Die Kirche sah sich als Rechtsnachfolgerin von Tempel und Synagoge. Diskussionen über jüdische Gesetze hatten schon für Streit zwischen Jesus und den Pharisäern & Schriftgelehrten gesorgt: Übertritt er/erfüllt er das Gesetz?
FAZIT:
All dies ist heute nicht mehr aktuell. Aktuell bleibt aber das Problem einer in göttlicher Selbst-Offenbarung gegründeten Tradition, die durch zeitbedingte Vermittlungsformen und örtliche Besonderheiten hindurch von menschlichen Verfälschungen befreit werden muß. Der Gegensatz zwischen göttlicher Offenbarung DURCH Menschen und Zutaten VON Menschen beschäftigt uns weiterhin.
Hilfreich erscheint hier die Betrachtung,
a) wie Konflikte zwischen den Lehren Christi und denen des Alten Testaments im Blick auf verschieden qualifizierte Adressaten dieser Lehren erklärt werden,
b) wie solche Unterschiede nur durch menschliche Verfehlungen zu Konflikten führten,
c) wie der Bezug auf die Person Christi diese Konflikte zu lösen erlaubt.
a) Gleiche Lehren für verschieden qualifizierte Hörer
Altes und Neues Testament lehren dieselben höchsten beiden Liebes-Gebote; sie haben denselben Autor.
Irenäus Gegen die Häresien Buch IV – XII 3
3. Da nun im Gesetz und im Evangelium das erste und größte Gebot ist, Gott den Herrn aus ganzem Herzen zu lieben, und das zweite, diesem ähnlich, den Nächsten wie sich selbst zu lieben, so ist offenkundig der Urheber des Gesetzes und der Urheber des Evangeliums ein und derselbe. Die Übereinstimmung der Gebote für das vollkommene Leben in beiden Testamenten weist auf denselben Gott hin. Die besonderen Gebote passte er den besonderen Umständen an; die wichtigsten und höchsten Gebote aber, ohne die man nicht gerettet werden kann, sind in beiden Testamenten dieselben.
Der Dekalog ist nur die erste Stufe; Wie die Geschichte vom reichen Jüngling zeigt, muß für Fortgeschrittene die Überwindung der Habsucht als zweite Stufe hinzukommen, bevor die Vollkommenheit der Nächstenliebe erreicht wird.
So stellen
Irenäus Gegen die Häresien Buch IV XIII 2
Das Gesetz war nämlich für Knechte gegeben; durch seine äußerlichen, körperlichen Vorschriften unterwies es die Seele, indem es wie durch ein Band heranziehen wollte zur Beobachtung der Gebote, damit der Mensch lernen sollte, Gott zu gehorchen. Das Wort aber befreite die Seele und lehrte, wie sich der Körper durch sie freiwillig reinige.
Vgl.
Ap.Konst. VI-XXIII
Der das Gesetz gab, um der eifrigen Gesetzesbetrachtung willen den Sabbat durch Ruhen von der Arbeit zu feiern, befiehlt jetzt, daß wir täglich die Gesetze der Schöpfung und Vorsehung betrachten und Gott Dank sagen. Die Beschneidung hat er aufgehoben, nachdem er sie an sich selbst erfüllt; denn er war es, dem (die Herrschaft) hinterlegt war, er, die Erwartung der Völker (Gen 49,10); der die Heilighaltung des Eides gesetzlich befohlen und den Meineid verboten, ermahnte, ganz und gar nicht zu schwören (Mt 5,33). Die Taufe, das Opfer, das Priesterthum, den an einen Ort gebundenen Gottesdienst hat er, wie anderswo gesagt, umgeschaffen; statt der täglichen Waschungen hat er nämlich die eine Taufe gegeben, die auf seinen Tod hin gespendet wird; zum Priesterthum ward nicht mehr nur ein Stamm berufen, sondern er befahl, die Würdigsten aus jedem Volke hiezu auszuwählen und nicht ihre körperliche Reinheit zu prüfen, sondern ihre Frömmigkeit und ihren Lebenswandel. Statt des blutigen Opfers hat er Abbildes halber (συμβόλων χάριν) ein vernünftiges, unblutiges, mystisches Opfer eingesetzt, das auf seinen Tod sich bezieht, das Opfer seines Leibes und Blutes; statt des örtlichen Kultus hat er vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne an einem jeglichen Orte seines Reiches ihn zu verherrlichen uns befohlen und für recht erklärt (Ps. 112, 3; Mal. 1, 11). Also nicht das Gesetz hat Christus von uns genommen, sondern die Fesseln.
Dabei stellen…
Irenäus Gegen die Häresien Buch IV XV 1
Daher war das Gesetz ein Zuchtmittel für sie und eine Vorherverkündigung der zukünftigen Güter. Denn zuerst ermahnte sie Gott durch die natürlichen Gebote, die er den Menschen in das Herz geschrieben hat, d. h. durch den Dekalog. Ohne diese gibt es kein Heil, und nichts weiteres verlangte er von ihnen. …Wie sie sich aber angeschickt hatten, das Kalb zu machen, und mit ihren Seelen nach Ägypten zurückgekehrt waren, indem sie lieber Knechte als Kinder zu sein begehrten, da empfingen sie die ihrer Begierde angepaßte übrige Knechtschaft, die sie zwar von Gott nicht losriß, aber das Joch der Knechtschaft ihnen aufzwang.
und
Ap.Konst. VI-XX bis XXII
XX Das Gesetz aber ist der Dekalog, jene zehn Gebote, welche Gott mit lauter Stimme seinem Volke gab, ehe es sich das Kalb machte, nämlich den Apis der Ägypter. Dieses Gesetz aber ist gerecht;… dieses Gesetz ist gut, heilig und zwanglos. Denn der Herr sagt: „Wenn du nur einen Altar machest, so sollst du ihn mir aus Erde machen;“ er sagt nicht „mache“, sondern, „wenn du machest“, er legt keinen Zwang auf, sondern er überläßt es dem freien Willen. Denn Gott bedarf der Opfer nicht, da er seiner Wesenheit nach Nichts bedarf; aber er wußte, daß auch schon ehedem der gottliebende Abel und Noe und Abraham und ihre Nachkommen nicht gezwungen, sondern vom Naturgesetz bewogen von selbst aus dankbarer Gesinnung ihm Opfer dargebracht haben. Das Gleiche gestattete er den Juden, weit entfernt, es ihnen zu befehlen; er erklärte, ihre Opfer wohlgefällig anzunehmen, wenn sie selbe mit rechter Gesinnung darbrächten. Deßwegen sagt er: „Wenn du opfern willst, so opfere mir, nicht als ob ich dessen bedürfte, denn mir mangelt Nichts, mein ist der Erdkreis und was ihn erfüllt.“….Und sie machten ein aus Metall geschmolzenes Kalb und opferten dem Götzen; da war Gott erzürnt ob ihrer Undankbarkeit, und er band sie mit unauflöslichen Fesseln und legte ihnen schwere Bürden und ein hartes Joch auf; er sprach nicht mehr: „Wenn du machst“, sondern: „Mach‘ einen Altar und opfere fortwährend,“ denn du bist vergeßlich und undankbar; bringe daher beständig ein Brandopfer, damit du meiner gedenkest; denn weil du mit der Freiheit Mißbrauch getrieben, so lege ich dir Zwang auf für die Zukunft und verbiete dir, von gewissen Speisen und Thieren zu genießen als reinen oder unreinen Thieren, obgleich alle Thiere gut sind, weil von mir geschaffen; auch mache ich dir Reinigungen, häufige Waschungen, Besprengungen und Sühnungen, verschiedene Festlichkeiten zur Pflicht; und wenn du im Einzelnen ungehorsam bist, so bestimme ich eine Strafe, wie es dem Ungehorsamen geziemt, damit du gedrückt und von diesem Joche beengt abstehest vom Irrthum der Vielgötterei…und du dich jenem Gesetze wieder zuwendest, das ich allen Menschen von Natur aus eingepflanzt habe: daß nur e i n Gott sei im Himmel und auf Erden, welchen man lieben müsse aus ganzem Herzen und aus allen Kräften und aus ganzer Seele, und daß ausser ihm ein Anderer nicht zu fürchten; daß man die Namen anderer Götter weder denken noch aussprechen dürfe. Wegen ihrer Herzenshärte hat der Herr sie gebunden, damit sie durch Opfer, Feste und Reinigungen und ähnliche Observanzen wieder Anlaß nehmen, an Gott zu denken, der ihnen Solches befohlen.
XXI Ihr aber, die ihr an einen Gott glaubet, die ihr nicht aus Zwang, sondern aus freiem Willen und eigener Überzeugung dem Rufe Gottes gefolgt seid, selig sind eure Augen, daß sie sehen, und euere Ohren, daß sie hören; denn ihr seid losgebunden von den Fesseln und befreit aus der Knechtschaft. Denn der Herr sagt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde, weil ich euch Alles kund gethan, was ich von meinem Vater gehört habe.'“ (Joh 15,15) Denn Jenen, welche weder sehen noch hören wollten, nicht wegen Mangel an Einsicht, sondern aus bösem Willen, habe ich Gebote gegeben, die nicht gut waren und Gesetze, kraft deren das Leben nicht in ihnen war; nicht gut waren die Gesetze ihrer Ansicht nach, gleichwie auch die Brenneisen und die Lanzette und die Medicinen widrig sind für Kranke, und sie werden nicht beobachtet wegen ihrer Herzenshärte, daher auch deren Mißachtung ihnen den Tod bringt.
XXII Ihr aber seid selig, weil vom Fluche erlöst; denn Christus, der Sohn Gottes, ist gekommen und hat das Gesetz als zu Recht bestehend anerkannt und erfüllt. Das aber dazu Eingeführte hat er abgeschafft, wenn auch nicht Alles, so doch das Schwerere; Einiges davon hat er bestätigt. Anderes aufgehoben. Und er hat das Selbstbestimmungsrecht der Menschen wieder frei gegeben, nicht mit plötzlichem Tode strafend, sondern in einem andern Zustand es zur Rechenschaft ziehend; darum sagt er: „Wenn Jemand mir nachfolgen will, so komme er;…. Aber auch schon vor seiner Ankunft wandte er sich von den Opfern des Volkes ab, das oft gegen ihn sündigte und der Meinung war, durch Opfer, aber nicht durch Buße ihn sich geneigt zu machen. Denn also spricht der Herr: „Was bringet ihr mir Weihrauch von Saba und wohlriechende Zimmetrinde von fernem Lande? Eure Brandopfer sind mir nicht angenehm, und eure Schlachtopfer gefallen mir nicht.“ (Jer 6,20) Und dann: „Thut immerhin eure Brandopfer zu euren Schlachtopfern und esset das Fleisch. Ich habe euch, als ich euch ans dem Lande Ägypten herausgeführt, von Brand- und Schlachtopfern Nichts befohlen…. Wenn er also schon vor seiner Ankunft statt Opfer ein reines Herz forderte und einen demüthigen Geist, um wie viel mehr hat er nach seiner Ankunft diese blutigen Opfer aufgehoben? Er hat sie aber dadurch aufgehoben, daß er sie vorher erfüllte; denn auch er wurde beschnitten und besprengt; ebenso hat er Opfer und Brandopfer dargebracht und die übrigen Gebräuche beobachtet und er, der Gesetzgeber selbst wurde die Erfüllung des Gesetzes, nicht indem er das natürliche Gesetz aufhob, sondern das, was durch die zweite Gesetzgebung (Deuterosis) hinzu gekommen war (nämlich zum Dekalog), aufhören machte und auch das nicht alles.
die Entwicklung AT- NT als wunderbare Erziehungsgeschichte Gotts mit seinem Volk dar.
Der Dekalog, als „Herzens-Natur gemäße“ Basis der Volkserziehung, wird hierbei wegen Nichtbefolgung in der Deuterosis verschärft. Statt „wenn du opferst, mach es so….“ jetzt: „opfere alle Nase lang dies und das so und so“. Beide Gesetze stimmen zwar zusammen, treffen aber auf verschieden hörwillige Adressaten..
b) Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Überholtem und Bleibendem
Schauen wir genauer hin:
Diese zwecks Disziplinierung draufgesetzten Zwangs-Vorschriften nährten einen Phariäismus, der dem Zweck dieser Erziehung widersprach. So wurden diese Zwangsgesetze zum Hindernis für das eigentlich mit ihnen verfolgte Ziel der Erlösung. Sie sind nunmehr bloß noch menschliche, d.h. den egoistischen Leidenschaften dienende, Überlieferungen, die vom Willen Gottes ablenken.
Irenäus Gegen die Häresien IV-XXII 1:
Die Überlieferung ihrer Vorsteher, die sie nach dem Gesetze zu beobachten vorgaben, war dem Gesetze des Moses entgegengesetzt. Deswegen sagt auch Isaias: „Deine Wirte mischen Wein mit Wasser“ , indem er dadurch anzeigte, daß die Ältesten dem herben Gesetze Gottes ihre verwässerte Tradition beimischten und ein falsches, dem Gesetze widersprechendes Gesetz aufstellten. Das tut auch der Herr kund, indem er zu ihnen spricht: „Warum übertretet ihr das Gesetz Gottes wegen eurer Tradition?“ Aber sie vereitelten nicht nur das Gesetz Gottes durch ihre Übertretung, indem sie Wasser mit Wein mischten, sondern bildeten sogar einen Gegensatz mit ihrem Gesetz, das bis heute das pharisäische genannt wird. Darin wird einiges fortgenommen, anderes hinzugefügt, einiges nach ihrem Willen ausgelegt, welcher Stellen sich ihre Lehrer besonders bedienen. Indem sie auf diese Überlieferungen besonderes Gewicht legten, wollten sie sich dem Gesetz nicht unterordnen, das sie für die Ankunft Christi erzog, und tadelten noch den Herrn, daß er am Sabbat heilte, was, wie wir vorher gezeigt haben, das Gesetz nicht verbot.
Darum konnten die pingeligen Schriftgelehrten die dritte (neutestamentliche) Stufe der geistigen Freiheits-Weisungen durch Jesus als Tradtionsverrat mißverstehen.
Gegen dieses selbe Mißverständnis kämpft auch Paulus noch an:
Kol 2,20 ff.
Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht! (Dinge, welche alle zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt sind) nach den Geboten und Lehren der Menschen (welche zwar einen Schein von Weisheit haben, in eigenwilligem Gottesdienst und in Demut und im Nichtverschonen des Leibes, und nicht in einer gewissen Ehre), zur Befriedigung des Fleisches.
c) Lösungswege
Gleich die nächste Generation theologischer Väter mußte sich mit Mißdeutungen des Bezugs zwischen dem Alten Testament und Christus auseinandersetzen. Systematisch wurde jetzt Christus als Schlüssel zum Verständnis der Schrift (d.h. noch des Alten Testaments) thematisiert.
Ignatios v. Antiochien, Brief an die Philadelphier VI
1. Wenn aber bei euch einer judaistische Lehren verkündigt, so höret nicht auf ihn! Denn es ist besser, von einem Beschnittenen das Christentum zu hören, als von einem Unbeschnittenen judaistische Lehren. Wenn aber beide nichts von Jesus Christus reden, dann sind sie für mich wie Grabsäulen und Totenkammern, auf denen nur Namen von Menschen eingeschrieben sind.
Christliche wie auch jüdische Lehren (dh.AT und NT) ohne Christusbezug (d.h. ohne ein Wort über Christus zu verlieren) sind tot.
Ignatios v. Antiochien, Brief an die Philadelphier IX
1. Gut waren auch die Priester (des Alten Bundes), besser ist der Hohepriester (= Jesus Christus), der das Allerheiligste erhalten hat, dem allein die Geheimnisse Gottes anvertraut sind; er ist der Zugang zum Vater, durch den Abraham, Isaak, Jakob, die Propheten, die Apostel und die Kirche Zutritt haben. All das dient zur Vereinigung (der Menschen) mit Gott. 2. Etwas Besonderes aber hat das Evangelium, nämlich die Ankunft des Erlösers, unseres Herrn Jesus Christus, sein Leiden und seine Auferstehung. Die Weissagungen der geliebten Propheten gehen auf ihn; das Evangelium aber ist die Vollendung der Unvergänglichkeit.
Nur durch Christus als im Wort Gottes erfahrene Realität hatten die Patriarchen und Propheten jenen Zugang zu Gott, den auch die Apostel und die Kirche hat.
Ignatios v. Antiochien, Brief an die Philadelphier VIII 2
… Da ich einige sagen hörte: wenn ich etwas nicht in den Urkunden, in dem Evangelium finde, glaube ich nicht; und als ich ihnen erwiderte, dass es geschrieben steht, gaben sie mir zur Antwort: dies steht ja in Frage. Mir aber ist Urkunde Jesus Christus; mir sind die unversehrten Urkunden sein Kreuz, sein Tod, seine Auferstehung und der durch ihn begründete Glaube.
Wer nur das in der Schrift (AT) Fixierte anerkennen will, begreift nicht das (über das Schrift-Wort hinausgehende) lebendige „Dokument“ der Person des Wortes Gottes. (vgl. Ich bin der Weg…: die Wahrheit als Person).
So hat ja auch Jesus erst nach Seiner Auferstehung den Jüngern den Schrift-Sinn öffnen können. Also nur vom Ziel dieser Schrift her, der mit der Auferstehung erlangten Chance der Erlösung, wird die Schrift begreiflich.
Oder: Nur in der persönlichen Begegnung mit Ihm konnten sie das AT (die „Schrift“) neu verstehen:
vgl. Irenäus Gegen die Häresien Buch IV – XII:26:1
1. Wenn also jemand die Schriften aufmerksam liest, so wird er in ihnen das Wort von Christus und die Vorbilder des Neuen Bundes finden. Das ist der im Acker, d. h. in dieser Welt, verborgene Schatz. Denn „der Acker ist die Welt“ . Der in den Schriften verborgene Schatz aber ist Christus, da er durch die Vorbilder und Gleichnisse dargestellt wurde. Darum konnte man das über ihn als Mensch Ausgesagte nicht verstehen, bevor die völlige Erfüllung eingetreten war, d. h. die Ankunft Christi. Deshalb wurde zu dem Propheten Daniel gesagt: „Verschließ die Reden und versiegele das Buch bis zur Zeit der Erfüllung, bis daß viele lernen und die Erkenntnis erfüllt wird. Denn dann, wenn die Zerstreuung vollendet sein wird, werden sie dies alles erkennen“ . Aber auch Jeremias sagt: „In den letzten Tagen werden sie dies einsehen“ . Denn jede Prophezeiung enthält für die Menschen Rätsel und strittige Punkte, ehedenn sie in Erfüllung gegangen ist. Wenn aber die Zeit gekommen und das Prophezeite eingetreten ist, dann haben die Prophezeiungen eine klare und einleuchtende Auslegung. Und deshalb ist das von den Juden anerkannte Gesetz, auf die Gegenwart bezogen, einem Mythos ähnlich; denn sie haben nicht die Erklärung von dem allen, die da besteht in der Niederkunft des Sohnes Gottes aus dem Himmel. Wird es aber von den Christen betrachtet, dann ist es der in dem Acker verborgene Schatz, der sich für sie erst am Kreuze enthüllte und erschloß, indem er den Verstand der Menschen bereicherte, die Weisheit Gottes ihnen zeigte, seine Heilsordnung hinsichtlich des Menschen offenbarte, im voraus das Reich Christi darstellte, die Erbschaft auf das heilige Jerusalem verhieß und verkündete, daß so weit der Gott liebende Mensch vorschreiten wird, daß er Gott sieht und sein Wort hört. … Man lese also, wie gesagt, die Schriften, wie der Herr nach seiner Auferstehung von den Toten mit seinen Jüngern sich unterredete und ihnen aus den Schriften zeigte, daß „Christus leiden und in seine Herrlichkeit eingehen mußte, und daß in seinem Namen Vergebung der Sünden auf der ganzen Welt gepredigt werde“ , so wird man ein vollkommener Schüler werden und „dem Hausvater ähnlich, der aus seinem Schatze Neues und Altes hervorbringt“ .
Man bemerke in diesem Zitat den Unterschied zwischen dem Wort über Christus und Christus als dem Wort.
Es muß also das lebendige Wort die tote Schrift erklären.
Vgl. Lk 24,44 f (vgl. Emmausjünger Lk 24,25 ff.)
Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften.
Da sagte er zu ihnen: Ihr Unverständigen, deren Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
Der Zusammenhang der Schriften erschließt sich mithin nur personal, in der Begegnung mit der Person Christi
FAZIT:
Dieses Erfordernis persönlicher Begegnung mit Christus kann uns in den heutigen Auseinandersetzungen mit jenen theologischen Akademikern helfen, die ihre Reformvorhaben als Wiederherstellung der Tradition darstellen (vgl. Vat. II!).. Da hilft nur die „Unterscheidung der Geister,“ die allerdings nur wahren Geist-Trägern geschenkt wird. Wir Fußvolk halten uns hier an Theologen, deren Geist-Trägerschaft von der Kirche anerkannt wurde. Wir sind also heute, wenn wir über nötige Reformen in verkrusteten Hierarchien nachdenken, auf der sicheren Seite, wenn wir (z.B.) den Weisungen des Heiligen Justin von Celje folgen und nicht denen seiner Gegner oder Verächter. Und es ist ratsam, geistliche Väter aus dem Umkreis solch beglaubigter Geistträger zu suchen.