Trotz der Berufung der Kirche zu Eintracht und Einheit, und damit zum Frieden, müssen – sagt Paulus – Konflikte und Drangsale sein, damit die Bewährten sichtbar werden:

Solche Drangsale erinnern an den Gegensatz zwischen Christus als dem Haupt der Kirche und dem weiterhin mächtigen „Fürsten“ der gefallenen Welt.
Dieser Gegensatz, wie immer er die Berufung der Kirche zur wahrhaft Christus-gegründeten Einheit und Eintracht behindert, sichert dennoch genau jenen Freiraum, den die Entfaltung menschlicher Gegenliebe braucht. Weshalb ja auch schon im Paradies die Schlange frei rumlaufen durfte.

Diese Entfaltung geschieht durch Kämpfe, und zwar

(a) weil die der Kirche feindliche Weltverhaftetheit auch nach der Taufe weiterhin in unseren Gliedern wirkt

(b) weil jene feindliche Welt zugleich der Einladung in die Liebe Gottes zugänglich gemacht, und somit verkirchlicht werden soll

a) Die innere Welt-Verhaftetheit der Kirchen-Glieder

Die in den Gliedern der Kirche fortlebende Weltlichkeit ist die Ursache für Auseinandersetzungen, die den zur Vereinigung mit Christus berufenen Innenbereich der Kirche

1) mit (asketisch bemühtem) Leben erfüllen, = gut
2) (als un-bekämpfte) beschädigen, = schlecht
3) aber auch durch offenen Widerstand schützen. = gut

Überall also Kampf, Streit, Auseinandersetzung.

1) Der Kampf gegen die Sünde in jedem Glied der Kirche

Jedes ihrer Glieder verteidigt ja sein eigenes kirchliches Leben gegen den – je nach geistlichem Fortschritt – mehr oder weniger tiefgreifenden Widerstand in ihm selbst. Er gerät also in innere Konflikte, die seine mangelnde Verbindung zu Christus deutlich machen. Solche Konflikte können ihn auch aus der Eintracht mit seinen Brüdern (in Gemeinde und Familie) herauswerfen. Solch innere und äußere Zwietracht widerspricht der Berufung der Kirche zur Einheit nicht.

2) Die Herrschaft der Sünde in den Gliedern der Kirche

Beschädigt wird die Berufung der Kirche durch solche innere und äußere Zwietracht nur dann, wenn nicht dagegen angekämpft wird. Dann weichen die Glieder der Kirche vom Pfad der Liebe, des geduldigen Ertragens, und der Eintracht mit den Brüdern ab.

Auch die hochgeistigen Häretiker tragen ja in das „Paradies der Kirche“ nur eine Neuauflage der Ur-Versuchung im ersten Paradies, in stolzer Selbstermächtigung vom verbotenen Baum der Erkenntnis zu essen:

3) Der Auftrag, die Kirche vor schlechter Entzweiung zu schützen

Jedes Glied der Kirche ist aufgerufen, auch bei den Brüdern Nachlässigkeit, Übertretung oder Verfälschungen der Wahrheit zu bekämpfen und hierfür die Last Glaubens-treuer Konfliktbereitschaft auf sich zu nehmen. Sie folgen dabei dem Vorbild der Apostel, die bei der Scheidung menschlicher (entbehrlicher oder schädlicher) von göttlichen Traditionen den klärenden Streit nicht scheuten.

Im Umgang mit Sündern heißt dies:

(Und natürlich denken wir dabei an den Balken im eigenen Auge.)

Wenn einer sündigt gegen Dich, sag es ihm privat, wenn er nicht hört, nimm zwei andere mit, wenn er nicht hört, sag es der Kirche, wenn er dann nicht hört, meide ihn

Meidet Häretiker!

Reuige Sünder muß ein Bischof annehmen, denn auch Gott ist barmherzig:

Aber die Gutmütigkeit hat Grenzen:

b) Die Außen-Welt als Missions-Aufgabe

Die Feindschaft der Welt gegen die Kirche kennt viele Motive.
Zentraler Stein des Anstoßes ist die kirchliche Berufung zur Vereinigung aller Menschen mit Gott.
Die Kirche darf sich nicht mit den Freiräumen begnügen, die Staat und Gesellschaft ihr als Nischen zugestehen. Sie darf sich nicht bloß mit religiöser und kultureller Andersheit begnügen,
die z.B. den Juden im alten Rom eingeräumt wurde. Ihnen wurde die Pflicht zum Caesarenopfer erspart, weil sie sich als ethnische Sonderreligion verstanden, die für den universalen Herrschaftsanspruch der Kaiser keine Konkurrenz bedeutete.
Selbst tolerante und liberale Mitmenschen – auch unter den „aufgeklärten“ Christendes Westens – sind der Kirche feindlich gesinnt, weil sie für ihre Verkündigung

1) unbedingte, universale Wahrheit beansprucht
2) ausschließlich gültige Wahrheit beansprucht
3) und den Zugang zur Fülle dieser Wahrheit an Bedingungen knüpft.

1) Unbedingte, universale Wahrheit

Anders als die im Westen anerkannten universalen Menschenrechtserklärungen oder Vorstellungen über ein Welt-Ethos ist die Wahrheit der Kirche konkret und partikular. In ihrem universellen Heilsversprechen:

Joh 14,6

Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

… steckt als „Genom“ die Besonderheit göttlicher Auserwählung eines ganz bestimmten Volks und ganz bestimmter historischer Bedingungen für die Menschwerdung Gottes und die Gestalt Seiner Kirche. Damit läßt sich diese Wahrheit nicht als allgemein Konsens-fähig behaupten wie jene abstrakt formulierten moralischen Normen, die jeder anders verstehen kann. Damit kratzt die Kirche am Götzenbild einer für Gläubige wie Ungläubige gleich verpflichtend gesetzten moralischen Vernünftigkeit.

2) Ausschließlich gültige Wahrheit

Der Anspruch auf ausschließliche Gültigkeit der kirchlich verkündeten Wahrheit verletzt, was vom weltlichen Standpunkt als „Friede“ durch gegenseitiges Geltenlassen gilt.

Wer die Kirche nicht zur Mutter hat, kann Gott nicht als Vater haben:

3) Zugangsbedingungen zur Wahrheit

Ihre strengen Aufnahme- und Teilnahmebedingungen verstoßen zudem gegen das säkulare Ethos unbegrenzter Anerkennung und Inklusion, das zur Erhaltung dieses menschlichen Friedens als unverzichtbar gilt. (Sie ist nicht „offen“ für Häretiker).

Darum gelten auch die Versprechen Christi…

… nur für jene, deren Einstimmung miteinander in Seinem Namen sich an der Zugehörigkeit zu Seinem Leib bewährt.

So wird die Kirche, wie Christus selbst voraussagte, zum Risiko jenes Menschen-gemachten Friedens.

Vgl. auch das Schwert in

und das Ausgeliefertwerden:

Für die Berufung der Kirche bedeutet dies, daß Einigkeit oder Eintracht innerhalb der Gemeinden und, mehr noch, zwischen ihnen und ihrer Umwelt, nicht an sich gefordert sind. Sie sind gefordert nur soweit sie auf Einheit mit dem Willen Christi beruhen.

Die Kirche in unserer Welt, und wir selbst in ihr, stehen noch im Kampf, sind ecclesia militans, nicht triumphans. Die Kirche dient hier noch als Armee. Bemerkenswert für eine Armee ist nicht das Vorkommen von Angriffen und Versuchungen. Erhoffbar ist für sie nicht die äußere Ruhe.

Der Frieden, den Christus aber trotz allem versprach…

… ist nun allerdings nicht immer leicht zu unterscheiden vom Scheinfrieden unter bekennenden Gottlosen. Nette Leute, die gar nichts glauben oder an alles nur ein bißchen, können ihren Neigungen leben und das Neigungsleben anderer (und sogar ihrer Kinder!) urteilslos anerkennen.

Sie können sich in der irdischen Welt so geschickt einrichten haben, daß sie einander nicht in die Quere kommen. (Immerhin! Besser als der Krieg aller gegen alle bei Hobbes!)

FAZIT

Die Heiligkeit der Kirche liegt nicht im Fehlen von Kämpfen, sondern in der Art ihrer Kriegführung. Entscheidend ist ihr Umgang mit solchen Prüfungen. Dieser Umgang soll nun im Rahmen des kirchlichen Handelns in der gefallenen Welt betrachtet werden.

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