Hesse, Hermann – Eine Stunde hinter Mitternacht / Der Novalis

(um 1900)

Meinung

Cornelia meint:

Das war einer meiner ganz großen Seelenführer in meiner Jugend.  Ich lese jetzt mit einigem Schrecken Sachen von ihm, die ich nicht kannte.

Der lyrische Charakter, der das Frühwerk durchzieht, erinnert mich an Eichendorff. Auch hier gilt: was mich früher entzückte, empfinde ich heute als gemacht, und trivial weil so erwartbar der Wohlklang dahinreimt. Aber ich bin sowieso nicht der Typ für Lyrik – dazu geht es in meinem Leben zu heftig zu.

Eine Stunde hinter Mitternacht

Besteht aus Kapiteln, in denen ein noch junger Hesse den alten Mann mimt, der von stürmischer See Leid-zerfurcht und verkommen an den Strand seiner Erinnerungen geworfen wird: was für ein holdes Büblein war ich doch, und wie ist alles vergangen – und doch bleibt die Ermutigung für die Zukunft und das Wiederfinden. Dann geht er alle alten Schwärmereien durch und die Männerfreundschaften. Bei ersteren verstimmt mich das eitel dahingetupfte Erotisieren, beim zweiten ein Bekenntnis zu Abgründen der Bosheit, des Neides und der Mordlust, womit ich nicht gut umgehen kann. Wer sowas evoziert, hat schon einem Teufel die Hand gereicht.

Der Novalis

Auch hier denkt sich der ganz junge Hesse in einen „alten Hagestolz“ hinein, dessen Bibliophilie aber Platz lässt für die Geschichten der Vorbesitzer seiner Ausgaben. Es ist ein Buch über Bleibendes im Wandel der Moden, und über die Gemeinschaft derer, die bestimmte Bücher liebten, gegenüber der Isolation des Autors. Merkwürdig, er träumt fast ein wenig von etwas, das wir aus dem liturgischen Leben kennen, ohne natürlich irgendwas von diesem Erfülltsein zu wissen.Hier ein Novalis, der vom verschuldeten Literaten an den Freund verkauft wird, damit nicht der Buchhändler ihn für weniger Geld zurücknimmt. Der liest seinerseits einem Freund die Nachthymnen vor, und jener gesteht ihm die kommende Verlobung. Und als jener ihn um Hilfe bittet, um mit dem Mädchen zu reden, beschließt der Besitzer, dem Freund die Bände zu widmen. Und dann verliebt er sich selbst in das Mädchen und sie sich in ihn, und der gewidmete Novalis wird zurückgeschenkt. Der Sohn des Paars erbt, nimmt den Novalis auf Reisen mit nach Italien. Stirbt dort und wiederum ein Freund erbt die Bände, die der jetzige Besitzer bei einem Besuch dort entdeckt: Dabei teilt er mit, dass in Deutschland der lang vergessene Dichter wieder gelesen und gewürdigt wird. Und mit der Tochter des Hauses beginnt eine Liebesbeziehung. Aber dann führt er einen besuchenden Freund dort ein, liest von Novalis was vor, der Freund macht das lächerlich – und das Mädchen lacht mit. Und heiratet dann auch den Witzbold. Der Besitzer verabschiedet sich, er hatte vom Vater des Mädchens den Novalis zum Abschied erbeten.  Und da das Mädchen bald nach der Hochzeit stirbt, wacht die Freundschaft zu ihrem Mann wieder auf, der den Novalis doch geschätzt hatte,  – und diese Freundschaft bleibt.Das ist alles so ein bisschen sentimental angetippt. Man muss zur „Gruppe“ gehören, um zu verstehen. Da macht sich keiner die Mühe, etwas Konkretes über Novalis zu sagen.  Nun – hab ich selbst Novalis schon lange nicht mehr gelesen, bleibe also außen vor. Aber würde sein Werk was Erhellendes zur Rahmenhandlung beitragen? Wozu das Ganze? Um eine bestimmte Stimmung zu schaffen. Ein leiser Weltschmerz, bei dem nur die Freundschaft wirklich bleibt.

Info

Erscheinungsjahr20. Jh., 1. Hälfte
Seiten100-300
AutorHesse, Hermann

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