Dostojewski, Fjodor – Schuld und Sühne (Verbrechen und Strafe)

(1866 | 750 S.)

Schuld und Sühne, in älteren Übersetzungen auch Raskolnikow, in neueren Verbrechen und Strafe, ist der 1866 erschienene erste große Roman von Fjodor Dostojewski. Wikipedia

Meinung

Cornelia meint:

Ich hatte eigentlich schon die Nase voll von Dostojewski, und dann wurde der letzte Roman, den ich las, zur großen Entdeckung und Begeisterung. Kein Buch ist so durchgestaltet, homogen, klug und subtil konstruiert, und natürlich ist es unglaublich spannend.

Ich hatte gelesen, daß es das Nietzschesche Prinzip des amoralischen Übermenschen durchspielt. Deshalb hatte ich schon gar keine Lust drauf. Aber das Großartige ist, dieses Buch als das einzig uneingeschränkt orthodoxe Buch dieses Autors kennenzulernen. Während sonst bestenfalls am Glauben rumgezweifelt wird, wird hier die Selbstvergöttlichung der Moderne anhand von Nieztsche systematisch auseinandergenommen. Raskolnikov ist im Kopf so ein Selbstvergötterer, der meint, ein Mord an einer miesen Type sei gerechtfertigt, wenn er doch nachher mit der Beute unglaublich viel Gutes tut. Subtil ist, daß er in der Tat ein großzügiger Mensch ist, dessen Barmherzigkeit wahrhaft selbstlos, geradezu christlich anmutet. Und dann lebt dieser großartige Geist in einem Menschen, den seine Nietzscherei schon geradezu krank gemacht hat: keine Sozialkontakte, keine Nerven, keine fitness, völlige Unfähigkeit, für sich zu sorgen, Armut, Schulden, und die fixe Idee daß mit 3000 Rubel er zum Wohltäter werden könnte. Der Mord gelingt, aber die eigene Nervenkrankheit (man kann es auch Gewissen nennen) zwingt ihn dazu, überall clues zu hinterlassen, die dann vom Untersuchungsrichter Porphiri genial zur weiteren Zersetzung seiner Widerstandskraft genutzt werden. Brilliant auch, wie der Parallelbösewicht, Swiridriaglew, genau dasselbe tut wie Raskolnikov, d.h. einen Menschen morden, – nur halt mit dem Motiv des Vergnügens. Interessant, daß letzterer, als all seine Glücks-Pläne scheitern, es schafft, sich umzubringen, trotz seiner ganz un-Nietzscheschen Angst vor dem Tod, während der Nietzscheaner stattdessen gesteht und sich nie verzeihen kann, daß er vielleicht nur aus Feigheit und Berechnung gestanden hat. Zwischendurch hat er Sonja vor einem Leben in Prostitution gerettet, und diese Heilige ist es, bei der er – ganz un-Nietzscheisch – menschliche Nähe sucht und findet. Hier endlich mal bei den Haupt-Frauen keine Leidens-Hysterie von der Art, die Dostojewski bei seiner ersten Frau kennenlernte und dann sich immer wieder von der Seele schreiben mußte . Hier scheint stattdessen  seine wunderbare zweite Frau geschildert zu sein. Sie begleitet ihn nach Sibirien und ihre himmlische Liebe läßt ihn auferstehen. Und zwar im Geist – immerhin – des Evangeliums. Was das vorher mit dem Abendmahl war, für das alle sich vorbereiteten, und mit der Tatsache, daß die Mitgefangenen ihn wegen seiner Gottlosigkeit totschlagen wollten, verstehe ich nicht ganz. Egal, dies ist mein Lieblingsbuch von Dostojewski.

JG+*

Info

Erscheinungsjahr19. Jh., 2. Hälfte
Seiten> 600
AutorDostojewski, Fjodor

Kommentare

Kommentar zu: Dostojewski, Fjodor – Schuld und Sühne (Verbrechen und Strafe).

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