Allgemeines
Ich will mehr über die Orthodoxie wissen. Wie fange ich das an?
Geh nicht in den nächsten Buchladen. Bestelle nicht Hagia Sophia leer. Das hat Zeit. Suche Kontakt zu Orthodoxen, die es ernst meinen. Klöster und Gemeinden, das orthodoxe Forum notfalls. Frage uns, wenn du niemanden finden kannst. Wir können (hoffentlich) helfen. Wir arbeiten an einer Liste…
Kirche ist Gemeinschaft, am Smartphone ist noch keiner heilig geworden 😉
Abgesehen von den Sprachbarrieren: ist bei euch alles anders, oder findet man als westlicher Christ auch Bekanntes?
Es wird dich überraschen, wie viel wir gemeinsam haben (oder hatten – vieles, was für uns und deine Errettung so wichtig wäre, ist in den westlichen Kirchen leider etwas aus dem Blick geraten. Finde es heraus!).
Immerhin sind Ost- und Westkirche 1000 Jahre lang ihren Weg gemeinsam gegangen.
Heilig, heilig, heilig, Herr Sabaoth. Erfüllt sind Himmel und Erde von Deiner Herrlichkeit. Hosanna in den Höhen. Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in den Höhen.
(Siegeshymnus, aus dem Hochgebet der Liturgie)
Videotipp: Orthodoxie und Nationalität
Gibt es bei euch auch Mönchsorden wie bei den Katholiken?
Nein. Die Regelwerke, nach denen Mönche In der Ostkirche ihr Zusammenleben organisieren, sind zwar unterschiedlich, haben aber gemeinsame Ursprünge – entweder im Studion-Kloster von Konstantinopel oder in Jerusalem.
Diese Quellen gelten als Goldstandard – unzählige Heilige haben durch ihr Leben nach diesen Regeln christliche Vollkommenheit erlangt. Daher sind die (durchaus orthodoxen) Regeln etwa des hl. Augustinus oder des hl. Benedikt im Osten nicht verbreitet.
Gibt es so etwas wie die Caritas in der orthodoxen Kirche?
Straffe Organisiertheit ist eher nicht das Wesensmerkmal der Orthodoxie. Die ist zwar zu Recht stolz auf ihre – trotz vieler äußerlicher Differenzen – innere Einheit im Geiste, begreift sich aber immer als lebendiger Leib Christi, weniger als gesellschaftliche Organisation.
Selbstverständlich engagieren sich viele orthodoxe Christen auf lokaler Ebene karitativ, und es gibt auch Ansätze überregionaler Vernetzung, wo man sich über jede Mithilfe freut.
Eine Kommerzialisierung und Professionalisierung wird aber eher als etwas betrachtet, das am eigentlichen Ziel von „Kirche“ vorbeigeht.
Wieso geht das so schleppend mit der Ökumene und der Wiederherstellung der
Kommuniongemeinschaft?
Es gibt auch in den orthodoxen Kirchen ein starkes Bewusstsein dafür, dass der Zustand der Getrenntheit der Christen falsch und schmerzhaft ist. Wir wissen aber ebenso sicher, dass Kompromisse in Glaubensfragen zwangsläufig eine Schwerpunktverlagerung nach sich ziehen – und
wir haben nicht zweitausend Jahre die Mitte der kirchlichen Wahrheit bewahrt, um sie jetzt leichtfertig dahinzugeben.
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ – so wird der orthodoxe Christ mit
Tränen in den Augen die Wahrheit der Väter gegen die Verlockung äußerlicher Einheit verteidigen.
Wir sehen schmerzhaft, dass viele in den westlichen Konfessionen den Abstand zur Väterlehre in verschiedener Hinsicht immer weiter vergrößern, und wir müssen uns diesem Wettlauf um die Gunst der Welt leider verweigern – unserem und aller Heil zuliebe.
Was ist Ökumenismus ?
Ein Beitrag von Cornelia Hayes PDF-Download Bei Wikipedia lesen wir: Mit dem Wort Ökumenismus wird, zur genaueren Unterscheidung von Ökumene im Allgemeinen, in kirchenamtlichen Dokumenten der römisch-katholischen Kirche die gegenseitige Anstrengung der großen christlichen Konfessionen zur Wiedergewinnung der sichtbaren Einheit der Kirche Jesu Christi bezeichnet. Im Licht der orthodoxen Tradition der Kirche hingegen bezeichnet der…
Was habt ihr eigentlich gegen den Papst?
Nichts.
Wer ist denn nun der Chef bei euch?
Wenn wir auch nichts gegen den Papst haben, so ist uns doch das Prinzip der Konziliarität heilig:
Wahrheit kann niemals individuell sein, sie ist immer das Ergebnis der versammelten Kirche – sie wird im fairen konziliaren Miteinander vom Heiligen Geist inspiriert, und muss vom Leib Christi, von der gesamten Kirche angenommen werden. Sie ex cathedra zu verordnen, ist nicht unser Ding.
Deshalb kann die orthodoxe Kirche auch den Papst nicht als gesetzgebenden Chef akzeptieren – es wäre gegen alles, was wir in der Apostelgeschichte und bei den heiligen Vätern lesen. Außerdem
haben wir schon einen Chef – es ist der Herr Selbst. Die Ortskirchen haben zumeist einen Patriarchen, der aber genauso wenig „durchregieren“ darf, sondern seinen Bischöfen weitgehende Eigenständigkeit einräumt – auch in jedem Patriarchat entscheidet über das Grundsätzliche die Versammlung der Bischöfe.
Kanonisches
Stimmt es, dass Priester bei euch verheiratet sein müssen?
Nicht ganz. Gemeindepriester sind bei uns in der Regel verheiratet, und das ist für das Verhältnis zwischen Gläubigen und Priester ein großer Segen. Der Priester teilt die Sorgen seiner Schäfchen, und die mit dem Zölibat verbundenen Versuchungen sind ihm fremd.
Natürlich kann auch ein Mönch zum Priester geweiht werden, und für das Bischofsamt ist das sogar Voraussetzung. Ist man allerdings erst einmal Priester geworden, hat man seine Wahl getroffen – heiraten geht dann nicht mehr.
Was haltet ihr vom Priestertum für Frauen?
Nichts.
Die zentrale Aufgabe des Priesters in der orthodoxen Kirche ist der Vollzug der Göttlichen Liturgie. Wir verstehen diese Liturgie nicht als Einzelveranstaltung, sondern wir versetzen uns hinein in die ewige Liturgie der Heerscharen der Engel im Himmelreich, wie sie Moses auf dem Sinai schauen durfte, und vergegenwärtigen das Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern.
Der Priester verkörpert dabei (nicht wie ein Schauspieler, sondern als Symbol, als Ikone) unseren Herrn Jesus Christus. So wie es keine weibliche Darstellung Jesu auf einer Ikone geben kann, so lässt sich der Herr auch nicht durch eine weibliche „menschliche Ikone“ ausdrücken.
Noch wichtiger: Den Auftrag, das Heilige Abendmahl zu vollziehen, hat der Herr bei gerade diesem Abendmahl an 12 Jünger erteilt, allesamt Männer. Ein Zufall? Wir glauben – nein.
Wieso haben viele Orthodoxe noch den alten Kalender, und wie wirkt er sich aus?
Der aus weltlicher Sicht durchaus antiquierte, weil auf Caesars Zeiten zurückgehende Kirchenkalender geht bekanntermaßen nach – ungefähr zwei Wochen, und alle paar hundert Jahre kommt ein weiterer Tag dazu.
Das ist eine Frage, die „irgendwann einmal“ entschieden werden muss, besondere Eile tut aber nicht Not. Es geht schließlich irgendwie schon zweitausend Jahre gut.
Der Nachteil einer Veränderung: viele hängen an dem alten Kalender – im schlimmsten Fall würde es zu Spaltungen kommen. Außerdem: Wenn man sich mit dem Kalender näher beschäftigt, entdeckt man in ihm eine ganz und gar griechisch-kosmische Harmonie, einen wunderbaren Einklang mit den Gestirnen, eine Periodizität, die mehr ist als „nur“ Mathematik und Astronomie. Dieser Takt, dieser „Puls“ der Ewigkeit, gerät bei einem Eingriff zwangsläufig aus den Fugen. Nicht jeder mag diese Weltenharmonie gegen die Harmonisierung zum weltlichen Kalender tauschen.
Gleichwohl gibt es bereits viele Gemeinden, die nach dem „neuen Stil“ Gottesdienste feiern.
Ostern feiert ihr manchmal zusammen mit den Westchristen, manchmal auch x Wochen später. Warum eigentlich?
Das liegt nicht nur an der gerade beschriebenen Verschiebung zwischen „altem“ und „neuem“ Kalenderstil. Schließlich bestimmt sich das Osterdatum nach dem ersten Frühjahrsvollmond, und oft ist es nicht nur nach Gregor, sondern auch nach Julius schon Frühjahr, wenn dieses Himmelsereignis eintritt.
Nach der überlieferten Regel warten wir aber stets auch noch das jüdische Pessah-Fest ab – das sich noch anders, nämlich nach dem jüdischen (Mond)kalender berechnet – bevor unser Pas’cha, unser Osterfest stattfinden kann.
Erstaunlicherweise gibt es aber immer noch Jahre, wo westliches und östliches Osterdatum zusammenfallen. 2025 ist es wieder einmal soweit.
Liturgisches
Wieso dauern eure Gottesdienste so lange? Habt ihr sonst nichts zu tun?
Die Antwort lautet beide Male: Eigentlich nicht. „Betet ohne Unterlass“ ist etwas, das auch vielen orthodoxen Christen im Trubel des weltlichen Lebens nicht gelingen mag, doch wenn man es im Gottesdienst schafft, sich für eine gewisse Zeit (da ist eine dreiviertel Stunde zuwenig) aus der Hektik zu lösen, beginnt man zu spüren, dass in der anderen Realität dieses Gottesdienstes etwas Erstrebenswertes, Höheres liegt, dem man gerne noch näher wäre. Natürlich setzt das einen Gottesdienst voraus, der alle Sinne anspricht und den vom Alltag zugedeckten Wunsch nach Einung mit Gott freilegt und bestärkt.
So vollkommen wie die Liturgie der Engel am Thron des Herrn gelingt uns das hier auf Erden nicht immer, gerade in den kleinen Gemeinden.
Aber die Atmosphäre eines orthodoxen Gottesdienstes mit seinen Ikonen, Kerzen, Gesängen, dem Weihrauch und dem liturgischen Gebet schafft hier das Menschenmögliche – und die Heerscharen der Engel und Heiligen, die mit uns dienen, ergänzen barmherzig das Übrige.
Die Kraft, den Widrigkeiten des Alltags zu widerstehen, gewinnen wir gerade aus dieser Gottesnähe, und in vielen Gemeinden ist es üblich, auch nach dem Gottesdienst nicht gleich auseinanderzulaufen, sondern noch gemeinsam zu essen und Gemeinschaft zu pflegen, oder Taufen und Ehekrönungen zusammen zu begehen, Fürbitten zu halten, Totengedenken….
Da ist dann wirklich der ganze Sonntag dem Herrn geweiht – so, wie es sein soll.
Stimmt es, dass bei euch auch Kinder zur Kommunion dürfen?
Natürlich, sogar als Erste.
Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.
– Wer könnte nach solchem Herrenwort Kindern die Gemeinschaft mit Ihm verwehren?
Stimmt es, dass bei euch die Kommunion immer unter beiden Gestalten, d.h. mit dem Leib und dem Blut des Herrn erfolgt?
Nur so, und nicht anders. In diesem fundamentalen Sakrament (oder, wie wir sagen, Mysterium) wäre es kaum entschuldbar, von dem abzuweichen, was der Herr uns wörtlich geboten hat:
Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
Die Heiligen Gaben werden den Gläubigen vom Priester mit einem silbernen Kommunionlöffel, in beiden Gestalten zugleich, direkt in den Mund gespendet.
Habt ihr auch die sieben Sakramente?
Im Großen und Ganzen: Ja. Sie weichen allerdings in einigen formalen und auch inhaltlichen Aspekten von der Art ab, wie sie etwa in der römisch-katholischen Kirche gespendet werden.
So ist das als „Letzte Ölung“ bekannte Sakrament bei uns eine Krankensalbung, die sich auf die leibliche und geistliche Gesundung richtet, nicht auf die Wegbegleitung in die Ewigkeit. Die Firmung schließt bei uns unmittelbar an das Taufsakrament an, und die Ehe hat eine weiter gefasste geistliche Dimension.
Und ob es sieben sind, darüber sind sich auch nicht alle einig – auch wenn es ein orthodoxes Konzil (erst 1638 übrigens) mal so festgelegt hat: Denn eigentlich gibt es noch so viel mehr Mysterien – sie offenbaren sich dem, der sich ernsthaft Gott zuwendet.
Sittliches
Ist bei euch Homosexualität ein Thema? Dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten?
Wir halten uns hier an die Heilige Schrift, die ist da sehr unmissverständlich. Allerdings trennen wir deutlich zwischen der Sünde, die wir als das benennen, was sie ist, und dem Sünder, den wir lieben, weil wir alle genauso Sünder sind, jeder auf seine Weise.
Dass ein Priester keiner Sünde seinen Segen geben darf, hat er bei seiner Weihe geschworen. Wie gesagt: Sünde ist kein Verbrechen, es ist in erster Linie eine geistliche Gefahr für den Sünder selbst. Unsere Kirche würde salzlos, wenn sie davor nicht mehr warnen würde.
Die „Krönung einer Ehe“ (so heißt das Ehesakrament bei uns) heiligt die Verbindung von Mann und Frau; so verwirklichen beide den Sinn ihrer gemeinsamen Existenz:
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan.
Zum Weiterlesen:
Grundsätze zur Sexualität in der Orthodoxen Kirche
Der Ausgangspunkt für ein christliches Verständnis von Sexualität und der Natur der menschlichen Person ist derselbe Ausgangspunkt wie für viele andere Fragen in der Orthodoxen Theologie, nämlich die Fleischwerdung des Wortes (Joh 1,14). Die Fleischwerdung ist das grundlegende Dogma aller Theologie.
P.S. Die Liebe zwischen Mann und Mann auf den Eros zu reduzieren, ist einer der beliebten Fallstricke auf diesem Terrain… Schließlich gibt es die Liebe im Griechischen auch als Agape und als Philia. Abseits bloßer Körperlichkeit gibt es also durchaus Überraschungen. Wer glaubt, die Kirche könne eine Verbindung zwischen Mann und Mann nicht segnen, der möge „Schwurbruderschaft“ googlen 😉
Habt ihr auch das Problem mit der Pädophilie im Klerus wie die Katholiken?
Unsere Kirche hält es für weise und im Einklang mit Schrift und Tradition, dass Gemeindepriester bei uns in aller Regel verheiratet sind. Dadurch stellt sich das Problem sexuellen Missbrauchs bei uns so nicht.
Gleichwohl existiert die orthodoxe Kirche nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Moral in ihrem Umkreis – die leider im Zuge der Lösung von christlichen Werten in den letzten hundert Jahren eine betrübliche Entwicklung genommen hat. Eine jungfräuliche Lebensweise ist aus orthodoxer Sicht ein sehr hohes Gut, sie wird in den Klöstern und von den Bischöfen praktiziert. Dort ist sie genauso bedroht von menschlicher Schwäche, weltlichem Einfluss und dem nimmermüden Satan, wie woanders auch.
Allerdings haben da Kinder nichts verloren, und wer heutzutage das Mönchsgelübde ablegt, tut dies ohne äußere Zwänge – er ist bereit zum Kampf gegen die Sünde, er hat sich und sein Gewissen intensiv geprüft.
Ist es wahr, dass für Geschiedene in der orthodoxen Kirche eine erneute kirchliche Eheschließung möglich ist?
Ja.
Die Segnung einer zweiten, in seltenen Fällen auch dritten Ehe ist aber keine Hochzeitsfeier im eigentlichen Sinne, sondern Eingeständnis menschlicher Schwachheit. So wie sich Menschen durch Sünde der Gnade des Mysteriums der Eucharistie verschließen können, so kann auch eine Ehe so gründlich „schiefgehen“, dass keine Hoffnung mehr besteht, dem hohen Ideal ihrer Berufung nachzustreben. Die zweite Ehe ist die Möglichkeit eines Neuanfangs, kein Freibrief für leichtfertige Lebensführung.
Hier gibt es eine ganze Playlist zum Thema Liebe und Ehe.