Dostojewski, Fjodor – Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

(1864 | 190 S.)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch ist ein kurzer Roman von Fjodor Dostojewski, der erstmals 1864 in der Zeitschrift Epocha erschien. Er zählt zu Dostojewskis bekanntesten Werken und gilt bei vielen als erster existentialistischer Roman. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Pu brr.

Interessant wird es ab VII mit einer Kritik an der Aufklärung im Blick auf den Glauben an das Gute im Menschen, der nur aufgeklärt werden muß über seine Vorteile, dann wird er rational und gut handeln. Ebenso verhackstückt wird der Utilitarismus, weil der Begriff des Vorteils zu unklar ist. All das ist immer noch aktuell. Auch seine Kritik am Fortschrittsglauben und an die zivilisierende Macht der Zivilisation. Weil der Mensch sich auch gegen die perfekteste Planung immer auflehnen wird und lieber leidet, als sein spontanes Eigenwollen aufzugeben. In VIII wird dann die Widerlegung des freien Willens ebenso kritisiert. Hier betont er die Bedeutung des Willens zur Individualität und Persönlichkeit, die einen Menschen, dem man seine Determiniertheit nachweist, eher dazu veranlassen wird, verrückt zu spielen als ein Drehorgelstipfchen zu sein.

All dies ist Schulbuchfähig. Muß man dazu wirklich I-VI lesen?

Danach erzählt er seine schlimmsten Verfehlungen, und man sieht einfach, daß ein Mensch, der niemals Liebe erfahren hat, sein Leben lang geschädigt bleibt, weil er vor lauter Unsicherheit und Angst vor Demütigung immerzu alles als gegen sich gerichtet erfährt. Komischerweise kenne ich diese Verrücktheit von mir selbst aus problematischen Beziehungen. Immer dann, wenn da schonmal Verwundungen und Mißtrauen und Furcht vor neuen Verwundungen lebendig sind, dann mißverstehe auch ich alles als gegen mich gerichtet. Man sieht hierbei, wie sehr wir einander die Nächstenliebe „wie uns selbst“ schulden, und wie wir tatsächlich verantwortlich sind für alles Übel, das geschieht, denn das Übel geschieht aus Liebesmangel, und wir hätten den beheben sollen, so wie Starez Sossima sagt. Und in dieser Verarmung kommt es zu jener Besessenheit durch das Böse, daß ein Mensch das Böse sogar um des Bösen willen will, einfach darum, weil er nur dadurch meint, sich des gegen ihn selbst gerichteten Bösen bemächtigen zu können. So endet er im Rachen des Teufels.

Davon handelt dieses Buch. Jeder Versuch, sich Liebe zu erwerben durch Mitgefühl, beim Mitschüler, bei der Hure, endet damit, daß er diese Menschen, die bei ihm Liebe suchen, zerstört. Furchtbar.

Am Ärgsten, wie er die Hure von ihrem job weg-überzeugen will. Wie bei Fürsten in Erniedrigte und Beleidgte, kommen aus dem Mund des Bösen wahre Worte. Aber wie dort die Wahrheit nur Schlimmes bewirkt, so hier fehlt den wahren Worten das Bekenntnis durch die Person. Es gibt das Wahre, und seine Wirkung als hilfreich hängt von dem ab, der sie ausspricht. Das ist eine wichtige Unterscheidung, die man sich merken muß.

Man kann dieses Buch Jugendlichen eigentlich nur Ausschnitt-weise empfehlen, also im Unterricht als Diskussionsunterlage mit ausgewählten Passagen. Als Ganzes finde ich es zu pervers.

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten100-300
AutorDostojewski, Fjodor

Kommentare

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