
(1899 | 700 S.)
Meinung
Cornelia meint:
Tolstoys Blick auf diesen Nechljudow ist der Blick eines Menschen auf sich selbst: wissend, verständnisvoll, gnadenlos. Und der lernt sehen, sobald der Prozess gegen Katjuscha zu einem Irrtum führt, sie ist unschuldig, und er hat es verbaselt. Und sie eh durch frühe Verführung ins Unglück gestürzt. Da wird er wach, all seinen Kreisen (fürstlich) entfremdet, und öffnet die Augen für die ganz gewöhnliche bürokratische Inhumanität, mit der die Armen und Benachteiligten kaputtgestraft werden, während bei den besseren Leut alles durchgeht. Leidenschaftliche Gerechtigkeitsidee gegen das Interesse an „irgendeiner“ Stabilität, die dieses System aufrechterhält. Entscheidend der Bruch zwischen Egoismus und dem Hinsehen auf das Leid wunderbarer Menschen.
Tolstoy sieht klar die Inhumanität der Revolutionäre. Er scheint tatsächlich zu meinen, man solle dem Bösen nicht widerstehen, wie Soloview meinte. Er hat kein Verständnis für die Gefallenheit der Welt – die tröstet ihn durchaus nicht. Dazu kommt, dass er die Kirche nur als Lüge ansieht, weil sie eben keine Liebe lebt. Das ist derselbe Ansatz wie bei Bucharev, Soloview und Bulgakov, die dann zu einer christlichen Humanität durch mehr Betonung der Inkarnation kommen wollen. Blasphemische Darstellung eines Gottesdienstes – schwer auszuhalten, dann zugleich die Große Barmherzigkeit. Ein Buch, das einem keinerlei Ruhe läßt, denn so viel Wahres stößt gegen unsere Herzensträgheit.
Info
Erscheinungsjahr | 19. Jh., 2. Hälfte |
Seiten | > 600 |
Autor | Tolstoi, Lew |
Kommentar zu: Tolstoi, Lew – Auferstehung.