfochtene Nützlichkeit. Bei alledem aber ruiniert er die Familienfinanzen und treibt seine Frau in die Arme seines noblen Künstlerfreundes, wo sie aber brav treu bleibt. Überhaupt ist diese Jelena ein Lichtblick, der alles aushält, dabei ein Herz fürs Wahreguteschöne und die Menschenwürde bewahrt und sogar die Cholera-kranke Schmiedfrau besucht. Wie sie hernach die revolutionierenden Bauern mit Pistole in Schach hält – ja das ist großartig.

Der Rest eher nicht. Die seelisch kranke Lisa hat den Blutsonntag 1905 mitgekriegt und kommt über die vielen Toten nicht weg. Ihr Kavalier, leider, kann nicht anders, als ihr mit Zynismen zusetzen. Eigentlich lieben sich beide, aber er kann nicht über seine Selbstdarstellungswünsche raus (mit denen er Lisa anders, robuster machen will) und sie merkt ihre Liebe erst, als er ausbleibt und sich aufgehängt hat. Die Schwester jenes Kavaliers hat auch keine gute Erziehung mitgekriegt, einen  reichen Alten geheiratet, wofür sie sich auch dann noch verachtet, als der gestorben ist. Verliebt sich in den Wissenschaftler, er das gar nicht versteht. Echt schräg, wenn auch mit schönen Sehnsüchten. Überhaupt haben alle Sehnsüchte auch nach der Kunst und dem Leben in der Sonne. Man liest die unsichtbare Schrift an der Wand: Ihr braucht die Revolution!!!

Ein großartiges Stück, hauptsächlich historisch interessant.

Hist

Wassa Schelesnowa

Wenn man jemals die Grenzen der „family values“ klar sehen möchte, dann ist dies ein gutes Buch. Mama Wassa hat zwar alles ertragen, erarbeitet, erduldet und sich dabei auch noch Liebe bewahrt und die Liebe zum Gärtnern., aber das Ehemann-Ekel stirbt einfach zu lange nicht – immerhin kriegt man noch ein Testament unterschrieben, das sie zur Alleinerbin einsetzt. Was gut ist, denn die beiden Söhne (im Unterschied zur Tochter) taugen nichts. Aber auch die Eltern taugten nichts, denn sie haben alle anderen gnadenlos dem Familienwohl geopfert: Dem einen Sohn wurde das Dienstmädchen ausgeliefert, und als sie das Kind getötet hatte, kann man sie damit erpressen. Die Frau des Tüchtigen ist biestig und die Frau des Krüppels schläft mit dem Onkel – ist aber sonst eine liebe Gute. Man nimmt mindestens zwei Morde auf sich, um das Geld in der Familie und in Wassas Hand zu halten, bevor die Söhne ihr alles wegnehmen. Der eine wird ins Kloster geschickt, der andere, der den Aufstand geplant hatte, arm und in die Welt. Die liebe Ludmila soll sich einen gescheiten Mann suchen, und Wassa wird die Kinder als Enkel anerkennen, genau wie die von Tochter Anna.

Unabhängig von alledem herrscht eine perfekte Hölle gegenseitigen Misstrauens. Jeder will dem anderen den Mord am Onkel zuschieben, der sein muss, weil Onkelchen sein Geld aus dem Geschäft ziehen will.

Berührt hat mich aber, wie bei alledem ein kirchlicher Hintergrund doch geblieben ist. Wie Wassa Natalya anfährt, weil diese, dass sie etwas Unangenehmes mitteilen konnte, zugleich genossen hat! Jeder weiß um das Gericht. Das ist, obwohl sie alle schrecklich sündigen, ein Trost. Also harter Toback für Jugendliche, die ihre eigenen nervigen Eltern hinterher etwas milder beurteilen könnten.

Jg

Jegor Bulytschow und die anderen

Obwohl dies 1930 verfaßt wurde, ähnelt es sehr der Wassa von 1910: Wieder intrigieren in einer Kaufmannsfamilie alle gegen alle. Hier nun ist der Graus allerdings noch grausiger, denn alle Religion wird nur noch mit Blasphemie überzogen. Vor-revolutionärer Zusammenbruch aller Ordnungen drumrum, der Zar hat soeben abgedankt und im Land herrscht schon Chaos. In diesem moralischen Sumpf ragt Schura, das uneheliche Kind Jegors, heraus: mit Frechheit besiegt sie alle, die noch ein wenig von alter Ordnung um der Lüge willen aufrechterhalten wollen. Ihre Liebe zum Vater ist echt, und vermutlich ist sie die positive Identifikationsfigur. Nu -interessant für die sozialistische Rezeption der Revolution. Es gibt noch eine Fortsetzung „Dostigaew und die anderen“ – aber eigentlich interessiert mich solch sozialistische Bekenntnis-Literatur nicht mehr.

Hist

Wassa Schelesnowa zweite Fassung 1935

Auf Anfragen seitens der Behörden hat Gorki das Stück den „Bedürfnissen der Zeit“ angepasst, d.h. neu geschrieben. Grundkonstellation dieselbe, aber jetzt ist die Familie Kapitalismus-gerecht ausbeuterisch (spart am Gehalt der Angestellten), Wassa bringt den eigenen Mann um (der hat Kinder missbraucht, und sein Prozess wird die Familienehre schänden – und sterben will er nicht, da muß man ihn halt vergiften) und nachher stirbt auch sie. Symbolisch für ihre zugrunde gehende Klasse. Abgesehen vom Glauben, der nur noch als Karikatur im Popen übrigbleibt, ist es auch mit den family values vorbei. Wie im früheren Stück intrigieren alle gegen alle, die Männer verführen die Frauen, das Dienstmädchen wird in den Tod getrieben. Treu und redlich ist die Sekretärin, die sich weigern will, die Schwiegertochter an die Behörden zu verraten. Dieselbe wird nämlich steckbrieflich als Revolutionärin gesucht und aus dem Ausland gekommen um, da ihr Mann grad stirbt, ihr Kind in die Schweiz zu holen. Denn als Revolutionärin kann sie sich natürlich um sowas nicht kümmern. Wassa will ihr das Kind nicht geben, sondern als Erben der Firma erziehen. Aber „erziehen“ wäre auch bei ihr ein Witz. Begreiflich, dass Rachel den Jungen entführen will. Diese Rachel wird als Ideal einer revolutionären Frau der Zukunft hingestellt. Brr. Sie sieht alles nur vom „Klassenstandpunkt“ aus. Und Wassa ist zwar eine „Menschenfrau“ mit geerdetem Gefühlsleben und großer Geschäftstüchtigkeit – aber das ist alles vorbei. Aus irgend einem Grunde stirbt sie, – vermutlich weil sie bemerkt, wie sich alle gegen sie verschwören. Außer der dummen Ludmilla, für die sie einen größeren Garten plant. Und selbst die brave Anna klaut am Ende das „ihr Zustehende“.

Muss niemand lesen!

Kommentare

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